Jim Hagemann Snabe im Interview

Im Interview mit Jim Hagemann Snabe kostet silicon.de den Cocktail “Unwired Enterprise”. Das neue Mixgetränk könnte auch dem Anwender schmecken. Es sieht recht vielversprechend aus, besteht, so viel sei verraten, aus Enterprise Mobility, On-Demand und weiteren Zutaten.

Zum ersten Mal gewährt uns der SAP-Co-CEO Jim Hagemann Snabe eine Privataudienz. Foto: Martin Schindler
Zum ersten Mal gewährt uns der SAP-Co-CEO Jim Hagemann Snabe eine Privataudienz. Foto: Martin Schindler

silicon.de: Hallo Herr Snabe, vielen Dank, dass Sie die Zeit für ein Interview gefunden haben. Bei ihrer ersten gemeinsamen Pressekonferenz auf der CeBIT in Hannover haben Sie berichtet, dass Sie sogar am Ostersonntag mit ihrem Kollegen Bill McDermott telefonieren. Eine gemeinsame Abstimmung ist sicherlich wichtig. Aber hat sich die Zahl der Meetings der neuen SAP-Doppelspitze seitdem noch erhöht, oder sind es jetzt weniger Treffen als noch vor einigen Monaten?

Snabe: Nun, unsere Pläne für Weihnachten stehen noch nicht ganz fest (lacht). Aber im Ernst: Wir sprechen uns immer dann ab, wenn es die Situation erfordert. Manchmal ist das mehrfach täglich, manchmal auch einen Tag lang gar nicht. Als gleichberechtigte Vorstandssprecher treffen wir alle grundlegenden strategischen Entscheidungen gemeinsam. Das erfordert natürlich einen regelmäßigen Austausch und enge Abstimmung.

silicon.de: Nach wie vor ist das SAP-Führungsduo nicht unumstritten. Wie erleben Sie das Regieren im Team?

Snabe: Bill und ich kennen uns seit acht Jahren und wir haben, in unterschiedlichen Positionen, hervorragend zusammengearbeitet. Das setzen wir als Co-CEOs fort. Wir pflegen einen sehr vertrauensvollen und offenen Umgang miteinander, und wir ergänzen uns perfekt in unseren Fähigkeiten. Das ist ganz entscheidend. Dadurch kommen wir zu besseren Entscheidungen, die wir gemeinsam dann auch schneller und konsequenter umsetzen können. Diese Art von Teamwork versuchen wir auf unsere Mitarbeiter zu übertragen. Unsere Aufgabe ist es, ihnen eine klare Orientierung zu geben und den richtigen Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen sie eigenverantwortlich gestalten können.

silicon.de: Die Beziehung zu den Kunden hatte durch die Debatte um Enterprise Support gelitten. Anfang des Jahres kehrte SAP nach einem langen Tauziehen zurück zu einem optionalen Supportmodell. Nun wurde eine neue Methodologie erarbeitet, um den Nutzen von Enterprise Support nachzuweisen. Wird Kundennähe bei der SAP wieder großgeschrieben?

Snabe: Kundennähe ist für uns oberste Priorität. Der Wunsch unserer Kunden war ganz klar: Sie wollten Wahlmöglichkeit. Deshalb war die Rückkehr zum optionalen Supportmodell richtig und wichtig! Außerdem haben wir mit der Hilfe von SUGEN, der Dachvereinigung unserer globalen Anwendervereinigungen, den Mehrwert von Enterprise Support wesentlich transparenter gemacht. Keiner unserer Wettbewerber bietet heute etwas Vergleichbares. Die Zufriedenheit unserer Kunden und die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter sind ganz zentral für unseren Unternehmenserfolg. Und beides geht Hand in Hand. Unsere Kunden erwarten, dass wir zuhören und ihre Bedürfnisse verstehen. Und unsere Mitarbeiter wollen den direkten Draht zu unseren Kunden. Deshalb bringen wir die Produktentwicklung jetzt wieder wesentlich näher an unsere Kunden. Es gibt von Anfang an einen engen Austausch, damit unsere Produkte schließlich den maximalen Nutzen für unsere Kunden bringen.

silicon.de: Gibt es auf lange Sicht Pläne, das obligatorische Support-Modell für Enterprise Support wieder einzuführen?

Snabe: Wir bieten unseren Kunden die Wahl – das schätzen sie sehr. Warum sollten wir da was ändern? Weltweit haben sich mehr als 80 Prozent unserer Kunden seitdem für Enterprise Support entschieden. Das bestätigt uns in unserer Überzeugung, dass Enterprise Support das beste Wartungsangebot für unsere Kunden ist.

silicon.de: SAP hat Sybase gekauft und ist dabei, SAP Business ByDesign im großen Stil auf den Markt zu bringen. Damit sind auch schon zwei Megatrends benannt: Mobility und SaaS. Muss SAP hier langfristig das Supportangebot an diese beiden Delivery-Formen anpassen?

Snabe: Bei On-Demand-Modellen wie bei SAP Business ByDesign kümmert sich SAP um die Wartung, ohne dass sich der Kunde damit beschäftigen muss. Genau dieses Paket aus Software und Services macht diese Lösung für viele Kunden gerade im Mittelstand so attraktiv. Sie müssen keine eigene IT-Abteilung unterhalten und zahlen monatsweise für die Nutzung. Die dadurch frei werdenden Ressourcen können die Unternehmen für Investitionen in Wachstum nutzen. Mobility wird der nächste große Innovationsschub für Unternehmensanwendungen. Die mobile Form des Zugriffs auf Unternehmensanwendungen werden wir unseren Kunden und ihren Mitarbeitern gemeinsam mit Sybase ermöglichen. Ob das Auswirkungen auf das Supportmodell haben wird, lässt sich aktuell nicht sagen.

silicon.de: Wenn wir schon dabei sind, in die Glaskugel zu blicken: Gartner und Forrester sprechen davon, dass SAP Business ByDesign noch zehn Jahre brauchen wird, um einen nennenswerten Marktanteil zu erkämpfen. Wenn es so wäre, würde Ihnen das reichen? Oder hoffen Sie, schneller einen größeren Markt mit On-Demand-Angeboten erreichen zu können?

Snabe: Wir halten uns mit Prognosen bewusst zurück. Wir haben SAP Business ByDesign Ende Juli mit der Ankündigung der neuesten Versionen in sechs Märkten allgemein verfügbar gemacht. Nun kommt es darauf an, das Produkt am Markt zu etablieren. Dass das gelingt, steht für uns außer Frage. Eine wichtige Rolle kommt dabei unseren Partnern zu. Ihnen werden wir es ermöglichen, SAP Business ByDesign nicht nur zu verkaufen und einzuführen, sondern es in einer integrierten Entwicklungsumgebung beispielsweise für bestimmte Branchen anzupassen und entsprechend zu vermarkten. Daraus ergibt sich für unsere Partner ein sehr attraktives Geschäftsmodell und für unsere Kunden entsteht so ein sehr umfassendes On-Demand-Angebot.

silicon.de: Reinrassige On-Demand-Angebote sind eine Sache. Weitaus realistischer sind in meinen Augen jedoch hybride Ansätze, wo klassische Anwendungen durch einzelne On-Demand-Module ergänzt werden. Schließlich ermöglicht das den Unternehmen, sich in kleinen Schritten an diese neue Distributionsform heranzuarbeiten… Wie sehen Sie das?

Snabe: Sie haben völlig Recht! Das was Sie beschreiben, ist ein entscheidender Teil von SAPs Produktstrategie. Unsere Großkunden wollen beides – eine integrierte und leistungsfähige On-Premise-Suite für ihre zentralen Geschäftsprozesse wie ERP, und als Ergänzung dazu leicht anzubindende On-Demand-Anwendungen, mit denen sie zwar wichtige, aber nicht unmittelbar geschäftskritische Prozesse steuern können, zum Beispiel Reisekostenabrechnungen, Bestellungen, das Management von Kundendaten oder die Regulierung des CO2- Ausstoßes. Daher haben wir bereits Anfang vergangenen Jahres einen eigenen Geschäftsbereich gegründet, der sich darum kümmert, solche On-Demand-Anwendungen zu entwickeln. Im Mittelstand sieht es ein Stück weit anders aus. Hier sehen wir einen großen Bedarf nach einer On-Demand-Suite, die alle Kernprozesse standardmäßig abdeckt. Häufig sind das Unternehmen aus der Fertigung, dem Handel oder der Dienstleistungsbranche mit jeweils 100 bis 500 Mitarbeitern, die in den vergangenen Jahren ein rasantes Wachstum hingelegt haben, das ihre IT, in der Regel Legacy-Systeme, nicht mehr schultern kann. Sie wollen sich so wenig wie möglich um IT kümmern, sondern vielmehr darum, ihr Wachstum weiter voranzutreiben. In dieses Segment gehen wir mit SAP Business ByDesign. Um aber auch diesen Unternehmen den Einstieg in die On-Demand-Welt leicht zu machen, haben wir sogenannte Starter Packages für SAP Business ByDesign auf den Markt gebracht, die schrittweise erweitert werden können.

silicon.de: Dennoch wird SAP auch weiterhin an große, global agierende Unternehmen Komplettlösungen vertreiben?

Snabe: Selbstverständlich! Für unsere Großkunden ist und bleibt eine integrierte On-Premise-Suite, die an bestimmten Stellen durch On-Demand-Anwendungen sinnvoll ergänzt wird, auf absehbare Zeit der richtige Weg. Wir wollen allerdings nicht wie einige unserer Mitbewerber zu einem Komplettanbieter für den gesamten Stack werden, von der Hardware über Datenbanken und Middleware bis hin zu den Anwendungen. Die IT-Landschaften unserer Kunden sind heterogen. Sie wollen Wahlfreiheit, und die bieten wir ihnen gemeinsam mit unseren Hardware- und Softwarepartnern.