Hartmut Thomsen

ist seit Sommer 2012 Geschäftsführer der SAP Deutschland SE & Co. KG

So halten Sie Kurs in der Digitalen Transformation

Die Digitale Transformation stellt eine Branche nach der anderen auf den Kopf, weiß Hartmut Thomsen. Am Beispiel der Fotografie zeigt der Geschäftsführer von SAP Deutschland in seinem aktuellen Blog, was Digitalisierung auslösen kann und wie sich neue Chancen realisieren lassen.

Unternehmen, die sich auf die digitale Reise begeben wollen, benötigen dreierlei: Ein grundlegendes Verständnis für die verschiedenen Dimensionen der Digitalisierung, einen digitalen Kern als technische Grundlage für intelligente Business-Prozesse sowie eine ganzheitliche Digitalisierungsstrategie, die ihren individuellen Geschäftsanforderungen gerecht wird.

Das Schlagwort ‘Digitalisierung’ ist derzeit in aller Munde, wahlweise als Chance oder als Bedrohung für die traditionelle Wirtschaft. Aber was bedeutet es eigentlich konkret, wenn wir von Digitalisierung sprechen? Das einfache Beispiel der Fotografie kann uns dies veranschaulichen: In den Anfangstagen noch teuer und nur von Spezialisten für besondere Anlässe genutzt, änderte sich vieles mit den ersten Kompaktkameras, die das Fotografieren massentauglich machten.

Mit der Sofortbildkamera war dann jeder in der Lage, unabhängig von Spezialisten zu werden. Das Smartphone samt Kamera ist schließlich die aktuellste Stufe der Digitalisierung der Fotografie: mit ihm kann man Bilder direkt schießen, teilen und kommentieren.

Doch damit nicht genug: Der Beruf des Fotografen und sein Aufgabenspektrum haben sich verändert, die Kamerahersteller sehen ihr traditionelles Geschäftsmodell in Frage gestellt, und mit den Smartphone-Herstellern und Online-Plattformen wie etwa Instagram haben völlig neue Player den Markt erobert. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.

Fünf Megatrends geben den Takt vor

Im Zuge dieser umfassenden Digitalen Transformation werden sich Unternehmen aller Branchen und Größen mit den folgenden fünf Megatrends auseinandersetzen müssen, um die Potentiale, die aus dieser Veränderung entstehen, bestmöglich für Ihr Geschäft zu nutzen. Denn wenn sie es nicht tun, werden andere Unternehmen mit neuen Geschäftsmodellen sie auch aus anderen Branchen angreifen und abhängen.

  • Hyperconnectivity – Wir erleben eine allumfassende Vernetzung von Menschen und Maschinen, die ein exponentielles Datenwachstum herbeiführt. Gleichzeitig entstehen neue Kanäle, über die Unternehmen ihre Endkunden erreichen können. Beispielsweise geht der Kunde künftig in den Supermarkt und bekommt aktuelle Angebote passend zu seiner Kaufhistorie auf dem Smartphone offeriert – das sogenannte ‚Segment of One‘. Dadurch werden ganze Wertschöpfungsketten verändert oder gar neu definiert.
  • Super Computing – Unternehmen stehen heute vor der Herausforderung, Daten in Zetta- und Yottabyte-Bereich zu verwalten und sie gleichzeitig effizient zu filtern, zu analysieren und für ihre Geschäftsabläufe zu nutzen. Das Segment of One ist nur dann zu bedienen, wenn Unternehmen in Echtzeit auf Einzelbelegsebene zugreifen und den laufenden Prozess beeinflussen können.
  • Cloud Computing – Agilität und Geschwindigkeit sind entscheidende Wettbewerbsfaktoren. Aus diesem Grund entscheiden sich auch die bislang eher zurückhaltenden deutschen Firmen zunehmend für die Auslagerung von (Teil-)Prozessen in die Cloud, um schnell am Markt zu sein und sich auf differenzierende Prozesse konzentrieren zu können. Die Cloud hilft, Innovation zu beschleunigen. Zum Beispiel sind in der erwähnten Handelsbranche über die Hälfte der Mitarbeiter Zeitarbeitskräfte, die sich über Cloud-Lösungen flexibel in die Unternehmensprozesse einbinden lassen, so wie auch die Personalwirtschaft sehr leicht in der Cloud abbildbar ist.
  • Smarter World – Um die Möglichkeiten der Hyperconnectivity voll auszuschöpfen, müssen Unternehmen in der Lage sein, Big Data mit der transaktionalen Geschäftswelt zu verknüpfen. Sagen wir, die Marketingkampagne aus dem vorherigen Beispiel ist so gut angekommen, dass der geplante Lagerbestand den vorhergesagten Bedarf nicht mehr bedienen kann. ‚Smarter World‘ würde in diesem Fall bedeuten, dass eine neue Lieferung in Echtzeit beauftragt und die Bestände stetig dem Bedarf angepasst werden.
  • Cyber Security – In einer voll vernetzten Welt werden viele private und vertrauliche Daten geteilt. Umso wichtiger ist es, ein robustes und vollständiges Sicherheitskonzept unter Berücksichtigung von Daten-, Interaktions- und Identitätssicherheit bereitzustellen.

Vom stabilen Kern zum digitalen Kern

Wie das Beispiel aus dem Handel zeigt, können diese Trends ein wesentlicher Treiber für Innovation und Effizienz werden – vorausgesetzt, den Unternehmen steht die dafür notwendige Technologie zur Verfügung. Denn wenn sie die Digitale Transformation für sich nutzen wollen, müssen sie nicht nur “Big Data” beherrschen, also die neuen Datenquellen anzapfen und analysieren können. Noch viel wichtiger ist “Smart Data”, sprich die Fähigkeit, aus dem Datenwust die richtigen Daten herauszufiltern und die richtigen Erkenntnisse aus ihnen zu gewinnen. Zu guter Letzt gilt es, diese Erkenntnisse in einen unternehmensrelevanten Prozessablauf zu überführen.

Die herkömmlichen Fachanwendungen werden auch weiterhin ihre Rolle als “stabiler Kern” der Unternehmens-IT spielen. Doch mit ihnen allein lassen sich die notwendigen Entscheidungen nicht mit der erforderlichen Geschwindigkeit und Granularität beantworten, geschweige denn in einen Prozess überführen. Hierzu ist es notwendig, die Möglichkeiten der Echtzeit-Analyse, wie sie zum Beispiel die In-Memory-Technologie bietet, mit dem stabilen Kern zu einem neuen digitalen Kern zu verknüpfen. Dieser digitale Kern bildet die Plattform, die Integration, Prozesssteuerung und völlig neue Applikationsentwicklung zur Unternehmensdifferenzierung ermöglicht.

Viele Wege führen zum Ziel

Die digitale Transformation wird durch die Möglichkeiten neuer technischer Plattformen, digitaler Medien und des Internets getrieben. Doch die Technologie ist dabei letztlich nur der Enabler – eigentlicher Motor dieser Entwicklung ist der Mensch, der sie durch sein Benutzerverhalten antreibt. Unternehmen sind also gut beraten, die Digitalisierung nicht nur unter dem rein technischen Aspekt zu betrachten, sondern sie als ganzheitlichen Prozess zu behandeln, der die Mitarbeiter, Kunden und weitere Stakeholder mit einbezieht. Es gibt hierbei keine “One size fits all”-Formel; jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden. Gleichzeitig sehen wir hier jedoch immer wiederkehrende Muster, die jedes Unternehmen in seine Digitalisierungsstrategie mit einbeziehen sollte:

  • Ein kultureller Wandel vollzieht sich inner- sowie außerhalb des Unternehmens. Damit wird das Thema Change Management immer wichtiger, um die Mitarbeiter auf dem Weg der Digitalisierung mitzunehmen.
  • Die Vernetzung und Einbindung neuer Datenquellen, zum Beispiel aus sozialen Medien und Sensordaten, birgt neue Wertschöpfungspotenziale und schafft völlig neue Geschäftsmodelle.
  • Geschäftsprozesse werden neu definiert, was wiederum Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette mit sich bringt.

Die technischen Grundlagen dieser Veränderung – der digitale Kern – sind heute vorhanden. Bedingt durch das anhaltend hohe Tempo der Digitalisierung ist davon auszugehen, dass auch weiterhin in kurzer Zeit sehr viele Innovationen an den Markt gebracht werden, die neue Spielräume für Geschäftsmodelle schaffen. Es ist eine gemeinsame Reise, bei der die Rolle des CIO im Unternehmen wichtiger ist denn je. Denn nur mit dem CIO als Lotsen im Meer der Digitalisierung und mit Geschäftsführung und Fachbereichsleitern an Bord können Unternehmen den digitalen Wandel erfolgreich meistern und ihr Schiff auf Kurs halten. Die Zeit ist reif – lassen Sie uns gemeinsam auf die Reise gehen!