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Sind gebrauchte Software-Lizenzen eine Alternative zum Neukauf?

Seit dem 1. März 2022 greift die von Microsoft im August 2021 angekündigte Preiserhöhung für Microsoft 365. Die Preiserhöhungen gelten für Geschäftskunden von Cloud-Office-Lösungen. Zum Beispiel kostet Microsoft 365 Business Basic 6 US-Dollar pro Lizenz und Monat statt 5 US-Dollar, Office 365 E3 steigt von 20 auf 23 US-Dollar oder Microsoft 365 E3 von 32 auf 36 US-Dollar. Die neuen Preise begründet Microsoft mit kontinuierlichen Investitionen in neue Features und Funktionen. Dies umfasse die Kernbereiche Kommunikation und Zusammenarbeit, Sicherheit und Compliance sowie KI und Automatisierung. Im Jahr 2020 hätte Microsoft mehr als 300 neue Funktionen in Teams veröffentlicht. Dazu kommen zahlreiche neue Funktionen rund um das Thema IT-Sicherheit.

Unternehmen tun sich aus unterschiedlichen Gründen schwer damit, gebrauchte Software-Lizenzen zu kaufen. Einer der Gründe ist eine rechtliche Unsicherheit. Wer sich aber an die gesetzlichen Spielregeln hält, darf gebrauchte Lizenzen bedenkenlos kaufen. Der Behördenspiegel, eine monatlich erscheinende überregionale Zeitung für den Öffentlichen Dienst in Deutschland, hat erst 2021 die 2. Auflage eines Kompendiums zu den „Grundsätzen der Beschaffung gebrauchter Software-Lizenzen durch öffentliche Auftraggeber“ herausgebracht. Am Anfang zitiert der Behördenspiegel eine EuGH-Pressemitteilung: „Ein Softwarehersteller kann sich dem Weiterverkauf seiner gebrauchten Lizenzen, die die Nutzung seiner aus dem Internet heruntergeladenen Programme ermöglichen, nicht widersetzen. Das ausschließliche Recht zur Verbreitung einer derart lizenzierten Programmkopie erschöpft sich mit dem Erstverkauf.“

In Teil 1 unseres Interviews mit Michael Vilain, Director International Sales bei Capefoxx, haben wir schon über die rechtlichen Grundlagen gesprochen, gebrauchte Software-Lizenzen zu kaufen und zu verkaufen. Das Schweizer Unternehmen ist ein Anbieter für gebrauchten Lizenzen, insbesondere von Microsoft-Lizenzen. Im 2. Teil des Interviews geht es um die Zahl der verfügbaren Lizenzen, den Aftersales-Service und die Reaktion von Microsoft auf den Markt mit gebrauchten Lizenzen.

Ob man Lizenzen kaufen will, ist eine Frage. Aber Sie müssen auch Lizenzen kaufen, um sie weiterverkaufen zu können. Warum verkaufen Unternehmen denn überhaupt ihre Lizenzen?
Michael Vilain: Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Neben einem Konkurs kann es der Umstieg auf eine anderen Software-Anbieter sein. Dann lässt sich aus dem Verkauf der alten Lizenzen wenigstens ein Teil der neuen Software bezahlen. Oder es wird in der IT aufgeräumt und man sieht, dass es deutlich mehr Lizenzen als aktuelle Mitarbeiter*innen gibt. Dann bietet sich der Verkauf an, um vielleicht für einen Teil der Mitarbeiter*innen neue Software-Versionen zu kaufen.

Welche Anzahl von Lizenzen verkaufen Sie? Haben Sie genug, wenn ein Unternehmen 2.000 Lizenzen einer Software haben will?
Wie sind keine Makler, kaufen also keine Lizenzen auf Vorrat. Wir können eine große Anzahl von Lizenzen und sicher auch 2.000 Lizenzen liefern. Im Dezember 2021 wurde Windows 2022 veröffentlicht. Dann ist es klar, dass wir nicht im März schon gebrauchte Lizenzen bekommen. Es dauert 6 bis 12 Monate, bis die neusten Software-Versionen zu bekommen sind. Es kann schon mal sein, dass es schneller geht, wenn eine Firma in Konkurs geht und sich Lizenzen in der Konkursmasse zu Geld machen lässt. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass wir die meisten der von unseren Kunden geforderten Lizenzen innerhalb eines angemessenen Zeitraums beschaffen können.

Bei Volumenlizenzen kauft man normalerweise ein größeres Lizenzpaket, vielleicht von mehreren 1000 Lizenzen. Müssen Sie sie solche Pakte als Ganzes verkaufen oder können Sie die Lizenzen aufteilen?
Wir können solche Pakete aufteilen und an mehrere Kunden verkaufen. Es gibt dazu ein höchstrichterliches Urteil in Deutschland aus dem Jahr 2014. Es besagt, dass man die Lizenzen aufteilen kann, weil es sich nicht um einen Rahmenvertrag handelt. Wir kaufen also bei Volumenlizenzen das Nutzungsrecht aller einzelnen Lizenzen und nicht die Bedingungen, zu denen der damalige Vertrag geschlossen wurde.

Wie sieht es mit der Sekundärnutzung aus. Also das Recht eine Lizenz, auf mehreren Endgeräten zu nutzen: gleichzeitig auf dem PC, dem Laptop, Smartphone und einem Tablet. Geht das auch mit einer gebrauchten Lizenz?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten, da es vom konkreten Nutzungsrecht einer Lizenz abhängt. Wir empfehlen unseren Kunden, genau zu analysieren, was sie brauchen. Darauf basierend lässt sich einfach ausrechnen, ob der Kauf von gebrauchten Office 2016-Lizenzen Sinn macht, oder es doch 2021 sein muss. Vielleicht ist eine hybride Lösung sinnvoll. Für Heavy User, die unterwegs sind und Laptop und Tablet nutzen, ist möglicherweise die Office 2021 sinnvoll. Für die anderen Mitarbeiter*innen reicht eine genbrauchte Lizenz für die Installation auf nur einem Gerät. Das ist wie bei einem großen Auto. Brauchen Sie den wirklich, wenn Sie wöchentlich nur wenige Kilometer damit fahren? Nicht unbedingt. Wenn sie den aber haben wollen, weil Sie einfach Spaß damit haben, dann kaufen Sie den.

Was ist denn mit den Aftersales-Service, dem Support oder den Wartungspatches. Sind die in den gebrauchten Lizenzen auch enthalten?
Wenn ich eine gebrauchte Lizenz kaufe, bekomme ich auch den Support und die Wartung so lange, wie sie in der Lizenz vereinbart war. Laufen solche Supportverträge kurzfristig aus, birgt der Kauf der gebrauchten Lizenzen auch Risiken. Wenn es zum Beispiel keine Sicherheits-Patches mehr gibt, kann das ein Einfallstor für Hacker sein. Aber Office 2019 zum Beispiel schließt noch einen Support bis 2026 ein. Das ist ein Zeitraum, der für manche Unternehmen noch interessant sein kann. Upgrades sind allerdings nicht eingeschlossen. Ansonsten könnten Sie eine Uraltversion kaufen und sie einfach auf die neueste Version upgraden. Das geht natürlich nicht.

Einige Kunden suchen auch bewusst nach der Möglichkeit, Lizenzen herabzustufen. Was ist damit gemeint?
Es gibt Unternehmen, die aus unterschiedlichen Gründen nur eine bestimmte ältere Version einer Software nutzen. Wenn sie für neue Mitarbeiter*innen, diese Version kaufen wollen, bekommen sie nur noch 2019er Versionen, die sie dann downgraden. Oder es wird nur eine ganz bestimmte Funktionalität zum Beispiel einer Datenbang benötigt. Warum soll ich dann die teure, aktuellste Version kaufen, wenn der Service auch mit der alten Version läuft. Warum sollte ich alles betreiben, nur weil Microsoft es mir sagt?

Warum setzt Microsoft nicht einfach alles auf die Cloud? Dies würde den Verkauf von alten Lizenzen verhindern.
Es geht um viel Geld. Microsoft macht immer noch 60 Prozent des Umsatzes mit unbefristeten Lizenzen. Sie versuchen zwar, ihre Kunden in die Cloud zu bringen und das gelingt auch immer besser. Aber es gibt immer noch viele Unternehmen, die das für zu teuer halten und sich nicht auf ewig an Microsoft binden wollen. Unter anderem weil sie befürchten, dass Microsoft jederzeit die Preise erhöhen könnte. Wenn ein Unternehmen mit 10.000 Mitarbeitern 25 Prozent mehr für die Cloud-Lizenz zahlen muss, ist das sehr, sehr viel Geld. Was kann ein Unternehmen dann tun? Wenig, da jedes Unternehmen Office-Lizenzen braucht.

Gibt es denn Unternehmen, die in Bezug auf Microsoft-Lizenzen den Umstieg in die Cloud bereuen?
Wir erleben das durchaus, dass einige Unternehmen sagen: „Ich möchte aussteigen. Wie komme ich da raus? Wie komme ich zu meiner alten Lizenzierung zurück?“ Aus diesem Grund haben wir das Hybrid-Modell aufgebaut. Damit ist es möglich, Lizenzen zu kombinieren und rund 50 Prozent der Kosten einzusparen, die die Unternehmen bei der reinen Cloud-Lösung hatten. Wir haben ein Whitepaper, das das Konzept im Detail erklärt.

Warum funktioniert das Geschäft mit Microsoft-Lizenzen, aber anscheinend kaum mit anderen Software-Anbietern?
Das Gesetz des Europäischen Gerichtshofs gilt für alle Softwareanbieter, also zum Beispiel auch für SAP. Wir haben Kunden, die solche Lizenzen gern verkaufen würden. Aber niemand will sie wirklich kaufen. Deswegen ist dieses Software-Geschäft nie in Schwung gekommen, obwohl wir viele Anfragen von Verkäufern bekommen. Microsoft-Produkte sind sehr horizontale Produkte, die in vielen Branchen eingesetzt werden. Andere Softwaretypen sind spezieller und erfordern viele individuelle Änderungen, was die Weitergabe an einen anderen Kunden erschwert.

Aber den haben andere Software-Anbieter auch?
Viele Kunden haben auch Angst vor der Macht von Microsoft. So wie sie auch Angst vor Google oder Facebook oder andere marktbestimmende IT-Unternehmen haben. Sie befürchten, wenn sie gebrauchte Lizenzen kaufen, würden sie mit Microsoft Probleme bekommen. Das ist meist die erste Frage, die uns potenzielle Kunden stellen: Was wird Microsoft tun, wenn ich meine Software verkaufe. Unsere Antwort lautet: Der Europäische Gerichtshof erlaubt es, Software zu verkaufen. Dennoch sagen etwa die Hälfte der Kunden, dass sie das aus Angst vor Microsoft nicht machen wollen.

Wer kauft bei Ihnen die gebrauchten Lizenzen? Die IT?
Wie sprechen weniger die IT unserer Kunden an. Die wollen eher das Neueste haben, über Blockchain und künstliche Intelligenz reden. Wir sprechen eher mit der Beschaffung und den Finanzleuten, weil sie diejenigen sind, die auf das Geld schauen und sagen. Sie hinterfragen eher die Sinnhaftigkeit einer Ausgabe und sparen das Geld für andere wichtige Investitionen. Das Interesse hängt auch von den Branchen ab. Wo das Geld nicht ganz so locker sitzt, stoßen wir mit gebrauchten Lizenzen eher auf Interesse, zum Beispiel im verarbeitenden Gewerbe, dem Einzelhandel, dem Gesundheitswesen oder im öffentlichen Sektor. Bei den Banken, Versicherungen oder in der Pharmaindustrie spielt das Geld oftmals nicht eine so große Rolle. Hier will man oft nur das Neueste haben, weil es gut aussieht.

Weitere Infos über die Vorteile von gebrauchter Software gibt es in diesem Whitepaper

Roger Homrich

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