Cyber-physische Matrixproduktionssysteme machen Fabriken fit für die Zukunft

Krisen- und kriegsbedingte Unterbrechungen der Lieferketten, kurzfristige Stornierungen oder Veränderungen der Bestellungen, ein Trend zu immer kleineren Auftragslosen und einer zunehmenden Individualisierung der Produkte sind Alltag für produzierende Unternehmen. Das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA und das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU inwieweit cyber-physische Matrixproduktionssysteme Unternehmen helfen können, diese Herausforderungen zu bewältigen.

Ihre Expertise „Umsetzung von cyber-physischen Matrixproduktionssystemen“ kommt zum Ergebnis, das solche Matrixproduktionssysteme eine Antwort auf Marktveränderungen, wie sinkende Stückzahlen, steigende Variantenvielfalt und schlechte Prognostizierbarkeit von Kundenbedarfen sein können. Thomas Bauernhansl (Fraunhofer IPA), Mitglied des Forschungsbeirats der Plattform Industrie 4.0: „Die Matrixproduktion bietet die Chance die gegenläufigen Ziele Flexibilität und Produktivität auf ganz neue Art zu versöhnen.“

Matrixproduktionssysteme im Einsatz

Cyber-physische Matrixproduktionssysteme gelten unter Experten als Schlüssel zu einer sowohl flexiblen als auch produktiven Fertigung, die Unternehmen hilft, ihre Resilienz zu steigern und damit auch in turbulenten Zeiten zu bestehen. “Unser Ziel war es, den Stand der Technik zu untersuchen und herauszufinden, inwieweit die neuen Systeme in der Praxis schon genutzt werden und dort tatsächlich Flexibilität und Produktivität erhöhen”, erklärt Petra Foith-Förster, die Leiterin der Studie am Fraunhofer IPA.

Dass die Ingenieur*innen sich besonders für Flexibilität und Produktivität interessieren, hat einen guten Grund. Die beiden Größen gelten bisher in der Produktion als Gegenpole: Die klassische Werkstattfertigung, bei der Bauteile wie etwa Bleche, mit verschiedenen Werkzeugen schrittweise bearbeitet werden, ist wenig automatisiert. Das macht sie sehr flexibel, aber zumindest ab mittleren Stückzahlen auch ineffizient. Die hochautomatisierte Linienproduktion hingegen ist dank starrer Verkettung hochproduktiv, aber unflexibel – wenn beispielsweise ein Bauteil fehlt, steht das Band still.

Komplettlösungen für KMU fehlen

„Vor allem Großunternehmen, aber auch größere Mittelständler nutzen bereits Matrixproduktionssysteme“, berichtet Arvid Hellmich, der die Expertise am Fraunhofer IWU geleitet hat. Vorreiter bei der Einführung der neuen Systeme ist die Halbleiter-Industrie, aber auch größere Hersteller von Automobilen oder Elektrogeräten setzen modulare Strukturen ein, die digital optimiert und gesteuert werden. „Erfreut waren wir, dass die Technologien in vielen der Unternehmen, die Matrixproduktionssysteme einsetzen, bereits einen hohen Reifegrad besitzen“, betont der Forscher. Das Ergebnis der Expertise zeige, dass Matrixproduktionssysteme eine wirtschaftliche Produktion bei herausfordernden Marktanforderungen ermögliche und dass Unternehmen mit verschiedenen Produktionsprozessen aus unterschiedlichen Branchen diese bereits teilweise oder auch schon vollständig umsetzen würden.

Was bisher fehlt, sind marktreife Komplettlösungen: „Überraschend war für uns, dass zwar Einzellösungen für Matrixproduktionssysteme angeboten werden, jedoch keine Gesamtpakete inklusive Anlagentechnik und Prozessautomatisierung“, betont Foith-Förster. „Die Unternehmen, die bereits mit den neuen, modularen Systemen arbeiten, haben diese selbst entwickelt. Kleine und mittlere Unternehmen, die sich eine eigene Technologieentwicklung nicht leisten können, haben das Nachsehen. Hier muss dringend eine bessere Vernetzung zwischen den Technologieanbietern und den potenziellen Kunden stattfinden.“

Für die Expertise haben die Fraunhofer-Teams 28 Unternehmen befragt.

Roger Homrich

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