Zukunft des digitalen Zwillings: Process Mining und KI

Der digitale Zwilling einer Organisation bildet reale Geschäftsprozesse virtuell ab und schafft die Grundlage für datenbasierte Entscheidungen.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Erstellung eines digitalen Zwillingsmodells der Prozesse ist eine präzise Datenbasis. Um die Qualität dieser Datengrundlage zu transparent für Verbesserungen zu machen, können Unternehmen Process Mining einsetzen, um alle Prozesse innerhalb einer Organisation offenzulegen und Ineffizienzen aufzudecken. Diese Daten können dann wiederum von anderen Systemen, wie künstlicher Intelligenz genutzt werden, die ebenfalls qualitativ hochwertige Daten benötigt. Zusätzlich bieten die mittels Process Mining erzeugten Prozessdatenmodelle eine ideale Basis für die Verwendung durch generative KI und deren Sprachmodelle da so der relevante Kontext vermittelt wird.

Bedeutung von Process Mining für den digitalen Zwilling

Process Mining zeigt, wie Daten und Informationen von A nach B fließen, um einen bestimmten Output zu erzeugen – sei es ein Produkt, einen Service oder eine andere Unternehmensleistung. Die in den Quellsystemen vorhandenen Daten zu diesen Prozessen sind zwar vollständig, aber in Systemen wie SAP auf viele verschiedene Tabellen verteilt und oft unstrukturiert über verschiedene Bereiche verstreut.

Process Mining extrahiert Event-Logs aus IT-Systemen und analysiert und verknüpft die relevanten Daten, um detaillierte Einblicke in bestehende Prozesse zu gewinnen. Diese Erkenntnisse werden genutzt, um digitale Zwillinge zu erstellen, die reale Prozesse dynamisch widerspiegeln.

Von der Analyse zur Echtzeiterkennung

Ursprünglich diente Process Mining dazu, vergangene Abläufe zu analysieren, Auffälligkeiten zu identifizieren und daraus Verbesserungen für die Zukunft abzuleiten. Heute steht jedoch zunehmend die Fähigkeit im Fokus, Probleme frühzeitig zu erkennen und in Echtzeit darauf zu reagieren.

Und genau hier kommt die KI ins Spiel. Denn in Kombination mit KI-gestützten Analysen und Prognosen kann Process Mining also noch einen Schritt weiter gehen und ermöglicht Unternehmen nicht nur die Erfassung und Aufbereitung von Daten, sondern auch deren intelligente Auswertung. Dadurch können automatisierte Maßnahmen abgeleitet und wiederkehrende, manuelle sowie zeitaufwändige Aufgaben identifiziert, automatisiert und effizient orchestriert werden.

So kann beispielsweise ein mehrtägiger Prozess bereits in einer frühen Phase Auffälligkeiten aufweisen. Durch Echtzeit-Alerts lassen sich potenzielle Probleme rechtzeitig erkennen und gezielt gegensteuern, bevor sie tatsächlich auftreten.

Diese Fähigkeit zur Echtzeitanalyse bietet enorme Vorteile – insbesondere im Bereich der Automatisierung. Der größte Mehrwert liegt darin, dass menschliche Arbeitskräfte sich auf komplexe oder außergewöhnliche Fälle konzentrieren können – genau die Situationen, in denen eine vollautomatische Lösung nicht ausreicht. So wird menschliche Intelligenz gezielt dort eingesetzt, wo sie den größten Nutzen bringt.

Wie Process Mining den Cashflow optimierte

Nicht jedes Problem braucht eine komplizierte Lösung – oft reicht es, die richtigen Stellschrauben zu drehen. Folgendes Beispiel zeigt, wie eine Analyse zu einer gezielten Anpassung geführt und sich positiv auf den Return on Investment (ROI) ausgewirkt hat:

Ein Unternehmen hatte Schwierigkeiten, Zahlungen von seinen Kunden rechtzeitig zu erhalten. Obwohl Waren oder Dienstleistungen bereits geliefert wurden, verzögerte sich der Zahlungseingang erheblich. Durch Process Mining wurde festgestellt, dass das Problem nicht bei den Kunden, sondern in der eigenen Buchhaltung lag: Die Rechnungserstellung und der Versand dauerten durch viele manuelle Freigaben ungewöhnlich lange. Kunden konnten also gar nicht fristgerecht zahlen, weil sie die Rechnungen erst spät erhielten.

Durch gezielte Optimierung und Automatisierung konnte das Unternehmen den Rechnungsprozess erheblich beschleunigen. Konkret wurden Alerts eingerichtet, die darauf hinwiesen, wenn eine Rechnung über eine bestimmte Summe länger als X Tage nicht versendet wurde. Das Ergebnis: Der Rechnungsversand wurde um rund 20 Tage verkürzt, der Cashflow verbesserte sich deutlich und das gebundene Kapital wurde effizienter genutzt, was sich positiv auf den ROI auswirkte.

Low Hanging Fruits

Diese “Low Hanging Fruits” – also leicht umsetzbare Optimierungen mit hohem Nutzen – werden gezielt priorisiert. Process Mining zeigt, wo Verzögerungen entstehen und welchen Einfluss eine Optimierung haben könnte.

Gerade in Unternehmen, die materielle Güter produzieren oder handeln, wird deshalb oft zuerst in den Bereichen Einkauf, Vertrieb und Produktion angesetzt. Klassische Kennzahlen sind Duplicate Payments, Maverick Buying und Days Sales Outstanding. Wichtig ist hierbei, dass diese Kennzahlen keinesfalls neu für Unternehmen sind. Jedoch erlaubt die prozessorientierte Berechnung die Identifizierung großer Einsparpotentiale welche sonst unentdeckt bleiben. Diese klassischen, aber neu berechneten Indikatoren werden zuerst überprüft, um herauszufinden, ob sich dort schnelle Erfolge erzielen lassen.

Die ersten Ergebnisse sind in der Regel nach etwa 5 Tagen sichtbar. Viele Projekte sind deutlich unkomplizierter, als sie anfangs wirken, und eine Produktivsetzung dauert im Durchschnitt rund 15 Tage.

Zukunft von Process Mining: Integration von KI

Während Business Intelligence und Process Mining in der Vergangenheit oft als getrennte Disziplinen betrachtet wurden, zeigt sich immer mehr, dass ihre Kombination einen erheblichen Mehrwert bietet. Genau hier setzt Process Intelligence an: Sie verbindet die detaillierten Prozessinformationen aus Process Mining mit den strategischen Erkenntnissen aus Business Intelligence.

Ähnliches wird in Zukunft auch mit Process Mining und Künstlicher Intelligenz passieren: Sie existieren nicht mehr nebeneinander, sondern arbeiten nahtlos zusammen. Unternehmen setzen zunehmend auf Künstliche Intelligenz, um ihre Prozesse zu transformieren. ProcessIntelligence liefert der KI die richtigen Informationen und den richtigen Kontext, um Geschäftsprozesse besser zu verstehen und präzisere Antworten zu geben. So können Unternehmen fundierte Entscheidungen treffen und zielgerichtet handeln. ProcessIntelligence ist sozusagen der regelmäßige “Frühjahrsputz”, den ein Unternehmen durchführen muss, damit sich seine KI-Investitionen wirklich auszahlen.

Der digitale Zwilling einer Organisation liefert dann nicht nur eine präzise Momentaufnahme des Unternehmens, sondern ein dynamisches Steuerungselement, das in Echtzeit auf Veränderungen reagiert und Unternehmen flexibel an neue Marktbedingungen anpasst.

Unternehmen werden sich zunehmend fragen, warum sie noch separate Lösungen für Business Intelligence und Process Mining benötigen – denn letztlich brauchen sie eine ganzheitliche Sicht auf ihre Prozesse. Die Zukunft gehört nicht einzelnen Technologien, sondern ihrer intelligenten Kombination.

Constantin Wehmschulte

ist Geschäftsführer von Mehrwerk.

 

 

 

 

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