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Der Balance-Akt: Von Work-Life-Balance zum Work-Life-Blending

Der Begriff “Balance” impliziert bei genauerer Betrachtung einen Gegensatz des (privaten) “Lebens” auf der einen und der “Arbeit” auf der anderen Seite, die sich zum Wohle der Mitarbeiter – bildlich gesprochen – die Waage halten sollten.

Kritiker merken allerdings an, dass sich die unterschiedlichen Arbeits- und Lebensentwürfe vieler Menschen nicht auf eine allgemein gültige “Balance” reduzieren ließen. Zudem vereinfache die Schwarz-Weiß-Darstellung von Arbeit auf der einen und dem Privaten auf der anderen Seite die Mehrdimensionalität der “Arbeit” – denn neben der simplen Ausführung von Geschäftsprozessen sehen sie die Arbeit als Plattform des sozialen Austauschs und Mittel zur Selbstverwirklichung.

In der Realität erleben wir, dass die Stechuhr-Mentalität – nach der die Arbeit lediglich ein Ort war, den man zwischen 8 und 18 Uhr aufsuchte – längst ausgedient hat. Stattdessen ist die Arbeit heute etwas, das man tut – und zwar zeitlich und räumlich ungebunden. Die Arbeit wird zunehmend internationaler, flexibler und komplexer. Vor allem in den letzten Jahren ist diese Entwicklung aufgrund neuer Technologien wie Cloud-Lösungen für Online-Zusammenarbeit rasch fortgeschritten.

Pioniere dieser Entwicklung sind vielfach die Mitarbeiter selbst. Die Menschen werden zunehmend mobiler und suchen nach Möglichkeiten, diese Mobilität auch in ihr berufliches Schaffen hineinzutragen und es nach ihren Wünschen zu gestalten. Oftmals leben und arbeiten Familienangehörige und Partner in anderen Städten. Möglicherweise möchte ein Mitarbeiter aber auch spontan einen Home Office Tag einlegen, weil das Kind krank ist. Anders als noch vor 30 Jahren gleicht kein Lebensentwurf, keine Arbeitswoche und kein Monat mehr dem anderen.

Zentral organisiert wird eine “Eindämmung” der Arbeit auf bestimmte Orte und Zeitfenster zum Bärendienst für all jene, deren Stress hierdurch eigentlich reduziert werden soll. Denn zugleich werden private Aktivitäten auf Bereiche reduziert, die außerhalb der definierten “Produktivzeiten und –orte” liegen. Letztendlich entsteht Stress nicht durch eine absolute Arbeitsbelastung, sondern durch die subjektiv empfundene Ohnmacht, diese eigenständig und entlang privater Prioritäten zu organisieren.

Damit kann selbst der kleinste Bericht zum großen Stressfaktor werden, wenn er freitags bis 18 Uhr im Büro fertiggestellt sein muss – und nicht auf der Zugfahrt zu den Lieben per Laptop oder Tablet erledigt werden kann, da möglicherweise die Server zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschaltet werden.

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Aktuelle Untersuchungen legen in der Tat nahe, dass Mitarbeiter ihre Arbeit mithilfe mobiler Technologien in Eigenverantwortung organisieren wollen – und zwar keineswegs nur in technologienahen Großkonzernen. Laut einer YouGov Studie von 2013* lehnt die große Mehrheit von 73 Prozent der Mitarbeiter in kleinen und mittelständischen Betrieben der Bundesrepublik Regeln, die flexibles und mobiles Arbeiten in ein Korsett aus Zeitfenstern zwängen, nachdrücklich ab. Stattdessen wünschen sie sich eine nur minimale Einflussnahme durch den Arbeitgeber, wie etwa unverbindliche Vorschläge zu Arbeitszeiten (46 Prozent) und die Vereinbarung langfristiger Ziele (35 Prozent). Lediglich 16 Prozent sprechen sich für das klassische “Nine-to-Five” Arbeitsmodell in der kontrollierten Umgebung eines Büros aus.

Im Sinne einer progressiven Mitarbeiterführung und als Fundament eines erfolgreichen Employer Brandings sollten Unternehmen kritisch prüfen, ob es von den eigenen Mitarbeitern erwünscht ist, die Arbeit und das Private “aufzuwiegen”, um eine allgemein gültige Balance herzustellen. Vielmehr sollten sie Möglichkeiten eruieren, existierende “Barrikaden” zu beseitigen und Mitarbeitern die technischen Möglichkeiten an die Hand zu geben, den für sie bestmöglichen Ablaufplan für ihre Wochen und Monate zu schaffen – aus Work-Life-Balance wird damit Work-Life-Blending.

* Alle Zahlen – außer anderweitig gekennzeichnet – sind von YouGov, Plc im Auftrag von Citrix erhoben worden. Der Stichprobenumfang betrug 1.262 KMU Entscheider aus Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern*. KMU in folgenden Ländern wurden befragt: Großbritannien (201), USA (200), Australien (253), Deutschland (202), Frankreich (201) und Kanada (205). Die Studie wurde zwischen dem 22. und 29. April 2013 online durchgeführt. Die Federation of Small Businesses definiert KMU als Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeiter. Dies wird wie folgt heruntergebrochen: Mikro: 0-9 Mitarbeiter, Klein: 10-49 Mitarbeiter, Mittelgroß: 50-249 Mitarbeiter.

Andre Borbe

Andre ist Jahrgang 1983 und unterstützte von September 2013 bis September 2015 die Redaktion von silicon.de als Volontär. Erste Erfahrungen sammelte er als Werkstudent in den Redaktionen von GMX und web.de. Anschließend absolvierte er ein redaktionelles Praktikum bei Weka Media Publishing. Andre hat erfolgreich ein Studium in politischen Wissenschaften an der Hochschule für Politik in München abgeschlossen. Privat interessiert er sich für Sport, Filme und Computerspiele. Aber die größte Leidenschaft ist die Fotografie.

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