Stefan Pfeiffer

ist Marketing Lead Social Business Europe bei IBM Deutschland und nennt sich selbst "Schreiberling aus Passion".

Zeit für Social Business – Jenseits aller Begriffsdefinitionen

Social Business oder Enterprise 2.0 – oder ein anderer Begriff? Was ist der beste Terminus, um das Konglomerat aus Social Media, privatem Web 2.0 und dem sogenannten Enterprise 2.0 umfassend abzudecken?

Ein neuer Begriff, eine neue Kategorie ist notwendig, denn die bisherigen Worte decken nur Teilaspekte dessen ab, was sich entwickelt hat. Enterprise 2.0 fokussiert sich in der Vergangenheit zu stark auf die Verwendung von Web-2.0-Technologien innerhalb des Unternehmens. Der Aspekt unternehmensübergreifende Zusammenarbeit mit entsprechenden Konzepten und die Kommunikation mit Kunden und Partnern ist bisher in der Definition zu kurz gekommen.

sCRM ist ein Begriff, der genau letzteren Aspekt abzudecken versucht. Social Customer Relationship Management skizziert die veränderte Kollaboration mit Kunden durch soziale Medien, deckt aber den unternehmensinternen Aspekt nicht ab. Social Media wiederum ist sehr stark durch Marketing geprägt. Wie kann ein Unternehmen soziale Medien wie Facebook, Twitter oder YouTube einsetzen, um die eigenen Produkte und Dienstleistungen besser zu vermarkten. Keine der Begriff und Definitionen zeichnet das umfassende Bild: Soziale Medien, Werkzeuge und Verhaltensweisen aus dem Web 2.0 verändern die Art, wie im Unternehmen und wie zwischen Unternehmen und deren Kunden und Partner kommuniziert und zusammengearbeitet wird. Wir befinden uns in einer Phase der Transformation durch soziale Web-2.0-Werkzeuge und das Internet als Transparenzmaschine.

Genau deshalb macht auch ein Überbegriff Sinn, der all diese Aspekte beinhaltet. Und das ist auch meine Stellungnahme auf Quora, wo angestoßen durch Jim Worth eine intensive Debatte unter “What are the distinctions between Social Business and Enterprise 2.0?” entbrannt ist. Verschiedene Leuchttürme der Szene – von Stowe Boyd über Sameer Patel bis Ross Dawson – haben sich dort geäußert. Klint Finley wirft nun auf ReadWriteWeb den Terminus Social Enterprise in die Diskussion, zieht ihn aber quasi sofort wieder zurück, denn ein soziales Unternehmen könne auch eine andere Bedeutung haben: Geschäfte mit einer sozialen Mission machen.

Doch das gilt nicht nur für Social Enterprise. Schon der Begriff Social Business wird entsprechend benutzt. Muhammad Yunus, Nobelpreisträger und Gründer der The Grameen Bank, hat seine “Social Business”-Definition, mit der soziale Probleme durch Unternehmertun adressiert werden soll. Auf Wikpedia wird es kurz so charakterisiert:

In dem Bereich tätige sollen soziale und ökologische gesellschaftliche Probleme lösen. Das Konzept soll den zukunftsfähig machen.

Dass der Begriff schon anders belegt sei, wurde auch in dem ein oder anderen Posting, das ich zum Thema Social Business geschrieben habe, kritisch angemerkt. Daneben gibt es aus meiner Sicht eine weitere, vielleicht typisch deutsche Problematik. Wenn deutsche Manager den Begriff sozial hören oder übersetzen, denken sie bewusst oder unbewusst das istisch daran oder haben Planwirtschaft und einen übermächtigen Betriebsrat im Sinn. Sozial in Kombination mit Geschäft ist hierzulande schwierig. Angekommen auch bei deutschen Managern und deutschen Unternehmen sind aber Facebook und Twitter, Smart Phones und Tablets, Digital Natives und Residents, mündigere Kunden im Web 2.0, selbstbewusstere Mitarbeiter im Enterprise 1.0, die es zu einem Enterprise 2.0 transformieren wollen…

Auch deshalb halte ich aus oben genannten Gründen einen Metabegriff für sinnvoll. Wir befinden uns in einer Transformationsphase, in der Kommunikations-, Kollaborationsformen und Verhaltensweisen, die wir im Web 2.0 gelernt haben, massiv Einfluss auf das Wirtschaftsleben nehmen, auf die Art, wie Unternehmen (und öffentliche Verwaltungen) mit Kunden, Partnern und Bürgern Geschäfte machen.

Es ist Zeit für Social Business,
… auch wenn wir es gerade in Deutschland intensiv erklären müssen und obwohl wir wohl mit zwei Interpretationen leben müssen.

Stefan Pfeiffer ist Market Segment Manager Lotus bei IBM Deutschland. Weitere Meinungen und Erfahrungen von ihm können Sie auch in seinem Blog und hier bei silicon.de nachlesen.



  1. Social Business ist Paradox und das ist Quatsch
    Genau das hat mich am Begriff Social Business auch immer gestört: Die zwei Bedeutungen. Aus kommunikationswissenschaftlicher und sozialpädagogischer Sicht, stehen die beiden Bedeutungen von Social Business sich paradox entgegen.

    Nach Yunus steht ein soziales Unternehmen nicht nur für soziale Unternehmungen, sondern auch für ein soziales, gar menschliches Denken und Handeln von Unternehmen und somit auch sehr für Kommunikation. Diese Kommunikation findet indirekt durch positive Handlungen, oder direkt durch positive Kommunikation und ansprechen von Problemen statt. Hierbei sind vor allem Personen und Projekte oder auch die Umwelt außerhalb der Firma betroffen. Bei Social Business bezogen auf "Enterprise 2.0" ist die Kommunikation nach außen zwar auch an Personen gerichtet, nicht aber mit dem Effekt ihnen was Gutes zu tun (ausgenommen Support), sondern der Firma plump gesagt mehr Geld und/oder ein positiveres Image einzubringen. Schon das widerspricht Yunus’ Definition. Der andere Aspekt des Enterprise 2.0 ist die interne Unternehmenskommunikation der Mitarbeiter auf Basis der angesprochenen sozialen Software. Und genau in diesem Punkt liegt das paradoxe. Wir, als soziale Menschen, die wir uns durch eine ausgebildete Sprache von Tieren unterscheiden, verzichten darauf verbal zu kommunizieren und tauschen uns, ohne uns direkt zu sehen, oder uns gar zu kennen, aus. Soziale Software ist das Gegenteil von sozialem Handeln im Sinne des konservativen Verständnisses von Kommunikation.

    Natürlich ist das Quatsch! Zahlreiche Studien haben belegt, dass soziale Software richtig eingesetzt die Kommunikation sowie soziale Kontakte erheblich fördert (bspw. der SpOn http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,740340,00.html). Mir geht es nur um diese zwei Interpretationen von Social Business. Mir ist der Begriff Enterprise 2.0 zum Beschreiben von fortschrittlichen Unternehmen, wie IBM eins ist, um einiges lieber.

    Der Begriff Enterprise 2.0 deckt meiner Meinung nicht nur die Integration von Web2.0-Technologien und sozialer Software ab, sondern setzt das Unternehmen an sich auch auf eine zweite, höher und weiter entwickelte Stufe. Enterprise 2.0 schließt somit die veränderten Prozesse interner und externer Kommunikation mit ein, sowie alle anderen Veränderungen, denen sich Unternehmen seit dem Mainstream-Einsatz des Internets stellen müssen.

    Ich bitte darum, dass man mir widerspricht! ;)

  2. Social Business oder Enterprise? Hier kommt ein neuer Begriff: Collaboration
    In Kommentaren zu anderen Post zum Thema, hatte ich auf die Probleme mit dem Begriff ‘Social Business’ schon hingewiesen (s. Wikipedia dazu).
    Dan Pontefract hat in einem Post ( http://www.danpontefract.com/?p=681 ) eine Vorschlag gemacht, der vernünftig klingt:

    ‘Let?s call it ?Collaboration?.

    As the noun of the word ?collaborate?, it embodies what Enterprise 2.0 and Social Business strives for, which is people working jointly together to address business, human, customer, employee or societal challenges and opportunities through technology.’

    Nun ist es leider mal wieder so, dass der Begriff ‘Kollaboration’ in Deutschland oder Europa negativ besetzt ist. Wikipedia: ‘Historisch steht der Begriff für die Zusammenarbeit mit dem Feind zu Zeiten eines Krieges oder der Besatzung. In diesem Sinne ?kollaborierende? Personen werden als Kollaborateure bezeichnet.’

    Es wird sich ein Begriff durchsetzen, und das wird in den USA geschehen, wo man auf europäische Befindlichkeiten -wie man aus vielen anderen Zusammenhängen kennt- keine Rücksicht nimmt.