Rechnet sich Hardware-Produktion in Deutschland?

„Wer es richtig macht, kann auch mit den hiesigen Rahmenbedingungen erfolgreich sein“, sagt Christian Herzog, Geschäftsführer EXTRA Computer, im Interview.

EXTRA Computer fertigt Hardware in Deutschland. Es heißt doch immer, das wäre hier nicht rentabel machbar?

Christian Herzog: Das PC-Geschäft war 2024 recht ordentlich, und wir erwarten durch Windows 11 zusätzlichen Schub. Aber wir haben bei den Industrie-Rechnern schon bessere Jahre erlebt als 2024. Die wirtschaftliche Situation der deutschen Industrie war und ist weiterhin schwierig. Es hat allerdings auch niemand den Standort Deutschland geschlossen. In Zeiten der belasteten Lieferketten war das zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten. Da war es so, dass ein Produkt gar nicht mehr besonders gut sein musste – Verfügbarkeit reichte. Aber diese Situation ist vorbei.Und ich hoffe sehr, dass wir als deutsche Industrie uns wieder auf unsere Stärken besinnen, optimistisch nach vorne schauen und wieder anfangen, in Innovationen und unsere Zukunft zu investieren.

Wie sehen Ihr Plan und Ihre Erwartungen für 2025 aus?

Christian Herzog: Im PC-Umfeld erwarten wir weiterhin gute Zuwächse. Der End of Service von Windows 10 wird sicher ein Treiber sein. Es gibt nach wie vor viele Systeme in den Beständen, die nicht den Anforderungen des Nachfolgers Windows 11 entsprechen. Und bereits jetzt hat die KI an vielen Stellen Einzug in die Unternehmen gehalten. Da ist es eine Überlegung wert, gleich KI-PCs mit NPUs zu beschaffen, also Neural Processing Units, zu beschaffen. Sie werden Vorteile bei Latenz, Datenschutz, Unabhängigkeit sowie potenziell bei Kosten und Skalierbarkeit bieten. Es kann daher durchaus der Fall sein, dass 2025 wieder eine Knappheit im Markt entsteht, falls ein extrem großer Run auf solche KI-Systeme einsetzt. Darauf bereiten wir unser Angebot natürlich vor, mit der gebotenen Umsicht. Überhaupt möchten wir unsere lokale PC-Produktion noch weiter vorantreiben und die Wertschöpfung hierzulande zusätzlich ausbauen.

Sie haben ja bereits eine große Wertschöpfung in Deutschland. Kündigen Sie einen Rechner komplett „Made in Germany“ an?

Christian Herzog: Wir haben bereits eine hohe Wertschöpfungstiefe in Deutschland und Europa. Das gilt übrigens auch für Thomas-Krenn, seit gut zwei Jahren unsere Muttergesellschaft. Andererseits sind Individualität und Flexibilität gerade jetzt wichtiger denn je. Als kleines oder mittleres Unternehmen haben Sie es zum Beispiel bei Dell oder Lenovo naturgemäß schwerer, wenn Sie individuelle Anpassungen benötigen. Je kürzer die Wege, desto einfacher bekommen Sie solche Individualität und Flexibilität hin. Insofern: ein Rechner komplett „Made in Germany“, warum nicht? Wir haben hohe Kosten für Löhne, Energie und Bürokratie. Einen gewissen Aufpreis würden sicherlich einige Unternehmen bezahlen, angesichts der genannten Vorteile. Ob jeder RAM-Riegel und jede SSD zwangsläufig aus Deutschland stammen müssen, sei dahingestellt. Davon abgesehen böte ein solches System auch viele Vorteile: kurze Lieferwege, belastbare Lieferketten, Vorteile beim Thema IT-Sicherheit und reaktionsschnelle sowie kompetente Ansprechpartner vor Ort.

Auch jenseits von RAM: Sie könnten doch nicht alle Komponenten selbst herstellen?

Christian Herzog: Wir stellen auch jetzt nicht alles selbst her, und dennoch stammt eben vieles bereits aus lokaler Fertigung. Etliche unserer Zulieferer stammen mehr oder weniger aus unserer Nachbarschaft. Wir unterhalten zum Beispiel gute Beziehungen zu Kontron, sowie zu weiteren Unternehmen nahe unseres Standortes. Das sind dann eben nicht immer Großunternehmen, dennoch oder gerade deswegen echte Spezialisten in ihrem Fach. Es ist keine offizielle Ankündigung, aber: Wir könnten bei einem solchen „Made-in-Germany-Rechner“ durchaus aus dem Vollen schöpfen. Es ist überzogen und verkürzt, dass „alles“ aus China kommt. Ohne das Land oder die Thematik samt der Kostenvorteile kleinreden zu wollen. Wobei: Gerade kürzere Lieferketten können einen Teil der Mehrkosten durch die lokale Produktion kompensieren. Und sie sind natürlich auch ökologisch nachhaltiger.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für Sie und für Ihre Kunden?

Christian Herzog: Wir setzen auf Energieeffizienz in der Produktion und möglichst nachhaltige Materialien. Hinzu kommt eben eine insgesamt optimierte Logistik; das hilft natürlich auch bei den Kosten. Und wir achten von Anfang an darauf, dass sich unsere Produkte energieeffizient sind und sich gut reparieren und aufrüsten lassen. Das schätzen unsere Kunden, auch aus praktischen Gründen: Viele größere Unternehmen fordern ja inzwischen entsprechende Nachweise als Basis für eine Aufnahme als Lieferant. Mit der Corporate Social Responsibility Directive wird das Thema 2025 nochmals mehr Schub erhalten. Das ist vielen noch gar nicht bewusst. Seit 1. Januar gilt eine Berichtspflicht für Unternehmen, die im Jahresschnitt mehr als 250 Mitarbeiter beschäftigen und deren Umsatz über 40 Millionen Euro liegt. Nachhaltigkeit wird dann nicht nur ein Wettbewerbsvorteil sein, sondern vielfach Pflicht. Insofern wird die Rolle größer, aber es werden alle bieten müssen. Zur Differenzierung taugt es künftig demnach weniger, aber das ist ja im Sinne der Sache.

 

Christian Herzog

ist Geschäftsführer der EXTRA Computer GmbH.