Markus C. Müller

Gründete 2002 die Firma ubitexx, die er bis heute als CEO leitet. Er ist ein anerkannter Experte des Mobile-Business-Marktes.

Risikokapital: Am Puls des Silicon Valley

Der Münchner Firmengründer und Ubitexx-CEO Markus C. Müller war kürzlich in der Venture-Capital-Szene des Silicon Valley unterwegs. Für silicon.de beschreibt er, warum der Unterschied zwischen deutscher und US-Gründerszene seiner Meinung nach so groß ist.

Venture Capital und Silicon Valley – welche Begriffe passen besser zusammen als diese beiden. Macht man sich also als Unternehmer auf die Suche nach Wagniskapital, um in die USA zu expandieren, führt einen der Weg unweigerlich in das weltbekannte Tal zwischen San Francisco und San Jose. Dass ich am zweiten Tag nach meiner Ankunft gleich dem Enkel des “Erfinders” des Venture Capital (VC) die Hand drücken sollte, hatte ich nicht erwartet. Tim Draper, dessen Großvater 1962 Sutter Hill Ventures gründete, führt heute eine der größten und bekanntesten Venture Capital Firmen, Draper Fisher Jurvetson (DFJ). Eben dieser Tim Draper drückte mir bei einem kurzen Gespräch, ebenso wie Microsoft-CEO Steve Balmer, die Hand beim Microsoft Venture Summit 2010 in Moutain View, Silicon Valley.

Wer nun glaubt, Begegnungen dieser Art wären einzigartig, der kennt das Silicon Valley nicht. Und genau darin liegt auch einer der Erfolgsfaktoren dieses Tals – alle wichtigen Spieler im Software-Bereich sitzen dort. Und die Entscheidungsträger dieser Unternehmen zu treffen, ist nur eine Frage der Zeit. Das Wort “Networking” hat für mich seitdem eine andere Dimension.

Als ich auf dem Weg zum ersten Präsentationstermin bei einem VC auf der Sand Hill Road bin, erinnere ich mich an das Fundraising 2008 in Deutschland. Damals war ich unterwegs im ganzen Land, um eine Hand voll hochkarätiger VCs zu treffen und ihnen unsere Firma vorzustellen. Heute bin ich auf dem Weg zur Sand Hill Road in Menlo Park, an der ein TOP-VC Fund neben dem anderen sitzt. Namen wie Sequoia, Kleiner Perkins, Fisher Draper und U.S. Venture Partners zählen zu den erfolgreichsten und größten Venture-Capital-Firmen der Welt mit zig Milliarden Dollar unter Management. Diesmal muss ich also maximal die Straße überqueren, wenn ich von einem Termin zum nächsten gehe. Und diesmal stoße ich auf Investoren, die fast alle sofort verstehen, von was ich spreche. Auch das ist ungewohnt…

Als ich bereits von Deutschland aus unsere Wettbewerber in den USA identifiziert habe, fiel mir schnell auf, dass die, obwohl nicht oder nur unwesentlich größer als wir, jeder bereits mehrere zehn Millionen Dollar in Venture Capital eingesammelt hatten. Die drei wichtigsten Mitbewerber haben zwischen fünf- und achtmal so viel Geld verbraucht wie mein Unternehmen – nur um das gleiche aufzubauen, wie wir?! Das war mein erster Gedanke – und im ersten Moment erfüllte mich der mit Stolz, wie kapitaleffizient wir doch waren in Deutschland. Inzwischen weiß ich, dass genau da der Hund begraben liegt. Denn dass Deutschland in der Welt des Venture Capital kein Leuchtturm ist, weiß zumindest jeder, der einmal auf Kapitalsuche hier war. Dort wo deutsche VCs 50 bis 100 Millionen Euro Funds einsammeln, tragen US-VCs 300 bis 600 Millionen Dollar zusammen. Dort wo deutsche VCs insgesamt 50 bis 300 Millionen Euro gesamt verwalten, managen diese US-VCs mehrere Milliarden.

Klar, dass in den USA wesentlich mehr Geld vorhanden ist, um Start-up-Unternehmen zu fördern. Und das gilt sowohl für die Anzahl der unterstützten Start-ups wie auch für die Menge an verfügbarem Kapital pro Start-up. Kapitaleffizienz hin oder her – der Markt zeigt, dass wenn eine Technologie reif ist, sowohl technologisch als vor allem auch für den Markt, es darum geht, diese Technologie in den Markt zu bringen. Also: “execution” – wie der Amerikaner sagt. Vertrieb und Marketing spielen dabei die Hauptrolle. Und das kostet, je größer der Markt, desto mehr natürlich.

Häufig bereits haben deutsche Unternehmen hervorragende Technologie entwickelt – dann aber nicht das Kapital zur Verfügung gehabt, diese auch weltweit in den Markt zu bringen. Und genau an dieser Stelle ist uns jedes US-amerikanische Unternehmen mit Risikokapital-Unterstützung Welten voraus. Genau aus diesem Grund findet sich in Deutschland kein Facebook, kein Google und kein Amazon. Und jeder, der hier mit SAP kontern will, soll mir ein zweites erfolgreiches Beispiel neben SAP nennen in Europa… Manchmal ist “klotzen – nicht kleckern” eben angesagt. Und natürlich steigt durch die höhere Anzahl an finanzierten Unternehmen auch die Wahrscheinlichkeit, dass ein “Volltreffer” dabei ist.

Dort, wo man nun in Deutschland versucht, mit staatlichen Fördermitteln junge Unternehmen zu fördern, sollten meines Erachtens viel mehr die Anreize für Investoren gelegt werden, um Wagniskapital zur Verfügung zu stellen. Denn wo kein verfügbares Kapital ist, kann auch kein VC investieren. Wo es rentabler ist, in “sichere” Immobilien oder Blue-Chip-Aktien zu investieren, fehlen die Chancen für Risikokapital.

In Deutschland haben wir keine Risikokultur, sondern sind vor allem um unsere Sicherheit bemüht. Doch – durch den Erhalt des Status Quo entsteht nichts Neues. 100 Prozent sicher ist kein Investment – wie immer halten sich Risiko und Chance eben die Waage. Gescheiterte Unternehmer sind in Deutschland Aussätzige – in den USA wird Scheitern als Erfahrung bewertet, die den Unternehmer besser werden lässt. So eine Kultur fördert Risikobereitschaft – und Mut, Neues anzugehen. Sicher kann der Staat mit Investoren-Anreizen nur einen kleinen Teil dazu beitragen, um so eine Kultur entstehen zu lassen. Aber er könnte einen Anfang machen, um Innovation und Unternehmertum zu fördern, ja sogar zu fordern!

Weitere Impressionen aus dem CEO-Alltag von Markus C. Müller und seine Meinungen können Sie auch in seinem Blog und demnächst wieder hier bei silicon.de nachlesen.



  1. Deutsche Sandkastenspiele
    Solche deutschen Aktionen wirken in dieser Hinsicht eher schnuckelig. Was sollen 30.000 ? bei einer Firmengründung und innovativen Ideen nützen? Ist wohl eher für Jugend-forscht geeignet o.ä.
    http://www.silicon.de/mittelstand/0,39038986,41537137,00/ikt_wettbewerb_gruender_gesucht.htm

    Allerdings kenne ich seit 30 Jahren auch Leute, auch in den USA, die sich gewünscht hätten, nie einen VC ins Boot geholt zu haben.

    Ich hatte mal in D eine VC Gründung, da habe ich 1 Jahr lang Geschäftspläne mit dem VC diskutiert und in der Zeit die Gründungsidee selbst finanziert, bis der VC als Kaffeekasse einer Bank dann eingestiegen ist, zu 98 % rückversichert bei der KfW usw. Gäbe es eine Menge zu erzählen…