Gebrauchte Software: Anwender in der Pflicht

Im Oracle-Usedsoft-Verfahren hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun die schriftliche Begründung seines Beschlusses vorgelegt (Az. I ZR 129/08). Gegenstand ist die Frage, ob der Handel mit gebrauchten Software-Lizenzen zulässig ist. Der BGH konnte die Frage nicht klären und hat sie an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) weitergegeben. Ein Kommentar von Axel Oppermann, Advisor der Experton Group.

Weder die Händler von gebrauchter Software noch die Softwareindustrie oder die Anwender (!) haben es in den vergangen zehn Jahren geschafft, einen verbindlichen Rahmen und ein – für alle Teilnehmer – akzeptierbares Umfeld für den Handel mit gebrauchter Software zu schaffen. Leicht, aber viel zu einfach wäre es, nur auf die Industrie zu schimpfen: Eine fehlende Aktivität und Bereitschaft zur Opposition und somit eine Teilschuld am Marktversagen muss auch den Entscheidern in Anwenderunternehmen zugesprochen werden.

Auch die Anwender sind in der Pflicht, diesen Markt zu entwickeln. Viele von ihnen wollen zwar einerseits von den Vorteilen profitieren, sind aber auf der anderen Seite nicht bereit, klar Position zu beziehen und ihrer Marktposition gerecht zu werden. Es geht hierbei um vielmehr als um einige gesparte Euro oder einige alte Lizenzen – das ist zwar auch wichtig, aber zweitrangig. Es geht um Emanzipation von Industrie und Anwender. Es geht um Verhandlungspositionen bei der nächsten Erhöhung der ‘Wartung und Support’-Sätze und Themen wie die “Drittwartung” von Software, und das Durchbrechen des Angebots-Oligopols. Eine wesentliche Grundlage unseres Wirtschaftssystems ist der freie Handel und der ungestörte Austausch von Erzeugnissen, Produkten und Dienstleistungen. Hierzu sollte auch der Handel mit Software zählen.

Aus Angst vor Restriktionen (Audits) scheuen viele der mächtigen IT-Manager eine öffentliche Diskussion. Die Folge ist ein asymmetrischer Markt, der mittelfristig ein Nischendasein fristen muss. Der Markt wird sich nur dann essentiell weiterentwickeln, wenn auch die Anwender ihren Beitrag erbringen. Sie sind keine Bittsteller, sondern Kunden der Softwareindustrie mit konkretem Bedarf. Ziel muss ein Konsens sein, der die Interessen aller Beteiligten sicherstellt.

Dass auf die Rechtsprechung kein Verlass ist, hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 3. Februar 2011 nachdrücklich bewiesen. Der (BGH) konnte kein Urteil darüber fällen, ob “gebrauchte Download-Software” ohne Zustimmung des originären Herstellers weiterverkauft werden darf und hat zu Klärung der Sachlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) verwiesen. Auch wenn die Vorlage der Entscheidung an den EuGH aus Sicht der Rechtsgelehrten sicherlich konform, angemessen und richtig ist, ist diese abermalige Vertagung der unangenehmste anzunehmende Unfall.

Überraschend ist allerdings weniger die Involvierung des EuGH, sondern vielmehr die Reaktionen der Softwareindustrie und Händler der gebrauchten Software. Die sonst so entzweiten Lager sind weitestgehend mit der der Nicht-Entscheidung des BGH zufrieden. Spätestens jetzt sollten sich Budget und IT-Verantwortlichen nachdenklich zeigen.

Cui bono – oder zu wessen Vorteil?

Das Wohlbehagen der Protagonisten ist leicht zu begründen: Durch den Verweis an den EuGH wird der Status quo beibehalten. Hiervon profitieren sowohl die Hersteller als auch die Händler der gebrauchten Lizenzen. Die Hersteller werden es weiterhin schaffen, ein allzu großes Angebot und signifikante Nachfrage zu verhindern. Sie werden auf ihre Lizenzbedingungen hinweisen und etablierte Kommunikationsinstrumente einsetzen. Wäre das Urteil pro gebrauchte Software ausgefallen, wäre der Markt unkontrollierbar aufgeblüht.

Ein Richterspruch gegen den freien Handel mit gebrauchter “Download-Software” hätte das Tagesgeschäft der Händler nicht betroffen, da die relevanten Produkte gegenwärtig nicht im Fokus der Handelsgeschäfte stehen. Aus Sicht der Händler ist ein umfassendes Urteil auch nicht zwingend zielführend.

Gelänge die Rechtsprechung zu der Überzeugung, dass der Handel erlaubt ist, würden zahlreiche neue Anbieter (die bereits Gewehr bei Fuß stehen) auf dem Markt erscheinen. Die Folgen wären ein wettbewerbsintensives Marktumfeld, fallende Preise und ein Verlust der erreichten Komfortzone. Umgekehrt würde ein Verbot kurz- bis mittelfristig zu deutlichen Umsatzrückgängen führen. Also scheint doch die Vertagung der Entscheidung, die bis zur Klärung laut Aussagen von Rechtsgelehrten locker zwei Jahre dauern kann, für alle Beteiligten von Nutzen.

Für ALLE? Nein, eine kleine Gruppe von Marktteilnehmern – namentlich die über drei Millionen Anwenderunternehmen in Deutschland – sind im Nachteil. Sie können ihre überzähligen Lizenzen nicht vollumfänglich und frei handeln, gebrauchte Software uneingeschränkt erwerben, und hierbei von transparenten und fairen Preisen ausgehen.

Signalwirkung für viele Facetten am IT-Markt

Die Entwicklungen am Markt für gebrauchte Software haben auch Auswirkungen auf andere Themen im Kosmos der Unternehmens-IT und den Beziehungen zur Industrie. Ziel ist die oftmals zitierte Augenhöhe. Es gilt dabei, die Interessen aller Beteiligten zu wahren. Wildwest-Methoden sind – egal von welcher Partei – nicht zu akzeptieren. Bezogen auf den Markt für gebrauchte Software muss die Wirklichkeit – also der Markt – schneller werden, als die juristische Diskussion. Hierzu müssen sich alle Beteiligten – auch die Anwender – einer zielführenden Aussprache stellen. Ziel muss es sein, einen marktkonformen Konsens zu finden. Ein Rückblick auf die vergangenen Jahre zeigt, dass Aktionen mit Debattierclub-Charakter keinen Nutzen stiften.