Der heißeste Wachstumsmarkt der Branche: Online-Games

Die neue Generation der Computerspiele stellt höchste Ansprüche an Entwickler, Spieler, vor allem aber an Soft- und Hardware. Immer mehr Business-Spezialisten entdecken deshalb ihre Gaming-Leidenschaft – allen voran Sun und IBM.

“Ich besitze 27 Spielkonsolen! Mein erstes Video-Spiel habe ich mit 12 an einem Commodore VIC-12 entwickelt, und jetzt, mit 33, gilt meine Leidenschaft immer noch dem Spielen.” Chris Melissinos ist Online-Gaming-Junkie. Einer der sein Hobby zum Beruf gemacht hat, denn Melissinos ist Chief Gaming Officer bei Sun Microsystems. Dort will man, ähnlich wie bei IBM oder Oracle, den Anschluss an einen der heißesten Wachstumsmärkte der IT-Branche nicht verpassen.
Analysten versprechen, dass der globale Markt für Online-Games bis zum Jahr 2009 rasant wachsen wird. Der Branchenspezialist DFC Intelligence geht in diesem Zeitraum von einer knappen Verfünffachung der weltweiten Umsätze aus. 2003 haben die Umsätze mit Online-Games 1,9 Milliarden Dollar ausgemacht, bis 2009 soll das Marktvolumen weltweit auf knapp 10 Milliarden Dollar klettern. Doch der Markt ist noch unreif, schreibt DFC-Analyst David Cole in seinem Bericht. “Online-Game-Unternehmen setzen sich immer noch mit verschiedenen Geschäftsmodellen auseinander.”

Um verschiedene Entwicklungsvarianten auszuloten und je nach Erfolgsausichten voranzutreiben, hat Sun im vergangenen Jahr die ‘Game Technologies Group’ (GTG) ins Leben gerufen. “Die GTG stellt Netzwerk- und System-Expertise für Kunden wie ISPs, ASPs und Spielehersteller bereit, um robuste Netzwerk- und System-Architekturen für Online-Spiele zu entwickeln, die skalierbar, zuverlässig und hochverfügbar sind”, so Constantin Gonzalez, Systems Engineer bei Sun, im Interview mit silicon.de über eine der Aufgaben der GTG.

Gamer treiben auf ‘Schollen’ durchs WWW

Hinter diesem Satz steckt eine der großen Herausforderungen des Online-Gamings der Zukunft. Derzeit erleben die User Online-Games von getrennten ‘shards’ aus, so zumindest nennt es der Fachjargon – am besten lässt es sich mit ‘Scholle’ übersetzen. Das heißt, jeweils 3000 bis 10.000 Nutzer werden auf jeweils einen Server verwiesen, dann sind die Kapazitäten erschöpft. Die Zahl der Spieler, die miteinander agieren können ist – trotz der theoretisch unbeschränkten Möglichkeiten der Online-Vernetzung – stark eingeschränkt. “Verschiedene Spieler können dieselbe Sache anschauen, aber weil sie auf unterschiedlichen ‘Schollen’ sitzen, haben sie eine vollkommen andere Erfahrung”, so Melissinos.

Zum Gamer-Albtraum wird das System bei einem Server-Absturz oder auch wenn nur die Software aktualisiert werden muss. Die Spieler verlieren ihre aktuelle Position und müssen wieder bei Null anfangen. Auch die wirtschaftliche Auslastung der Prozessoren lässt zu wünschen übrig. Denn wie im richtigen Leben auch verteilen sich die Spieler in der Regel nicht gleichmäßig, sondern bilden “Ballungszentren”. So sind manche Server chronisch unter- und andere ständig überbelastet. Für die Game-Provider auch ein finanzielles Problem.

Damit es künftig tatsächlich möglich ist, vom Schreibtisch aus Millionen anderer Spieler zu einem Kräftemessen herauszufordern, ist also ein komplexes Server-Netz nötig, dass nicht nur aufgebaut, sondern auch verwaltet werden will. Eine heikle Aufgabe, denn beim Start eines neuen Online-Spiels lässt sich schwer abschätzen, ob sich 50.000 oder 500.000 Teilnehmer registrieren. Der Bereich Server-Verwaltung wird von Spiele-Betreibern deshalb gerne in andere Hände abgegeben.

Grids und Games: ein vielversprechender Flirt

Das ist der Punkt, an dem Unternehmen wie Sun, Oracle oder auch IBM ins Spiel kommen. So modifizierte Oracle sein Datenbank-Cluster 9i extra für das berühmte Spiel ‘Sims Online’. IBM machte bereits vor zwei Jahren durch eine Kooperation mit Butterfly.net von sich reden. Das Start-up erprobt den Einsatz von Grid-Computing für Online-Games, IBM stellt dafür eine Technologie zur Verfügung. Das sei der “Heilige Gral” für die Gaming-Industrie, heißt es bei Butterfly.net.

Tatsächlich scheint Grid-Computing der Schlüssel zum ganz großen Geschäft mit Online-Games zu sein. Das Prinzip, bei dem mehrere Server als eine Art virtueller Supercomputer zusammenarbeiten, wurde ursprünglich für den Business-Bereich entwickelt. Doch ist es auch für den Aufbau einer grenzenlosen virtuellen Gamer-Welt prädestiniert.

Denn anstatt ein Spiel auf einem einzigen Server beziehungsweise mehreren isolierten Servern zu hosten und damit die Spielerzahl zu begrenzen, werden die Rechenkapazitäten verschiedener Server mehreren Spielen dynamisch zugeteilt. Das ermöglicht es den Anbietern, Millionen Gamer gleichzeitig über ihr Netzwerk zu betreuen. Ein lukratives Geschäft, wenn man bedenkt, dass bei Online-Games neben dem Kaufpreis für die Spiele-CD anschließend auch noch eine monatliche Abogebühr fällig wird.

Sun entwickelt Game-Server

Während IBM die Technologien, die im Rahmen der On-Demand-Strategie für Business-Kunden entwickelt werden, für den Gaming-Bereich modifiziert, geht Sun einen Schritt weiter und arbeitet derzeit am ‘Sun Game Server’. “Wir sehen, dass der Spiele-Markt sich stark in Richtung Netzwerk-Computing entwickelt und dass in Zukunft kaum ein Spiel ohne eine Integration in das Internet auskommen will”, erklärt Sun-Spezialist Gonzalez das Engagement des Unternehmens. Die Hoffnungen ruhen auf der ‘Sun Sim Server Technology’, dem Prototyp eines Gaming-Servers, der speziell für die Bedürfnisse moderner Spiele-Infrastrukturen entwickelt wird.

Dabei bewegt sich auch Sun im Bereich Grid-Computing, um den Spielern eine möglichst grenzenlose Gaming-Welt zu öffnen. Sun setzt dabei auf ein hierarchisches System aus drei Ebenen. Der ‘Object Store’  speichert das Stadium, in dem sich jeder Online-Spieler befindet, die Ebene ‘Simulation Logic’ führt den aktuellen Spielcode aus und entwickelt immer neue Aufgaben. Der Bereich ‘Communications’ ist für den Informationsaustausch der Spieler untereinander verantwortlich.

Online-Games, die auf einem solchen Server laufen, werden über mehrere Prozessoren skaliert, regionale Begrenzungen oder die übliche “Schollen”-Struktur werden damit überflüssig. “Entwickler können die Inhalte der virtuellen Welt ständig modifizieren und ausweiten, während die Spiele-Betreiber schnell so viel neue Server wie nötig einsetzen können, um wachsende Nachfrage zu befriedigen – und das alles ohne das laufende Spiel mit bereits angemeldeten Usern zu unterbrechen”, heißt es in einem White Paper zum Sun Game Server. Völlig unklar ist im Augenblick allerdings noch, wann die Technologie marktreif sein wird.

Kein Zugang ohne  Breitband

Doch die schönsten Game-Server-Visionen helfen nichts, wenn der Internet-Zugang der User in vielen Haushalten noch im analogen Modem-Zeitalter stecken geblieben ist. Die Verbreitung von Breitband-Internet gilt als eine entscheidende Voraussetzung für das Wachstum des Online-Game-Marktes. Wie nicht anders zu erwarten, ist denn derzeit auch Asien der größte Markt der Cyber-Spielbranche, allen voran Südkorea mit der höchsten Durchdringung mit schnellen Internet-Anbindungen.

Das größte Wachstum erwarten die Marktforscher von DFC Intelligence allerdings neben den USA in Europa. Derzeit werden dort nur zehn Prozent des weltweiten Marktes für Online-Games erwirtschaftet.  Das ist nicht zuletzt auf die recht spärliche Verbreitung von High-Speed-Internet zurückzuführen. Deutschland zum Beispiel liegt im Vergleich mit 15 europäischen Ländern mit 12 Prozent Breitband-Penetration derzeit weit abgeschlagen auf Platz 12. Da kriegt die Prinzessin schon mal graue Haare, bis der holde Ritter den Drachen erschlagen hat …