Mobiles Bezahlen: Chancen und Risiken für den stationären Handel

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Die Bedeutung digitaler Bezahlverfahren wächst ähnlich schnell wie deren Möglichkeiten. Worauf der Online-Handel naturgemäß schon längst eingestellt ist, stellt stationäre Kaufleute oft vor neue Herausforderungen. Doch es lohnt sich für viele Laden- oder Restaurantbetreiber, technisch aufzurüsten. Wer die wesentlichen Bausteine von Mobile Payment kennt, kommt schnell ans Ziel.

Deutschland und die Digitalisierung – vielfach ist das eine schwierige Beziehung. Ob es um die Ausstattung von Schulen mit digitalen Lernmitteln geht, um den Ausbau von Breitband-Internet und schnellem Mobilfunk oder die Modernisierung öffentlicher Verwaltung: Der Nachholbedarf scheint allgemein groß zu sein. Auch in Sachen Bezahlen sind die Deutschen bekanntlich immer noch gerne analog unterwegs. Bislang hatten sie vor allem bei kleineren Beträgen einen deutlichen Hang zum Bargeld, nur höhere Summen wurden häufiger mit Karte bezahlt. Durch die Corona-Pandemie hat das „unbare“ Bezahlen seit vergangenem Jahr jedoch aus hygienischen Gründen in seiner Beliebtheit zugelegt. Nach einer Studie der Deutschen Bundesbank zum Zahlungsverhalten in Deutschland lag der Anteil von Kartenzahlungen 2020 bei sämtlichen erfassten Zahlungsvorgängen in Handel und Freizeiteinrichtungen bei 30 Prozent. Das ist ein Plus von 9 Prozentpunkten gegenüber der vorigen Studie aus dem Jahr 2017. Vor allem die kontaktlose Debit- oder Kreditkarte war dabei Treiber der Entwicklung.

Mobiles Bezahlen gewinnt in Prognosen

Im Vergleich zur Kartenzahlung sieht die Bundesbank-Studie beim Mobilen Bezahlen zwar noch eine Zurückhaltung der deutschen Verbraucher. Von den befragten Smartphone-Besitzern gaben demnach nur 13 Prozent an, schon einmal per App an der Kasse bezahlt zu haben.

Jedoch liegt dieser Wert bereits 6 Prozent über jenem aus der Studie von 2017. Seinerzeit waren Mobile-Payment-Apps noch ganz neu auf dem Markt. Zudem zeigen spezielle Erhebungen zum digitalen Bezahlen, dass der Trend klar in Richtung Mobile Payment geht. So haben beispielsweise die Unternehmensberater von PwC ermittelt, dass 57 Prozent der Bundesbürger bis 2024 ihre Zahlungen mobil abwickeln wollen. 41 Prozent könnten sich demnach sogar vorstellen, ausschließlich per App zu bezahlen. Besonders bei den jüngeren Befragten liegt Mobile Payment bereits jetzt im Trend. Der Digitalverband Bitkom hat in einer repräsentativen Umfrage eruiert, dass zwischen September und November 2020 bereits 39 Prozent der Kunden zumindest vereinzelt mit dem Smartphone bezahlt haben.

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Stationäre Händler können schnell nachrüsten

Während die Verbraucher im Online-Handel digitale Bezahlverfahren wie Paypal oder Klarna notwendigerweise schon längst gewohnt sind, kommen sie also auch im stationären Geschäft zunehmend darauf. Das Mobile Payment macht es möglich. Und wo große Handelsketten sich schon seit ein paar Jahren auf diese neue Methode flächendeckend mit viel Know-how eingestellt haben, gibt es bei kleineren Einzelhändlern oft noch Nachholbedarf. Dabei ist auch für den selbstständigen Restaurantbesitzer oder die unabhängige Boutique-Betreiberin ein Nachrüsten auf Mobile Payment im Grundsatz gar nicht so schwer.

Wenn der passende Anbieter gefunden und das eigene Geschäft dort registriert ist, muss der Händler die zugehörige App auf sein Smartphone bzw. das Kassensystem laden und seine Daten samt Bankverbindung hinterlegen. Daraufhin schickt der Anbieter in der Regel ein Lesegerät zu, das entweder per Kabel oder drahtlos via Bluetooth mit dem Kassensystem verbunden wird.

In der Verkaufspraxis überträgt das Kassensystem dann dem Kunden per NFC-Funk oder QR-Code den Rechnungsbetrag auf dessen Smartphone. Die Bank des Händlers wird über den anstehenden Zahlungseingang informiert und die App sendet die Empfänger-IBAN samt Betrag an die Bank des Kunden. Schließlich wird der überwiesene Betrag an das Kassensystem am POS übertragen und die Zahlung ist erfolgt.

Auf die Übertragungsart achten

Ob die Übertragung der Kontodaten nun lieber per NFC-Funk oder QR-Code stattfinden soll, hängt davon ab, wie breit sich ein Händler in den Zahlungsarten aufstellen will. Das Lesegerät des Payment-Anbieters kann die Kontoinformationen des Kunden per NFC-Funk sowohl von einer Debit-/Kreditkarte als auch vom Smartphone ablesen. Heißt: Ein NFC-fähiges Lesegerät ermöglicht den Kunden zugleich das Bezahlen per Kontaktloskarte. Für die QR-Code-Variante wird dagegen ein separater Scanner benötigt, der ausschließlich die Codes vom Smartphone der Kunden ablesen kann.

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Wer als Händler auf NFC-Technik setzt, kann seinen Kunden zudem eine höhere Sicherheit der Datenübertragung gewährleisten. Die speziellen Funkwellen über eine kurze Distanz auf den NFC-Chip im Smartphone sind für Hacker schwerer zu verfolgen als die Daten hinter den QR-Codes abzulesen sind. Zwar können Kunden, die keinen oder einen zu alten NFC-Chip in ihrem Smartphone haben, dies mit einer softwarebasierten Host-Card-Lösung umgehen, die unsicherer erscheint. Doch auch dafür gibt es spezielle Härtungen, die die Anfälligkeit für Datenmissbrauch verringern. Hundertprozentige Sicherheit gibt es natürlich dennoch nie beim digitalen Bezahlen. Als Vorteil hinzu kommt, dass die Übertragung bei der Funktechnik deutlich schneller vonstatten geht als beim Scannen des Codes.

Ohnehin funktioniert die Bezahlung von Beträgen bis zu 25 Euro via kontaktlosem NFC-Funk für gewöhnlich ohne Eingabe einer PIN und macht sie damit schneller als die Nutzung einer althergebrachten Kontaktkarte. Mobile Payment ermöglicht es, auch bei höheren Beträgen auf die PIN-Eingabe zu verzichten und sie durch Fingerabdruck- oder Gesichtserkennung des Smartphones zu ersetzen.

Über Kassensysteme und mobile Lesegeräte nachdenken

Zusätzlich zur Auswahl des richtigen Mobile Payment-Anbieters und der optimalen Übertragungstechnik müssen Händler sich natürlich auch Gedanken über die Hardware machen. In den meisten Kassen-Terminals ist beispielsweise heute schon die NFC-Funktechnik verbaut, sodass eine Entscheidung für QR-Codes ohnehin obsolet wird. Wie oben bereits beschrieben, gibt es für Neugründer und Kleinunternehmer, die sich noch kein separates Kassensystem mit Terminal leisten wollen oder können, die praktische Möglichkeit, über Smartphones eine Kassensoftware abzuwickeln.

Einige Anbieter liefern dabei gleich ein Warenwirtschaftssystem mit und bieten den Händlern an, einen Online-Shop damit zu verbinden. Diese mobile Variante erlaubt es Verkäufern, ihren Kunden direkt über das Smartphone am Produktregal die gewünschte Ware abzurechnen, ohne dass die sich extra an der Kasse anstellen müssten. Alternativ zu der Smartphone-Lösung gibt es aber natürlich auch mobile Lesegeräte für Kassen-Terminals. Je nach Betriebsart ist es also dringend geboten, dass sich Händler über die verschiedenen Möglichkeiten von passgenauen Kassensystemen informieren. Die neu eingeführte Kassensicherungsverordnung von 2020 sollte dafür schon alleine Anlass genug sein.

Große Auswahl der Anbieter

Während große Handelsketten mit eigens entwickelten Payment-Apps auftrumpfen, müssen sich kleinere Einzelhändler auf Lösungen externer Anbieter fokussieren. Dabei stehen einerseits die Möglichkeiten der Online-Giganten wie Google Pay und Apple Pay zur Verfügung. Andererseits haben aber auch deutsche Unternehmen vernünftige Angebote: Wer als Händler seinen Kunden die Chance bietet, bei jedem Einkauf Payback-Punkte zu sammeln, kann zugleich auf den Dienst Payback Pay bauen. Und wer die heimische Bankenwelt unterstützen möchte, dem offeriert etwa die Sparkasse über ihre App „Mobiles Bezahlen“ eine Lösung. Der aus Österreich stammende Dienst Bluecode hat für Händler ein Gesamtpaket zum Mobile Payment, das neben der grundlegenden Hard- und Software auch auf digitale Mehrwertprogramme setzt. Individuelle Gutscheine oder Kundenkarten können direkt in der App hinterlegt werden. Um herauszufinden, welcher Anbieter in Kombination mit welcher Übertragungs- und Kassentechnik geeignet ist, hat das EHI Retail Institute einen Schnell-Check für Händler entwickelt. Zudem sind dort konkrete Fallbeispiele gelungener Umsetzungen zu finden.

Zwei Seiten des mobilen Bezahlens abwägen

Dass auch kleinere Einzelhändler- und Unternehmer langfristig betrachtet nicht um das Anbieten von Mobile Payment herumkommen werden, scheint angesichts des beschriebenen Trends klar. Neue Entwicklungen treiben den Markt für entsprechende Apps immer weiter voran. Inwieweit der eigenen Kundschaft allerdings diese neue Bezahlmethode angeboten werden soll, muss individuell auf Grundlage einer Kosten-Nutzen-Abwägung entschieden werden. Die eigenen Rahmenbedingungen sind mit Kundenwünschen in Einklang zu bringen. Hier noch einmal ein zusammenfassender Überblick zu den wichtigsten Vor- und Nachteilen:

Pro

  • Hoher Hygiene-Standard, da bargeldlos und kontaktlos
  • Schnelle, bequeme und ortsungebundene Zahlungsweise
  • Kosten und Zeitaufwand durch begrenztes/wegfallendes Bargeld-Handling reduziert
  • Direkte, digitale Dokumentation des Geldflusses
  • Höhere Umsätze durch mehr Impulskäufe
  • Abfertigungsaufkommen an der Kasse mit möglichen Kundenschlangen wird entzerrt
  • Schutz vor Diebstahl und Falschgeld
  • Moderneres Image des eigenen Unternehmens

Contra

  • Kunden haben schlechtere Übersicht über ihre Ausgaben
  • Akzeptanz bei älteren Kunden wohl noch lange nicht hinreichend gegeben
  • Unsicherheiten beim Datenschutz
  • Anfälligkeit für technische Fehler und Hackerangriffe
  • Keine Funktionstüchtigkeit ohne stabiles Internet/WLAN

Zwar scheinen die Vorteile zu überwiegen. Trotzdem muss der ambitionierte Einzelhändler die Widrigkeiten des mobilen Bezahlens genau im Blick behalten, damit die Transformation gelingt. Um im Wettbewerb mithalten zu können, sollten sich Inhaber von Läden, Gastronomie und Freizeitangeboten in jedem Fall gut überlegen, zu welchem Zweck Mobile Payment bei ihnen eingesetzt werden soll. Unternehmensgröße, Sortiment und Kundenstruktur geben hierbei ebenso den Takt vor wie die vorhandene Infrastruktur