Oracle darf Peoplesoft kaufen – was lernen wir daraus?

Der Versuch des US-Justizministeriums, die feindliche Übernahme von PeopleSoft seitens Oracle zu blocken, ist – für viele überraschend – gescheitet. Luis Praxmarer analysiert, warum es so kam und wie es weiter gehen könnte.

Warum hat das DOJ (Department of Justice) verloren?

Das DOJ hatte schlechte Argumente. Die Marktdefinition (Midrange gegenüber High-End, die Funktionalität), die Untersuchung der geographischen Abdeckung, des Kundenkaufverhaltens und der Wettbewerber inklusive Outsourcer, wurden vom DOJ schlecht aufgesetzt. Oracle hatte noch keine dominante Rolle im Markt aufgebaut. Die Zeugenaussagen waren in den Augen von Richter Walker fehlerhaft und eben nicht überzeugend. Außerdem musste Oracle nicht beweisen, dass die Übernahme gegen den freien Wettbewerb verstößt, sondern musste “nur” die Ansichten des DOJ widerlegen.

Und was macht PeopleSoft – schasst seinen CEO Craig Conway

Nach der Bekanntgabe ist die PeopleSoft Aktie gleich um 15 Prozent auf 22, 23 Dollar gestiegen und liegt damit sogar über dem Oracle Angebot von 21 Dollar. Die Anleger hoffen scheinbar, dass damit der Widerstand gegen die Übernahme aufgegeben wird. Conways Nachfolger und Firmengründer Dave Duffield bestritt allerdings, dass es einen Zusammenhang zwischen der Entlassung und der Übernahmenschlacht gäbe. Der Grund sei einzig und alleine der Verlust des Vertrauens des Aufsichtsrates in die Fähigkeiten von Conway. Nach den letzten Signalen vom DOJ nicht in Berufung zu gehen und der EU-Kommission sie würde einer Übernahme zustimmen, wird sicherlich auch diese Nachricht vom Oracle-Chef Larry Ellison mit Freude aufgenommen werden.

Was steht jetzt Oracle noch im Weg zur endgültigen Übernahme?

Das DOJ kann natürlich noch in die Berufung gehen. Auch die EU muss sich noch entscheiden, wobei die META Group erwartet, dass sich die EU der US-Entscheidung anschließt. Dann bleiben noch die Aktionen von Peoplesoft hinsichtlich der Klage und der “Poison Pill”, also der implementierten “Gifttpille”, die vom Aufsichtsrat entfernt werden muss. Natürlich müssen danach auch die Aktionäre mitspielen und verkaufen. Um die Übernahme erfolgreich abzuschließen, müssen schließlich noch die “normalen” Übernahmeaufgaben bewältigt werden, wie z.B. die Überprüfung der Bücher, Verbindlichkeiten, Berichtswesen, Personal und – das Allerschwierigste – die emotionale Integration der Mitarbeiter.

Könnte noch ein “weißer Ritter” zur Rettung PeopleSofts auftauchen?

Warum sollte das jemand machen? Wegen des Barvermögens, der Software, der Kundenbasis oder der Angst vor Oracle? Welche Kandidaten könnten das dann sein? Natürlich bieten sich immer Venture-Capital-Unternehmen an; oder wie wäre es mit Accenture oder Microsoft? Sehr unwahrscheinlich wäre IBM oder SAP. Die META Group glaubt zudem, dass der Preis zu hoch angesetzt ist, als dass weitere Angebote realistisch wären. Daran wird auch die letzte Ankündung auf der Anwenderkonferenz Connect 2004 von PeopleSoft und IBM nicht viel ändern, auch wenn damit die Gründung der bedeutendsten Allianz für Unternehmensanwendungen in der Geschichte beider Unternehmen bekannt gegeben wurde. Im Rahmen dieser neuen Allianz wird PeopleSoft seine branchenweit führenden Anwendungen für die marktführende Middleware-Plattform von IBM standardisieren. Die gemeinsam entwickelten Lösungen sollen von beiden Unternehmen vermarktet werden. Allerdings könnte dieser Vertrag weitere potentielle und unangenehme Verpflichtungen für Oracle beinhalten.

Was wird Oracle mit den “Assets” von PeopleSoft machen?

Zu den Assets bzw. Aktivposten gehören natürlich die Mitarbeiter, die Applikationen und die Kunden. Bei den Mitarbeitern sind laut Aussage von Oracle signifikante Einschnitte geplant. Die Applikationen würden nicht mehr aktiv vermarktet, wären aber noch zu kaufen. Eine langfristige Wartung würde sichergestellt und sehr selektive Verbesserungen seien ebenfalls geplant. Auch wenn die Kunden eine “kostenfreie” Migration von PeopleSoft auf Oracle bekämen, so fallen natürlich sehr wohl Integrationskosten und nicht-softwarebezogene Kosten an. Hier muss Oracle noch klar nacharbeiten und plant auch sehr genaue Untersuchungen für eine Migrationsstrategie.

Und da war auch noch JD Edwards. Was passiert mit deren Assets?

Natürlich werden auch hier Mitarbeiter reduziert. Die noch in der Entwicklung begriffene Peoplesoft-JDE-Roadmap beziehungsweise die Entwicklung einer integrierten Produktfamilie würde unterbrochen. Die JDE-Kunden wurde in den meisten Diskussionen bis jetzt kaum erwähnt. Auch ein Spinoff wäre noch eine Möglichkeit. Oracle sollte einen stärkeren Fokus auf JDE haben, da auch dieser Markt sehr viel schneller wächst als der Großkundenbereich. Fakt ist aber, dass die JDE-Kunden sicherlich die schwierigste Position haben.

Welche Anbieter gewinnen bei diesem Szenario?

SAP gehört sicherlich zu den Gewinnern, da die Verwirrung, die Integrationsaufgaben, die Defokussierung und zukünftige Migrationsaufgaben SAP gute Argumente geliefert haben und liefern werden. Siebel und andere so genannte “Best of Breed”-Anbieter wie IBM Global Services, Systemintegratoren, Outsourcer und neue Wartungsanbieter gehören ebenfalls zu den Unternehmen, die davon profitieren können.

Welche Anbieter verlieren bei diesem Scenario?

All diejenigen, die auf Basis von PeopleSoft- oder JD-Edwards-Produkten ein gutes Momentum aufgebauthatten. Microsoft gehört dazu, IBM ebenfalls, sowie all diejenigen, die im “Ökosystem” von PeopleSoft zu Hause sind, zum Beispiel JDE-Systemintegratoren, Implementatoren und Business-Intelligence-Anbieter.

Wird dies die Übernahmeaktivitäten in der Software-Industrie vorantreiben?

Frei nach Radio Eriwan: Im Prinzip ja. Das DOJ kann besiegt werden, und Wettbewerber müssen sich entsprechend aufstellen beziehungsweise verteidigen. Aber man sollte auch bedenken, dass das diese Gerichtsentscheidung auch dadurch zustande gekommen ist, weil das DOJ keinen guten Job gemacht hat. Wichtig ist ebenso die Erkenntnis, dass der Bereich “Large-Scale ERP” eine gewisse Marktreife signalisiert – Marktanteile werden nunmehr durch einen Kundenkauf statt durch Technologiekauf gewonnen.

Was würde mit PeopleSoft (und JDE) ohne Oracle passieren?

PeopeSoft hat sehr gute Beziehungen zu seinen Kunden, die auch größtenteils sehr zufrieden sind. Aber PeopeSoft hatte schon vor dem Oracle-Angebot keinen großen Shareholder Value aufzeigen können. JDE ist nicht voll integriert, und es konnte auch keine Mehrheit der JDE-Kunden gewonnen werden, EnterpriseOne und -World wurden aber dennoch aufgerüstet. PeopeSoft ist “nur” ein Unternehmen im High-End-Applikationsmarkt, der eine gewisse Sättigung aufweist. Deshalb würde PeopleSoft Akquisitionen oder einen Käufer benötigen und sollte schneller und stärker in den Midrange-Bereich investieren, der ein stärkeres Wachstum aufweist.

Und was sollen die Kunden tun?

Was wirklich mit den einzelnen Modulen von PeopleSoft und JDE passiert, ist heute Spekulation. Die Kunden, die mit der letzten oder einer stabilen Version der Software arbeiten, brauchen kurzfristig nichts zu unternehmen, da die zukünftige Wartung von Oracle versprochen wurde. Im CRM-Bereich ist PeopleSoft ziemlich nahe am “Best of Breed”, und für Kunden, die mit einer taktischen Lösung zufrieden sind, ist dies OK. Im Bereich Personalverwaltung ist PeopeSoft “Best of Breed” und sollte in die Short-List aufgenommen werden. Im Finance-Bereich sollten Bestandskunden von PeopleSoft abwarten, Neukunden dagegen vorsichtig agieren. Oracle hat für PeopleSoft neue Funktionalitäten, wie z.B. die Anpassung an Steuergesetzänderungen, angekündigt, sich aber nicht zu JDE geäußert, und Details sind im Moment natürlich noch nicht bekannt.