Jörg Mecke

ist Bereichsleiter Cloud Plattformen beim herstellerunabhängigen IT System- und Beratungshaus FRITZ & MACZIOL. Ein anderer Blickwinkel auf die Dinge ist bei ihm an der Tagesordnung.

Ohne Netz und doppelten Boden

Wer sprichwörtlich “ohne Netz und doppelten Boden” agiert, gilt als grob fahrlässig. Gerade in der IT, wo Redundanzen in den meisten Bereichen an der Tagesordnung sind. Wer aber im eigentlichen Sinne der Worte “ohne Netz und doppelten Boden” unterwegs ist, erlebt IT von ihrer wahren Seite. Und das in Deutschland. silicon.de-Blogger Jörg Mecke über die Erfahrungen seines mobilen Arbeitsalltags.

Wenn alle von Cloud-Computing reden, egal von welchem Typus, dann haben sie immer eines im Sinn: Ein skalierbares, sicheres, flexibles, zentralisiertes und konsolidiertes Rechenzentrum. Alternativ auch im Plural. Der Nutzen ist viel diskutiert und die Angebote vielfältig und teilweise faszinierend. Aber natürlich nur, wenn man sie nutzen KANN.

Zum Thema KÖNNEN haben sich in der Ansicht der Entscheider und Politiker alle sehr gut bemüht, ein bundesweites Breitbandnetz aufzubauen. Die mittlerweile über fünf Jahre alten Studien des Bundeswirtschaftsministeriums und des BITKOM belegten, dass der Ausbau von Breitbandzugängen (wie DSL) das Wirtschaftswachstum um ein Prozent positiv beeinflussen kann. Erstaunliche Zahlen, die man dem Leser damals entgegen warf, doch der Ausbau kam voran. Inzwischen werden fast 100 Prozent der Haushalte in Deutschland mit Breitband von mindestens 1 Mbit/s versorgt und die Zahlen der Studien von damals haben keine Relevanz mehr.

Unsere Sorgen heute sind aber auch andere. Viele Menschen sind gezwungen, mit einer hohen Mobilität den beruflichen Erfordernissen zu begegnen. Und wer mobil ist, dem nützt der DSL-Zugang zu Hause nicht, um in die zentralisierte IT-Infrastruktur zu gelangen: egal wo diese auch im Moment steht, in der Reisetasche oder im Doppelboden des Kofferraums ist sie nicht. Mit allen technischen Errungenschaften wie UMTS und LTE soll es gehen und das tut es auch. Wenn es verfügbar ist.

Ich gehöre auch zu der Spezies der Vielreisenden und kenne die Marktregularien, zum Beispiel dass sich Angebot und Nachfrage begegnen. Schön wär‘s. Ich setze mich in den Zug: von Dortmund nach Berlin. Ein ICE auf einer Hauptverkehrstrecke mit reichlichen Verbindungen pro Tag. Der Zug ist meistens sehr gut gefüllt und mit gefühlten zwei mobilen Endgeräten pro Passagier müsste es eine Nachfrage nach mobilen Netzen geben. Bis Wolfsburg geht es gut und dann kommt bis Berlin-Spandau die Wüste. Die Wüste kennt keinen Empfang: Egal ob das Logo in magenta oder rot angezeigt wird, es gibt nichts. Vielleicht ist es die falsche Strecke. Setze ich mich in den Zug von Hamburg nach Frankfurt, die wie die oben genannten eine “Deutsche-Bahn-Hauptstrecke” ist, kann es bis hinter Hannover noch ganz gut gehen, aber danach gibt es eine verlässliche Funkverbindung nur in den Bahnhöfen für zwei bis drei Minuten. Besser als nichts, aber nicht gut genug in Zeiten, wo der moderne Benutzer auf zentrale Daten zurückgreifen will und auch muss. Das Handy-Symbol im Wagen (ein Zeichen für den installierten Repeater) macht auch nicht glücklicher.

Ja, ich kann froh sein, dass auf meinem mobilen Endgerät (Microsoft Surface) ein Office-Paket installiert ist, so dass ich zumindest tippen kann. Aber im Jahr 2013 erwarte ich mehr. Auch im Auto falle ich immer wieder in Funklöcher an Stellen, wo vor zwei Jahren noch gar keine Löcher waren. Dann geht noch nicht einmal das Telefon, geschweige denn der Datenverkehr. Und ich rede da nicht von Kreisstraßen oder Feldwegen, sondern von Bundesstraßen oder Bundesautobahnen. Ich weiß nicht, ob die Smartphones von heute mehr auf “Usability” als auf “Connectivity” getrimmt sind, aber mein altes Nokia 6210 hätte das Netz gefunden, dass heute unauffindbar ist.

Eins ist mir aber sehr klar: Eine Studie, wie viel Cloud-Wachstum durch eine verbesserte Funkabdeckung an Bahn- und Straßenstrecken möglich wären, ist schon fast überfällig. Denn das mobile Arbeiten ist keine Trend mehr sondern Realität. Vielleicht hat ja ein Analystenhaus Interesse daran, eine Zahl zu ermitteln. Und vielleicht geht dann ein Ruck durch Deutschland, damit oben links im Display die zwei Worte nicht mehr auftauchen: “Kein Netz”. Denn ohne Netz geht es nicht mehr, ohne Netz sind wir “dann mal offline”. Was im Buch gut funktioniert, ist für mich im Alltag undenkbar.