Nachwuchs ausbilden in eigener IT-Academy

Wir heben IT-Weiterbildung auf ein neues Level und bauen interne Technologie-Expertise systematisch auf, sagt Stefan Kiefner von Boehringer Ingelheim.
Welche Rolle spielt die IT für ein Pharmaunternehmen wir Boehringer Ingelheim
Stefan Kiefner: Als Pharmaunternehmen bewegen wir uns in einem Umfeld mit sehr schnellen, disruptiven Entwicklungen, die inzwischen auch unsere IT betreffen. Denn die Digitalisierung verändert das Gesundheitswesen. Sie bietet Boehringer Ingelheim vielfältige Chancen, sowohl Innovationsprozesse als auch die Wertschöpfungskette als Ganzes zu verbessern – oder von Grund auf zu verändern. Wir haben uns dazu entschlossen, diesen Wandel aktiv mitzugestalten und haben frühzeitig begonnen, ein umfassendes Digitalisierungsprogramm voranzutreiben.
Wahrscheinlich geht es in einem forschungsintensiven Pharmaunternehmen sehr um Daten?
Stefan Kiefner: Data Science und Künstliche Intelligenz sind wichtige Bestandteile unserer medizinischen Forschung, um bessere Entscheidungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu treffen, von der frühen Wirkstoffentdeckung und klinischen Studien bis hin zu Produktion und Vertrieb. Für unsere IT bedeutet das, dass sie nicht mehr nur Tools oder Systeme bereitstellt, sondern auch digitale Produkte und Services mitentwickelt, kommerzialisiert und betreibt. Sie ist nicht nur Enabler für unsere Business-Funktionen, sondern auch Innovationstreiber und führender Partner der digitalen Transformation.
Wenn die IT ein so große Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit hat, brauchen Sie wahrscheinlich top qualifizierte IT-Fachkräfte.
Stefan Kiefner: Wir müssen ständig hinterfragen, ob und wie wir in verschiedenen Bereichen mit den großen Innovationssprüngen Schritt halten. Gleichzeitig müssen wir unsere Mitarbeitenden weiterentwickeln und weitere hochqualifizierte Talente gewinnen, das gilt besonders für die IT. Denn bloße Technik oder eine reine Digitalisierungsstrategie ist nicht genug – es braucht auch Teams, die sie ein- bzw. umsetzen. Dafür überprüfen wir ständig, auf welche digitalen und technologischen Kompetenzen wir bereits zurückgreifen können und welche wir noch benötigen. Die geforderten Kompetenzen im IT-Bereich betreffen heutzutage insbesondere Künstliche Intelligenz, IoT-Daten, personalisierte UX-Ansätze und alles, was mit Daten zu tun hat – vom sicheren Umgang mit sensiblen Daten bis hin zur bedarfsgerechten Nutzung, um daraus möglichst viele Erkenntnisse für die Forschung und Entwicklung abzuleiten.
Wie entwickeln Sie die Kompetenzen ihrer IT-Mitarbeitenden weiter?
Stefan Kiefner: Mit unserer IT Academy gelingt es uns, IT-Weiterbildung auf ein neues Level zu heben und systematisch interne Technologie-Expertise aufzubauen. Dieses Angebot speziell für unsere IT-Expert:innen gibt es inzwischen seit zwei Jahren und wir bauen es immer weiter aus. Die IT Academy ist Teil der Boehringer Ingelheim University, einer virtuellen Plattform für unsere Mitarbeitenden weltweit. Mit ihr bieten wir unseren Mitarbeitenden ein strukturiertes, zukunftsweisendes Lernsystem für eine gezielte und individuelle Weiterentwicklung. Die Lerninhalte umfassen Technologien und Skills, die wir im Rahmen unserer Strategie brauchen – etwa aus den Bereichen Robotic Process Automation (RPA), Data Science, KI, agile Arbeitsweisen, Blockchain oder IoT.
Nach welchen Kriterien werden die Lerninhalte der IT Academy ausgewählt und aufbereitet?
Stefan Kiefner: Inzwischen gestalten und entwickeln 60 bis 70 IT-Mitarbeitende die Inhalte der IT Academy – aus eigenem Antrieb und zusätzlich zu den eigentlichen Aufgaben. Die IT Academy basiert auf einem System von zehn Jobfamilien, sprich Anforderungsprofile für spezifische Bereiche. Diese decken fast alle IT-Berufe im Unternehmen ab, von Business Consultants über Architekten bis hin zu IT System Engineers. Für jede Jobfamilie ist ein „Job Family Owner“ verantwortlich. Diese IT-Kolleg:innen legen fest, welche spezifischen Skills und Lerninhalte für ihre Jobfamilie relevant sind. Hinter jedem Skill steht ein „Skill Subject Matter Expert“, ebenfalls aus der IT. Gemeinsam erstellen sie die entsprechenden Lernpfade und Trainingsinhalte. Diese werden auf der zugehörigen Jobfamilien-Seite in der IT Academy veröffentlicht, wo Mitarbeitende jederzeit Zugriff haben.
Inwiefern passt sich die IT Academy an unterschiedliche Lernkonzepte und sich wandelnde Anforderungen an?
Stefan Kiefner: Grundsätzlich können die IT-Mitarbeitenden ihren individuellen Lernweg, der auf die spezifischen Bedürfnisse eines Aufgabenbereichs zugeschnitten ist, nach ihrem eigenen Zeitplan bearbeiten. Zudem ist durch die Lernpfade auf Anhieb ersichtlich, was zu tun ist, um sich weiterzuentwickeln. Die IT Academy ist dabei ein dynamisches System, das sich kontinuierlich weiterentwickelt und an neue Technologien, Erkenntnisse und Anforderungen anpasst. Beispielsweise setzen sich Projektteams bei Boehringer Ingelheim je nach Ziel abteilungsübergreifend immer wieder neu zusammen, was dazu führt, dass sich Aufgaben verändern und neue Skills gefragt sind. Die Mitarbeitenden können die passenden Weiterbildungsinhalte einfach aus der IT Academy beziehen – bei Bedarf auch aus einer anderen Jobfamilie, es gibt keine Beschränkungen.
Welche Mechanismen sorgen dafür, dass die in der IT Academy erlernte Theorie später auch selbstbewusst in der Praxis angewendet wird?
Stefan Kiefner: Der größte Teil der individuellen Entwicklung findet außerhalb der Akademie statt. Dafür bilden wir sogenannte „Communities of Practice“, in denen sich Kolleg:innen gegenseitig unterstützen. Sie bestehen aus Expert:innen wie Führungskräften oder erfahrenen Kolleg:innen, die die Führung übernehmen, und Nachwuchskräften, die lernen, wie sie die neuen Skills im täglichen Betrieb einsetzen können. Für alle Communities evaluieren wir regelmäßig, welches Wissen bereits vorhanden ist und welches noch aufgebaut werden muss, und steuern hier gegebenenfalls über neue Lerninhalte in der IT Academy nach.
Welche Vorteile bietet die IT Academy für die Mitarbeitenden und das Unternehmen
Stefan Kiefner: Die IT Academy ermöglicht es, das Know-how der IT in alle Bereiche des Unternehmens einfließen zu lassen. Darüber hinaus macht die Plattform die benötigten Skills der verschiedenen Jobfamilien transparent und damit vergleichbar. Dies erleichtert die Karriereplanung und den Wechsel zwischen den Bereichen, was die Mitarbeiterbindung stärkt. Die IT Academy fördert zudem die interne Kommunikation und den Wissensaustausch zwischen unseren IT-Mitarbeitenden.
Spielt die IT Academy auch eine Rolle dabei, neue Mitarbeitende zu gewinnen?
Stefan Kiefner: Die Skills der jeweiligen Jobfamilien aus der IT Academy nutzen wir in unseren Stellenausschreibungen zur Kategorisierung, um neue Talente für Boehringer zu gewinnen. Als weltweit tätige IT-Organisation ist es entscheidend für uns, dass wir die richtigen Mitarbeitenden zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ins Unternehmen holen. Neue Talente können dann evaluieren, welche Skills sie bereits mitbringen und wo sie Weiterbildungsbedarf haben. Gemeinsam mit der Führungskraft können sie daraufhin einen Entwicklungsplan aufstellen und sich unter anderem über die IT Academy im Job weiterbilden.
Wie trägt die IT Academy zur Innovationskraft von Boehringer Ingelheim bei?
Stefan Kiefner: In einem datengetriebenen Umfeld wie der Pharmaindustrie nimmt die IT eine Schlüsselposition als Innovationstreiber ein. Indem die IT Academy unseren IT-Mitarbeitenden die Möglichkeit bietet, sich mit neuen Technologien und Trends auseinanderzusetzen, und weil sie das erworbene Wissen in die unterschiedlichsten Bereiche des Unternehmens tragen, können neue Ideen und Lösungsansätze entstehen.
Die IT Academy ist deshalb mehr als nur ein Weiterbildungssystem. Sie ist ein strategisches Instrument, das die Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit von Boehringer Ingelheim dauerhaft stärkt. So gelingt es uns, unsere Mitarbeitenden und das gesamte Unternehmen in einer dynamischen und anspruchsvollen Branche weiterzuentwickeln und zukunftssicher aufzustellen.
Stefan Kiefner
ist IT Strategy & Transformation & Head of IT Academy bei Boehringer Ingelheim.