Heinz Paul Bonn

ist Gründer des Kölner ERP-Spezialisten GUS Group. Der Buchautor und Blogger ist Ehrenmitglied und Vorsitzender des Forums Mittelstand im BITKOM.

Partnertausch

Offensichtlich gibt es immer noch keine Klarheit darüber, wie viele Mitarbeiter IBM nun in den kommenden Wochen (oder bisher schon) entlässt. Die schockierende Zahl von 110.000 Mitarbeitern – oder gut einem Viertel der Gesamtbelegschaft – erscheint silicon.de-Blogger Heinz Paul Bonn als zu hoch gegriffen. Doch auch an anderer Stelle muss IBM Federn lassen.

Sicher ist aber, dass IBM im Zuge der letzten Restrukturierungen 2000 Partner verloren hat. Sie sind mit dem Verkauf des x68-Server-Geschäfts an Lenovo mit in das chinesische Ecosystem gewechselt.

Die Zahl nannte Ginny Rometty auf der PartnerWorld in Las Vegas, als sie das ganze Ausmaß des Transformationsprozesses skizzierte, dem sich IBM derzeit unterzieht. Im gleichen Zeitraum nämlich sind zehntausend neue Partnerunternehmen dem globalen Kanalnetz der IBM beigetreten. Statt der Büchsenschieber jetzt also Entwickler für Cloud- und Mobile-Anwendungen, Security und Analytics – vier der Mainstream-Entwicklungen, aus denen IBM künftig wieder Umsatzsteigerungen generieren will. Zusammen mit den Partnern – aber nur, wenn die sich ebenfalls einer so massiven Transformation unterziehen wie die IBM.

Denn – ob nun bei IBM, Microsoft oder SAP – mit Partnern, die über die Distribution kaum einen Mehrwert erbringen, kann kein Ökosystem in der Informationswirtschaft mehr etwas anfangen. Distribution – das übernimmt künftig die Cloud. Systemadministration – das macht die Cloud. Customer Service – da gibt’s doch auch etwas aus der Cloud. Dazu braucht es künftig keine Low-Skill-Partner mehr. Der Added Value muss her, aus Sicht der IBM am besten in Form eines mobilen Cloud-Services auf der Analyse-Basis von Watson oder der der SoftLayer-Architektur.

Dabei betreibt IBM selbst den eigenen Turnaround bis zur Unkenntlichkeit. Man sieht jetzt IBM-Berater mit Management-Präsentationen auftreten, die von einem Max abgespult werden und eindeutig die Handschrift des neuen – und offensichtlich dominierenden IBM-Partners Apple aufweisen. Immerhin zehn Apps auf dem iPad sind bereits aus der Partnerschaft mit Apple entstanden – zunächst sämtlich branchenorientierte Speziallösungen. Im laufenden Jahr sollen weitere 90 Apps hinzukommen. Die neuen Apps sollen stärker horizontal ausgelegt sein und zum Beispiel Lösungen entlang der Supply Chain offerieren. Das wiederum dürfte nur in enger Partnerschaft mit den führenden ERP-Anbietern funktionieren.

So aber soll künftig das neue Cloud- und Mobile-Geschäft funktionieren. Add-Value-Solutions von Partnern auf iPads von Apple und im Hintergrund tickt die Architektur der IBM. Dafür hat sich Big Blue nicht nur selbst eine neue Organisationsstruktur verpasst, die eine stärkere Lösungsorientierung aufweist. Auch die Partnerorganisation wird diesen Rubriken – Watson, Security, Cloud, Mobile etc. – angepasst. Und wichtiger noch: so wie die Schranken innerhalb der IBM fallen, um eine stärker horizontale Durchmischung der Lösungen zu erreichen, sollen auch die Vertriebskanäle als One Channel Team zusammengefasst und interdisziplinär interaktiv werden.

Lediglich 20 Prozent ihres Umsatzes generiert IBM derzeit durch Partner. Das klingt mau, ist aber durchaus stattlich, wenn man berücksichtigt, dass eine ganze Reihe von Lösungsangeboten – wie bislang zum Beispiel das Globale Outsourcing Business – praktisch ohne Partnervermittlung läuft. In stärker lösungsorientierten Bereichen ist der Partneranteil am Umsatz durchaus oberhalb der 50-Prozent-Marke.

Aber genau hier sei mehr drin, sind Ginny Rometty und ihr Channelchef Marc Dupaquier überzeugt. Die schlichte Formel lautet: mehr Value Add, mehr Profit. Und das soll für beide Seiten der Partnerschaft gelten. Um mehr als die Hälfte erhöhen will Marc Dupaquier als General Manager IBM Global Business Partners den Umsatzanteil, der durch befreundete Firmen in die Kassen nach Armonk strömt.

Dazu scheinen Unternehmen, die keinen Turnaround nötig haben, noch attraktiver zu sein, als im Markt aktive Unternehmen, die ihre Kraft derzeit für ihren eigenen Schwenk benötigen. Deshalb fördert IBM Startups was das Zeug hält. Unternehmen, die jünger als fünf Jahre alt sind können – den entsprechend attraktiven Business Plan vorausgesetzt – mit einer Wachstumsspritze zwischen 100.000 und 150.000 Dollar rechnen. Als Darlehen, versteht sich. Aber aus Sicht der IBM, die ja noch lange kein Liquiditätsproblem haben dürfte, könnte das ein interessanter Coup werden.

Heute schon die Partner von morgen an sich binden. Das ist Partnertausch mit Nachhaltigkeitsgarantie. Und irgendwann muss ja auch das ewige Transformieren mal wieder zu Ende sein.