Die Lehren aus der Krise: Organisatorische Belastbarkeit und Reaktionsfähigkeit

Doch in der ersten Hälfte dieses Jahres haben sich unsere Arbeitsplätze und unsere Welt durch das COVID-19-Virus radikal verändert. Und es mussten einige Lehren gezogen werden.

Anstatt mehrere Tage in der Woche zu reisen, um Zeit mit Kunden zu verbringen, haben viele Menschen in den letzten Monaten nur selten ihr Zuhause verlassen. Während Deutschland langsam beginnt, sich wieder zu öffnen, wurde „das Virtuelle“ inzwischen zum neuen Standard für unsere Art zu arbeiten. Das „neue Normale“ sozusagen. Infolgedessen sind Fragen der IT-Sicherheit, des Datenschutzes und der digitalen Ethik für die Unternehmen und ihre Belegschaft in den Vordergrund gerückt; Belastbarkeit, Vertrauen und Zuversicht sind Dreh- und Angelpunkt geworden. Die gute Nachricht dabei ist: Es gibt Anlass für Optimismus – und reelle Chancen, gestärkt aus den Erfahrungen der letzten Monate hervorzugehen.

Die zurückliegenden Monate haben bewiesen, dass die Gesellschaft und die Wirtschaft in der Lage sind, schnell zu lernen und sich zügig anzupassen. So manche Konvention musste darüber gebrochen werden. Veränderungsschmerzen waren unvermeidlich. Unser Lebens- und Konsumverhalten hat sich vermutlich für immer verändert. Und dieser Vorgang hat schneller stattgefunden, als es sich die kühnsten Aktivisten oder mutigsten Zukunftsforscher wohl hätten vorstellen können. Eine Studie von Accenture hat zum Beispiel herausgefunden, dass fast die Hälfte der Menschen, die noch nie von zu Hause aus gearbeitet hatten, das nun häufiger machen möchten. Auch wurden mehr als 35 Prozent der Einkäufe bis zum Ende der Krise online getätigt; das ist eine Verfünffachung. Auch prognostizieren Experten, dass sich der Einsatz von eHealth und Telemedizin nach der Krise – zumindest global – beschleunigen wird.

Reagieren, rekonfigurieren, wachsen

Während wir in Europa die erste Welle wirtschaftlich und sozial mittlerweile einigermaßen seriös einschätzen können, ist das Ausmaß der Pandemie global noch lange nicht abzuschätzen, vor allem mit Blick auf den amerikanischen Kontinent. Aus den ersten Erfahrungen insbesondere aus China und auch aus Europa lässt sich jedoch sagen, dass die meisten Organisationen bei der Erholung der Auswirkungen von COVID-19 drei Phasen durchlaufen. Die ersten drei bis sechs Monate stellen eine Art Reaktionsmodus dar. Der Schwerpunkt ist dabei, den Fortbestand des Geschäfts samt Kerntätigkeiten zu sichern und die Kontrolle über die Situation zu erlangen. Beispiele sind etwa die Etablierung von Home-Office-Regelungen, wo es diese noch nicht gegeben hatte; ebenfalls fällt in diese Kategorie, Kunden den Zugriff auf Waren und Dienstleistungen von deren Zuhause aus zu ermöglichen.

In Deutschland und Europa haben viele Unternehmen diese erste Phase bereits verlassen und die zweite erreicht. Sie steht für ein Reset oder Neustart. Hier zählt auch die Mentalität, denn es gilt, das Steuer fest in die Hand zu nehmen und die derzeitige globale Krise als Gelegenheit zu nutzen. Zum Beispiel ist jetzt der richtige Zeitpunkt, Betriebsmodelle modularer und skalierbarer zu gestalten. Auch sind Unternehmen gut beraten, Produktportfolios jetzt zügig anzupassen, denn die Marktanforderungen ändern sich rasant. Mehr als sechs bis zwölf Monate werden und dürfen für diese zweite Phase nicht verwendet werden, die nahtlos und schleichend in die dritte übergehen wird: die der Erneuerung und des Wachstums. Vereinfacht gesagt folgen auf den Sturz recht bald das Aufstehen (reagieren) und kurze Durchatmen (neustarten), ehe die vorherige Dynamik erreicht werden kann. Um wieder prosperieren zu können, werden auch die Unternehmenslenker gefragt sein, hier ist mehr Experimentierfreude gefragt; neue Technologien werden dabei hilfreich sein.

Fünf Prioritäten zur Erneuerung nach COVID-19

Über die genannten drei Phasen wird es für Unternehmen wichtig sein, fünf Aspekte besondere Beachtung zu schenken:

1. Kosteneindämmung und Optimierung: Die Betriebskosten müssen sofort gesenkt werden, und es gilt, ein skalierbares Kostenmodell zu etablieren, sofern dies noch nicht vorhanden ist. Ziel ist es, Kapital freizusetzen und Wachstumschancen zu fördern.
2. Talente nutzen: Unternehmen müssen jetzt mehr denn je auf ihre Mitarbeiter setzen und sie weiter befähigen, so dass diese effizient und schnell auf externe Veränderungen wie derzeit reagieren können. Gleichzeitig ist es wichtig, auf ein optimales Gleichgewicht zwischen Mitarbeitern, Externen und Automatisierung zu achten.
3. Ein belastbares Kerngeschäft: Die grundlegenden Aktivitäten eines Unternehmens müssen abgesichert werden. Skalierbarkeit und Flexibilität müssen dabei grundsätzlich stets präsente Gradmesser sein.
4. Kundenbetreuung und Betrieb: Unternehmen müssen mehr denn je „am Ball bleiben“, um die sich ändernden Bedürfnisse ihrer Kunden zu identifizieren und entsprechend zu handeln. Dabei wird die Fähigkeit an Bedeutung gewinnen, neue Mittel und Wege der Vermarktung zu unterstützen.
5. Produkte und Dienstleistungen: Veränderungen, die sich auf das Produktportfolio auswirken, müssen unmittelbar angegangen werden. Nur so lassen sich gleichermaßen Stilstand vermeiden, und antizipieren, wie sich das eigene Angebot kurz- und mittelfristig weiter ertragreich entwickeln kann.

Was kommt als Nächstes?

Wohl niemand hat eine solche Situation bisher erlebt. Während früherer disruptiver Zeiten war es die Zielsetzung, schnellstmöglich zur Normalität überzugehen. Das ist diesmal anders, denn ein grundlegender Wandel ist unvermeidbar. Digitale Technologien bilden hierbei einen enorm wirksamen Beschleuniger – und sind gleichermaßen schon vielfach bewährt. Das ist ein Vorteil, bei aller Handlungsnotwendigkeit: Ob Remote Offices, Customer Experience, Employer Experience oder „nur“ die Cloud, all diese Einzelaspekte einer digitalen Transformation sind bereits seit einer Weile verfügbar.

Sicher ist: Der anstehende Weg wird für Unternehmen nicht linear verlaufen. Anders gesagt: Es wird Höhen und Tiefen geben, auf die wieder Höhen folgen. Darum ist das Zusammenspiel von „Digitalem“ und „Menschlichem“ auch wichtiger denn je. Erstens ist es ohnehin nötig, dass Unternehmen das volle Potenzial abrufen, und zweitens sind gerade gute Teams in der Lage, bei Rückschlägen den richtigen Hebel zu suchen zum Beispiel als Reaktion auf die sich ändernde Marktdynamik neue Einnahmequellen zu schaffen. Während der Tests und der Zeit des Erkenntnisgewinns ist es wichtig, stets den Return on Investment sowie den Business Case im Auge zu behalten. Das mag trivial klingen, doch im Alltag rücken diese Elemente erfahrungsgemäß hier und da in den Hintergrund. Eine klare Vision und die Fähigkeit, sie zu verfolgen, wird jedoch die Gewinner von den Verlierern unterscheiden.

Weitere Informationen:
Top-10-Liste der globalen Risiken des World Economic Forum

Redaktion

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