KI kann Klinikärzte und Verwaltung entlasten

Der Zugriff auf medizinisches Wissen sowie die Unterstützung bei Entscheidungen durch KI kann Behandlungsfehler reduzieren, sagt Florian Schwiecker von Corti im Interview.

Welche Risiken und besonderen Herausforderungen gibt es beim Einsatz von KI im Gesundheitswesen?

Florian Schwiecker: Ziel des Einsatzes von KI im Gesundheitswesen ist es vor allem, medizinische Fachkräfte von administrativen Aufgaben zu entlasten. Hierbei sind in der Healthcare-Branche, die durch strenge Regulierung gekennzeichnet ist, besondere Anforderungen zu berücksichtigen. Viele Anbieter verwenden jedoch ChatGPT oder darauf basierende Lösungen. Wenn die Lösung nicht speziell für die anspruchsvolle Gesundheitsversorgung entwickelt wurde, besteht ein höheres Risiko von Ungenauigkeiten, die nicht toleriert werden sollten.

Es lässt sich aber mit Zertifikaten nachweise, dass die rechtlichen Vorgaben erfüllt werden.

Florian Schwiecker: Die Zertifizierungen sind mit beträchtlichen Herausforderungen verbunden. So sind signifikante Investitionen in die Sicherheitsinfrastruktur, regelmäßige Compliance-Prüfungen sowie kontinuierliche Anpassungen an internationale Datenschutzrichtlinien erforderlich. Neben der DSGVO-Konformität sind in Deutschland insbesondere die C5-Zertifizierung und der ISAE-3000-Audit für DSGVO-bezogene Daten von entscheidender Bedeutung.

Wie kann KI den Verwaltungsaufwand im Gesundheitswesen reduzieren?

Florian Schwiecker: Die zunehmende Überlastung macht es zwingend erforderlich, mehr Personal im Gesundheitswesen einzustellen – oder aber die vorhandenen Arbeitskräfte zu entlasten. An dieser Stelle kann KI eine entscheidende Rolle einnehmen, indem sie menschliche Arbeitskraft nicht ersetzt, sondern diese gezielt ergänzt. KI kann dazu beitragen, Routineaufgaben zu automatisieren, wodurch die Beschäftigten mehr Zeit für die direkte Interaktion mit den Patienten gewinnen. 

Gibt es auch aus medizinischer Sicht Einsatzfelder für KI?

Florian Schwiecker: Der Zugriff auf umfangreiches medizinisches Wissen sowie die Unterstützung bei Entscheidungen ermöglichen es KI-Tools, Behandlungsfehler zu reduzieren und die Gesundheitsversorgung intelligenter und effizienter zu gestalten. Die Erweiterung der Ressourcen durch KI bietet Ärzten unbegrenzte Möglichkeiten, Zweitmeinungen einzuholen. Eine auf Basis von Patienteninteraktionen trainierte KI kann die besten Empfehlungen für jeden Patienten automatisch und in Echtzeit bereitstellen. Von der ersten Interaktion gehen präzisere medizinische Informationen in die Diagnose ein. Durch die Reduzierung der Fehlerquote im gesamten Arbeitsablauf ist es weniger wahrscheinlich, dass Patienten zu Folgeterminen kommen müssen. Dies mindert den Druck durch steigende Patientenanforderungen.

Die Notfallambulanz des Eichsfeld-Klinikums in Thüringen war eine der ersten, die ihre KI-Plattform implementiert hat. Wie sind die Erfahrungen?

Florian Schwiecker: Anfang 2024 hat das Eichsfeld Klinikum mit der Nutzung der KI-Plattform von Corti begonnen, die sich in der Folgezeit als unverzichtbar herausstellte. Die Echtzeitverarbeitung hat sich in der praktischen Anwendung sehr gut bewährt. Während der Arzt mit dem Patienten spricht, Daten erfasst und weitere therapeutische Maßnahmen organisiert, erfolgt durch den Co-Piloten eine Zuordnung der Informationen zu den richtigen Bereichen, beispielsweise Diagnostik und Labor. Die Automatisierung führt zu einer sofortigen Erstellung professioneller Berichte, wodurch den medizinischen Fachkräften ein erheblicher Zeitgewinn bei der Verwaltung ermöglicht wird. Das Klinikum strebt eine flächendeckende Integration von Corti in sämtlichen Abteilungen an, von der Operationsabteilung bis zur Pflege, damit die Teams und damit der gesamte Klinikbetrieb von den daraus resultierenden erheblichen Fortschritten profitieren können.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit KI-Systeme implementiert werden können?

Florian Schwiecker: Diese Komplexität im Gesundheitsbereich bedeutet, dass es keine pauschale Lösung für die Implementierung von KI gibt. Für kleinere Betriebe mit weniger vorhandenen Schnittstellen gibt es auch „Standard-Apps“. Durch die Bereitstellung von API- und App-Optionen wird der Zugang zu KI für jeden Anbieter wesentlich einfacher zu implementieren. Hochgradig anpassbare APIs helfen bei der nahtlosen Integration in bestehende Gesundheitsplattformen, wie beispielsweise EHRs.

Von grundlegender Bedeutung ist der allgemeine Grad der Digitalisierung, welcher beispielsweise die Einführung der elektronischen Patientenakte sowie die Einhaltung von Interoperabilitätsstandards wie FHIR umfasst. Ohne diese Basis ist es nur schwer möglich, das Potenzial von KI-Systemen voll auszuschöpfen. Für Einrichtungen mit noch nicht so gut ausgebauter digitaler Infrastruktur oder niedrigeren Anforderungen sind aber auch einfache, sofort einsatzbereite Lösungen verfügbar.

 

Florian Schwiecker

ist Chief Partnerships Officer at Corti.