Tapes: Keine Zeit für die Rente

Sie waren schon totgesagt, aber sie haben sich nicht unterkriegen lassen. Im Gegenteil: Bandspeicher werden gebraucht, und deshalb arbeiten die Macher an ihrer Zukunft.

Wer Festplatten verkauft, der sagt, dass Bandspeichermedien ihren Zenit überschritten haben und so langsam ausgemustert gehören. Das ist immer so: wenn das eigene Produkt einen starken Konkurrenten hat, wird der für überholt erklärt. Als Anwender nimmt man es gelassen zur Kenntnis. Für die wenigsten nämlich sind Tapes Geschichte. Technischer Fortschritt und die Pflicht zur Langzeitaufbewahrung verhelfen den mehr als 50 Jahre alten Storage-Komponenten gar zu neuem Schub.

Der Branchenprimus LTO (Linear Tape Open) hat Ende vergangenen Jahres seine Roadmap erweitert und plant in der sechsten Generation 2010/11 Speicherkapazitäten von 3,2 TByte, komprimiert das Doppelte. Die Transfergeschwindigkeiten sollen dann bei rund 270 MBit/s liegen. Derzeit schafft LTO native 400 GByte und Transferraten von 80 MBit/s.

SDLT als größter Konkurrent liegt heute etwa gleich auf, für die Zukunft wirft das Band aber noch mehr in die Waagschale. DLT-S6 soll Mitte 2009 kommen, wenn der Plan aufgeht, und etwa eine Kapazität von 3,5 TByte haben. Mehr noch. DLT-S7 ist schon anvisiert mit rund 6 TByte Speicherplatz. Bei so vielen neuen Superlativen sollte man die Gelegenheit nutzen, zurückzublicken. Soviel Zeit muss sein.

Jahrelang galten die Magnetspeicher als unangefochtene Nummer eins, wenn es um robusten, preisgünstigen Datenspeicherplatz ging. Festplatten waren so teuer, dass sie wirklich nur dort im Einsatz waren, wo es keine Alternative gab. Mit den Jahren – und der Prozess hält heute noch an – hat sich das geändert. Plattenspeicher werden billiger und drängen in Bereiche, die immer schon den Tapes vorbehalten waren: Sekundärer und tertiärer Speicher sowie Archiv. Hinzu kommen heute virtuelle Tapes, also Festplatten, die sich bei Servern als Bänder ausgeben. Bei manchen, unaufmerksamen, Branchenbeobachtern vermittelt das Endzeitstimmung.

Eine kurze Episode?

Soll es das also gewesen sein? Ein wenig mehr als ein halbes Jahrhundert und die Idee, Daten auf Magnetbändern abzulegen, ist passé? Zugegeben, es wäre schon ein langes Leben für die Technologie gewesen, schaut man sich die Halbwertzeit von Produkten heute an. Es muss also was dran sein an den Dingern.

Anfang der 50er Jahre galt das Magnetband als Revolution. Daten konnten plötzlich auf robusten Datenträgern haltbar gemacht werden. IBM stellte dem, der genug Platz in seiner Firma hatte, eine Kleiderschrank große ‘Büromaschine’ in den Flur und 3M entwickelte das passende Computerband. Ganze zwei MByte passten digital auf die Spuren.

Der Reifeprozess ging schnell und Ende der 90er Jahre gab es eine ganze Liste verschiedener Bandtechnologien. Sie hießen unter anderem DAT (Digital Audio Tape) und DDS (Digital Data Storage). Das sind Klassiker ebenso wie Travan, SLR und DLT. Sie konnten für damalige Verhältnisse viele Daten speichern, wobei ein paar MByte schon ‘viel’ war.

Dann war da noch Mammoth mit seiner 8-Millimeter-Schrägspurtechnik, entwickelt von Exabyte und VXA sowie einem kleinen Unternehmen namens Ecrix, das durch die Redaktionen tingelte und die Robustheit des Produkts demonstrierte, indem die Marketing-Verantwortlichen das Band in heißen Kaffee warfen und anhand von Powerpoint-Präsentationen und angeblich verlässlichen Quellen beweisen wollten, dass alle Daten nach dem Kaffeebad wieder herstellbar seien. Ecrix wurde später von Exabyte aufgekauft. Beide Produkte sind allerdings inzwischen nicht mehr als der Vollständigkeit dienend erwähnenswert.

Die dreisten Drei

Ist heute die Rede von Speicherbändern, dann fallen vor allem drei Akronyme: LTO, SDLT und AIT. Advanced Intelligent Tape (AIT) stammt von Sony und hat sich im oberen Midrange festgesetzt, weil es nicht ganz an die Fähigkeiten der das Highend bedienenden Linear Tape Open (LTO) und Super Digital Linear Tape (SDLT) heranreicht. Diese drei Techniken machen es dennoch unter sich aus.

Eine neue Zeitrechnung begann im Jahr 2000. Zuerst stürmte LTO die Charts. Linear Tape Open war in einer Gemeinschaftsproduktion von Hewlett-Packard, IBM und Certance (damals hießen sie noch Seagate) als völlig neue Technologie entwickelt worden. Die erste Generation markierte schon Meilensteine mit Kapazitäten von 100 GByte und Geschwindigkeiten von 20 MBit/s vor. Was die Macher für die Zukunft vorgesehen hatten, mündete in einer beeindruckenden Roadmap.

Ein ernstzunehmender Rivale ließ nicht lange auf sich warten. Quantum hatte seine DLT-Generation um ‘Super’ erweitert und fertig war Super Digital Linear Tape. Der Speicherplatz war so groß wie bei LTO, mit 11 MBit/s war das Band ein wenig langsamer.

TAPEtenwechsel: Ab ins Archiv

Welches der beiden besser war und ist, darüber wird nach wie vor gestritten. LTO wird die bessere Technik nachgesagt, SDLT dagegen konnte sich von Anfang an eine solide und gewachsene DLT-Kundenbasis verlassen. SDLT war außerdem abwärtskompatibel zu den älteren DLT-Laufwerken, während der Admin bei LTO ganz von vorne beginnen musste. Mittlerweile ist es wohl mehr eine Geschmacksache und Firmenphilosophie.

Diese beiden halten gemeinsam mit AIT die Fahne der Bandspeicher hoch, auch wenn die weniger speicherintensiven Bänder wie DAT/DDS laut Roadmap eine Zukunft bis mindestens 2010 haben. Zur Seite springt den Tapes jetzt vor allem die WORM-Technologie (Write Once Read Many). Diese Funktion und das Aufkommen der Compliance-Regeln geben den Bandspeichermedien ein perfektes Arbeitsgebiet vor: das Archiv.

Die Langzeitaufbewahrung von riesigen Datenmengen fordert von den Bändern das, was sie am besten können. Sie sind immer noch günstiger als Festplatten und robuster. Der Admin kann sie aus den Bandbibliotheken herausnehmen und an einen anderen Ort tragen, wenn es sein muss. Das mit Festplatten zu versuchen, wäre datentechnisch glatter Mord.

Die Anbieter haben sich auf das Archiv als nunmehr einziges Spielfeld für Magnetbänder eingestellt. Mit Hilfe der WORM-Funktion können Tapes Daten über viele Jahre sicher abspeichern, ohne das sie über den langen Zeitraum verändert oder versehentlich gar gelöscht werden können. Das ist enorm wichtig geworden seit Vorschriften wie die GdPdU, Basel II oder Sarbanes-Oxley vielen Unternehmen das Leben mit der Datensicherheit noch schwerer machen, als es ohnehin schon ist.

Gefahr durch Optiker – Magneto-optische Speicher kommen

Während sich die Bänder in den vergangenen Jahren ausschließlich mit den Festplatten messen mussten, könnte bald noch ein Rivale aus dem Dunkel auftauchen. Magneto-optische (MO) Speicher sind zwar nicht neu, wurden aber von der Industrie vernachlässigt. Das soll sich ändern, und im vergangenen Jahr haben zwei Techniken von sich Reden gemacht: UDO und PDD. ‘Ultra Density Optical und ‘Professional Disk for Data’ buhlen um die Gunst der Anwender. Wie Tapes halten sie einiges aus, unterstützen WORM und empfehlen sich daher für die Langzeitarchivierung.

Der große Unterschied zu den klassischen Bandspeichern wird auf den ersten Blick deutlich. Sowohl UDO als auch PDD sind nicht so ‘aufnahmefähig’, beide werden in den kommenden fünf Jahren etwa auf eine Speicherkapazität von knapp über 100 GByte kommen. Aufmerksam sollte man die MO-Speicher dennoch beobachten. Sollte es irgendwann zum Showdown zwischen optischen und nicht-optischen Techniken kommen, steht den optischen ein schwerer Gegner gegenüber. Die Bänder haben ihr Stehvermögen bereits bei den Festplatten beweisen, und auch hier werden sie sich dann nicht einfach geschlagen geben.