Cloud RAN verändert die Mobilfunknetze

Im Kern handelt es sich bei Cloud RAN um einen Paradigmenwechsel in der Architektur von Funkzugangsnetzen (RAN) im Mobilfunk. Er kommt durch die Entkopplung von Hardware- und Softwarekomponenten zustande. Denn während sich im herkömmlichen RAN-Netzdesign die so genannten RAN-Basisstationen an all den Funkstandorten befinden, die über das gesamte Netz verteilt sind, können nun die Funktionen der Basisstationen mittels Cloud RAN virtualisiert werden. Das heißt, sie werden in die Cloud verlagert und von dort zentral zur Verfügung gestellt.

Netzkapazitäten je nach Bedarf zuweisen

Durch die Verlagerung wichtiger Funktionen in die Cloud trägt Cloud RAN dazu bei, Mobilfunknetze effizienter zu machen. Der Betrieb wird kostengünstiger und die insgesamt steigenden Anforderungen an Konnektivität und Leistung werden erfüllt.

Werden die RAN-Funktionen zentral in der Cloud verwaltet, können Netzbetreiber die Netzkapazitäten je nach Bedarf zuweisen, was das Netz insgesamt effizienter macht und die Skalierbarkeit verbessert. Weil weniger physische Geräte vor Ort bei den Basisstationen benötigt werden, kann Cloud RAN auch die Kosten für Hardware, den Energieverbrauch und den Wartungsaufwand reduzieren.

Cloud RAN verringert Latenzen

Cloud RAN erleichtert damit auch die Einführung neuer Technologien und Standards. Durch die zentralisierte Verarbeitung von Signalen und Daten kann Cloud RAN die Latenz verringern und die Netzleistung insgesamt verbessern. Das heißt, neue datenhungrige Funktionen und Dienste, zum Beispiel Virtual Reality, vernetzte Autos oder Smart-City-Anwendungen wie intelligentes Verkehrsmanagement lassen sich dank Cloud RAN einfacher und flexibler über die neuen 5G-Mobilfunknetze bereitstellen, da Software-Updates zentral durchgeführt werden können.

Ebenfalls wichtig ist, dass Cloud RAN, manchmal auch als Virtualized Radio Access Network (vRAN) bezeichnet, darüber hinaus neue Edge-Computing-Funktionen ermöglicht und so neue Anwendungen bei privaten Mobilfunknetzen oder Campusnetzen unterstützt, zum Beispiel Predictive Maintenance oder IIoT.

Was Cloud RAN mit 5G zu tun hat

Mit der Entkopplung von Hardware- und Softwarekomponenten nutzt Cloud RAN den Cloud-Native-Ansatz zur Entwicklung von Netzfunktionen. Diese Entwicklung maximiert nicht nur die Vorteile des Cloud Computing, sondern erleichtert auch die Nutzung gemeinsam genutzter Edge-Infrastruktur für Cloud-Implementierungen. Dieser architektonische Wandel ist wichtig, um das volle Potenzial von 5G zu erschließen, weil erst dadurch neue, zum Beispiel auf einzelne Unternehmen zugeschnittene Dienste ermöglicht werden.

Die Beschleunigung der Hardware ist ein entscheidender Faktor, um die Leistung von Cloud RAN (C-RAN)-Systemen zu verbessern. Eine In-Line-Architektur gewährleistet die Leistungsparität zwischen herkömmlichen RAN- und Cloud-RAN-Umgebungen. Nokia beispielsweise verwendet dafür einen speziellen Hochleistungsbeschleuniger (Nokia Cloud RAN SmartNIC). Diese Architektur ist nicht nur energieeffizient, sondern bietet auch ein optimales Kapazitäts-/Leistungsverhältnis, was insbesondere für Aufgaben wie die Signalverarbeitung von großer Bedeutung ist.

Cloud RAN in der Unternehmens-IT

Cloud RAN bietet Telekommunikationsanbietern und Netzbetreibern die Chance, neue Dienstleistungen und Märkte zu erschließen sowie neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. So etwa Network-as-a-Service (NaaS), bei dem Betreiber ein flexibles Verbrauchsmodell bereitstellen, das sowohl Infrastruktur als auch Dienstleistungen umfasst und maßgeschneiderte Lösungen für Unternehmensanwendungen ermöglicht. Durch diese neuen Angebote können Telekommunikationsanbieter zusätzliche Umsatzquellen erschließen. Besonders bemerkenswert sind die Potenziale, die sich durch die flexible Nutzung von Fixed Wireless Access (FWA) ergeben. Diese Flexibilität erlaubt es, Kapazitäten genau dort und dann zu nutzen, wo und wann sie gebraucht werden, etwa für Geschäftskunden.

Für Unternehmen eröffnet die Nutzung von 5G Cloud RAN in lokalen Cloud-Umgebungen am Netzwerkrand (Edge) die Möglichkeit, Unternehmensanwendungen zu hosten, den Netzbetrieb zu optimieren und neue Synergien zu erzielen. So ermöglicht die Kombination von Cloud RAN and Edge Computing z. B. Echtzeit-HD-Video Streaming-Anwendungen zur Überwachung von Prozessen oder mobile Anwendungen, die sensible Unternehmensdaten verwenden.

Open RAN fördert Interoperabilität

Bisherige Testaufbauten von Ausrüstern wie Nokia unterstreichen die Leistungsfähigkeit von Cloud RAN als Voraussetzung für die künftige kommerzielle Nutzung. Netzbetreiber wie A1 Bulgarien, Elisa, Etisalat, Vodafone Italien und stc haben Cloud RAN bereits getestet und damit den Weg geebnet.

Ein wichtiges Stichwort für Cloud RAN ist Open RAN (Open Radio Access Network). Open RAN steht nicht im Gegensatz zu Cloud RAN, sondern betont einen wichtigen Aspekt bei der Entwicklung und den Betrieb moderner Mobilfunknetze: Das geht es um das Thema der Offenheit der Netze – das heißt Mobilfunknetze, die auf offenen Standards und Schnittstellen basieren. Open RAN zielt im Gegensatz zu den „alten“ Netzen darauf ab, die Interoperabilität und den Wettbewerb zu fördern, indem es die verschiedenen Komponenten des RANs – wie Basisstationen, Controller und Software – durch offene Schnittstellen standardisiert.

Grundlage für 6G

Open RAN verwendet offene Standards und Schnittstellen, die von verschiedenen Standardisierungsorganisationen wie dem O-RAN Alliance definiert werden. Diese Standards ermöglichen es verschiedenen Anbietern, interoperable Hardware- und Softwarekomponenten bereitzustellen, was die Innovationsgeschwindigkeit and Anpassungsfähigkeit bei diesen Komponenten weiter erhöhen soll. So können Unternehmen neue Funktionen und Technologien einfacher einführen und anpassen, um auf veränderte Anforderungen und neue Anwendungsfälle zu reagieren.

Nokia beispielsweise nennt diesen Ansatz „AnyRAN“, wobei besonderer Wert auf die nahtlose Ergänzung bestehender Netzinfrastrukturen und auf Interoperabilität gelegt wird. Unterschiedliche Funkzugangstechnologien wie 2G, 3G, 4G (LTE) und 5G sollen hier problemlos miteinander verbunden werden können. Dahinter steht die Idee, dass verschiedene RAN-Technologien koexistieren können, um insgesamt eine bessere Abdeckung, Kapazität und Leistung zu gewährleisten. Die Netze von Telekommunikationsanbietern werden dadurch effizienter, bestehende Infrastrukturen werden effektiver genutzt, und der steigende Bedarf an Konnektivität kann besser gedeckt werden. Durch die einfache Integration verschiedener RAN-Technologien können Telekommunikationsanbieter so die Grundlagen für künftige Entwicklungen wie 6G schaffen.

Ester Navarro

Lesen Sie auch : Gamescom: Latenz im Spiel

ist Head of Product Marketing für Mobile Networks bei Nokia.

Roger Homrich

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