Jörg Hesske

ist Country Manager bei VMware Deutschland. Nach längeren Aufenthalten in Frankreich und den USA beobachtet er auch internationale Zusammenhänge mit großem Interesse.

Bilanz 2011: Ist nach der Cloud vor der Cloud?

Zum Jahresende wird es in vielen Unternehmen oft noch einmal recht hektisch. Zielvorgaben müssen kontrolliert, Verträge überprüft und finalisiert sowie Strategien und Kampagnen für das neue Jahr geplant werden. Doch Hand aufs Herz – ist nicht eigentlich immer “viel los”? Und sollte nicht auch die “stade Zeit”, wie wir in Bayern sagen, bewusst dazu genützt werden, auch einmal inne zu halten und zurückzublicken?

Was hat uns das Jahr 2011 beschert?

In den emotionsgeprägten, medialen Jahresrückblicken bleiben vor allem die schrecklichen Bilder der Erdbebenkatastrophe in Japan, der Libyen-Krieg und das Attentat in Norwegen hängen. Doch es gab auch Positives: Die Frauen-Fußball-WM in Deutschland, eine royale Märchenhochzeit, einen deutschen Formel-1-Weltmeister…

Auch ökonomisch gesehen war das Jahr 2011 – trotz Euro-Krise – für viele deutsche Unternehmen ein überaus erfolgreiches Jahr. Der private Konsum boomt, und die Absatzzahlen sind auch im B2B-Umfeld in nahezu allen Branchen stetig gestiegen. Auch die IT-Industrie kann sich größtenteils über ein ansehnliches Wachstum freuen – der Cloud sei Dank!

Denn 2011 war definitiv auch das Jahr der Cloud. Angefangen von der CeBIT, die von strahlendem Sonnenschein bis wolkenverhangenem Himmel alles zu bieten hatte, über groß angelegte Cloud-Marketingkampagnen mit Roadshows, Microsites und Werbeoffensiven, neu geschaffene Geschäftsbereiche und Positionen innerhalb der Unternehmenswolken bis hin zur Umbenennung ganzer Produktpaletten. Auch die Linguistik blieb von diesem Trend nicht verschont: Cloud-ige bis “geCLOUDte” Wortneuschöpfungen zeugen von einer regelrechten Cloud-Mania.

Doch es ist längst nicht alles Cloud, was glänzt! CIOs und IT-Administratoren sollten genau hinsehen, was hinter den wolkigen Versprechungen steckt und wie durchdacht die jeweiligen Konzepte sind. Der Cloud-Nutzen wird sich nur dann voll entfalten können, wenn die IT-Hersteller und Service Provider das Vertrauen, das sie von ihren Kunden erwarten, auch tatsächlich erfüllen: “Flexibilität bei größtmöglicher Sicherheit”, “nutzungsbezogene, kostentransparente Abrechnungsmodelle”, “einfaches, zentrales Management”, “flexible, zeitnahe Anpassung der Ressourcen”… Was diese Buzzwords technologisch im Einzelnen bedeuten, würde einen Jahresrückblick sprengen. Der geneigte Leser ist herzlich eingeladen, sich darüber unter anderem auf den verschiedenen Unternehmens-Websites, Fachpublikationen, Branchen-Events oder im direkten Dialog zu informieren.

The Cloud will go on!

Fakt ist, dass uns die Cloud sicherlich auch 2012 nicht loslassen wird. Meiner Meinung nach wird sich im kommenden Jahr nach und nach die Spreu vom Weizen trennen. Die Kunden werden schnell merken, welche Angebote wirklich verlässlich sind und halten, was sie versprechen – und was unter Umständen nur alter Wein in neuen Schläuchen ist.

Die Kunst auf Herstellerseite wird auch sein, trotz zunehmender Automatisierung und Standardisierung flexibel auf die individuellen Kundenansprüche eingehen zu können. In kaum einem Land findet sich ein so ein breites Spektrum an technologisch heterogen ausgestatteten Unternehmen mit gleichzeitig jeweils sehr unterschiedlichen Organisationsmodellen und Unternehmenskulturen wie in Deutschland. Denn bei aller Euphorie darf nicht vergessen werden, dass die Weiterentwicklung der unternehmenseigenen IT, der Übergang von einer physikalisch-dominierten in eine virtuelle Welt, nicht nur einen strukturellen und technologischen Umbau bedeutet, sondern vor allem auch ein organisationssoziologischer und individualpsychologischer Prozess ist. Der Fokus wird dabei ganz klar auf der Hybrid Cloud liegen. Nur ein hybrides Cloud-Modell, das auf einer offenen Virtualisierungsplattform basiert, erlaubt es, ausgelagerte Daten jederzeit wieder zurückzuholen.

Mit dem Wandel, den die Cloud-Ära mit sich bringt, sind so manche IT-Abteilungen gezwungen, ihre gewohnten Denkmuster zu revidieren. Job-Profile müssen gegebenenfalls überarbeitet, Zuständigkeiten neu verteilt werden…

In meinen Gesprächen mit den Unternehmen wird vor allem beim Thema Sicherheit eine gewisse Zurückhaltung spürbar. Verständlich auf der einen Seite, wenn manche Hersteller nicht halten, was sie versprechen.

Fast 90 Prozent von über 600 befragten IT-Entscheider gaben in einer Studie von IDG Research dieses Jahr an, sie würden den Einsatz von Cloud Computing ausweiten, wenn die gleichen oder größere Sicherheitsstandards als in ihren eigenen Rechenzentren gewährleistet wären. Allerdings – was spricht dagegen, Applikationen und Daten in die Cloud zu geben, wenn das Rechenzentrum eines Providers nach europäischen Standards zertifiziert und Compliance-Anforderungen erfüllt sind? In jedem Fall sollten die Unternehmen mit den Service Providern klare Absprachen treffen, konkret: Service Level Agreements (SLAs) vereinbaren. Das mag am Anfang mühsam sein, zahlt sich aber aus. Auch weil dabei oftmals gleich die eigene Rolle hinterfragt und Zuständigkeiten neu überarbeitet werden können. Im Endeffekt wird immer die Frage im Vordergrund stehen: wie kann ich Cloud Computing effektiv und sicher für das Unternehmen nutzen.

Als weiteres Schwerpunktthema wird uns im Jahr 2012 auch sicherlich der Themenkomplex Consumerization von Desktops und Mobilen Endgeräten weiter begleiten – getrieben unter anderem durch den Trend “Bring your own device”. Denn bei dem Cloud-Gedanken geht es nicht um Technologien als solche; vielmehr sind Soft- und Hardware nur Mittel zum Zweck, größtmögliche Flexibilität bei gleichzeitiger Kostenkontrolle in Einklang zu bekommen. In einer zunehmend mobilen Gesellschaft kommt es nicht mehr darauf an, auf welchem Gerät wir gerade arbeiten oder wo sich bestimmte Daten befinden. Es ist der User selbst, der immer mehr in den Vordergrund rückt – und auf dessen Bedürfnisse die IT-Abteilungen von Unternehmen reagieren müssen.

Vielleicht ist die Zeit des Jahreswechsels ja ganz gut geeignet, sich mit den Kollegen mal an einen Tisch zu setzen, inne zu halten und gemeinsam auf das sich neigende Jahr zu blicken: Was haben wir geleistet? Was ist gut gelaufen, was könnte man besser machen? Und natürlich ist der Blick nach vorne nicht zu vergessen: Was ist uns für das kommende Jahr wichtig? Was sind unsere privaten und beruflichen Ziele für 2012?

Das vergangene Jahr hat uns mit all seinen Höhen und Tiefen gelehrt, dass der Weg keineswegs immer geradlinig verläuft. Aber es ist doch schön, wenn wir auf ihm – früher oder später – die Ziele, die wir uns gesteckt haben, erreichen.