Open Source aber nicht linientreu: PHP 2007

silicon.de: Am 13. Juli haben Sie verkündet, dass der Support für PHP 4 nur noch bis 31. Dezember 2007 fortgesetzt wird. Welche Reaktionen hat es darauf gegeben?

Suraski: Es gab nur sehr wenige Reaktionen und die waren recht moderat. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Nachricht bis in die Tiefen der Anwendergemeinde vorgedrungen ist, denn ich hatte mehr Reaktionen, positive wie negative, erwartet. Wir bei Zend achten sehr auf Meldungen von Leuten, die geschäftskritische Anwendungen auf PHP laufen lassen, und werden unser Bestes tun, um sie bei einer erfolgreichen und möglichst reibungslosen Migration zu unterstützen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch darauf hinweisen, dass der Termin 31. Dezember 2007 eigentlich keine große Bedeutung hat, da bereits heute praktisch keine neuen Funktionen mehr für PHP 4 herausgebracht werden. Das wichtigere Datum ist der 8. August 2008, weil ab dann keine Sicherheits-Updates mehr für PHP angeboten werden, sodass es erheblich schwieriger sein wird, es dann noch weiterhin einzusetzen.

silicon.de: Sie haben PHP 3 unter GPL lizenziert, aber Version 4 unter PHP-Lizenz. Was waren die Gründe dafür?

Suraski: Wir waren nicht sehr glücklich mit dem Einfluss, den GPL auf PHP hatte. Es hat die Verbreitung und Durchdringung von PHP in bestimmten Anwendungsgebieten wie kommerziellen Unternehmen eingeschränkt. Generell lässt sich sagen, dass alle führenden Entwickler von PHP eher das Konzept “Freie (Software)Wahl für alle” unterstützen als das Credo “Software sollte kostenlos sein”, das heißt, wir gehören mehr in die BSD-Ecke als in die GPL-Ecke. Die PHP-Lizenz ist nach dem Vorbild der BSD-Lizenz aufgebaut.

silicon.de: Wird es jemals wieder eine GPL-Version von PHP geben?

Suraski: Sehr unwahrscheinlich.

silicon.de: Was halten Sie von GPL 3?

Suraski: Ich habe eigentlich keine klare Meinung zu GPL 3. Wie gesagt, die meisten wichtigen Leute von PHP setzen auf die einfachere, schlankere BSD-Lizenz und versuchen sich aus Diskussionen über GPL rauszuhalten. Ich denke, es ist logisch, dass die Leute, die ihre Software unter GPL Version 2 lizenziert haben, sich für GPL Version 3 aussprechen, egal, ob sie wechseln wollen oder nicht. Bisher sieht es so aus, als ob die Akzeptanz nur schleppend vorankommt, aber solche Dinge brauchen Zeit.

silicon.de: Java ist eine große Sache in den Unternehmen. Warum sollten Entwickler (und Unternehmen) PHP statt Java einsetzen?

Suraski: Einfach, weil es das bessere Werkzeug für die Aufgabe ist, wenn es um Web-Anwendungen geht. Anders als Java wurde PHP von Grund auf für serverseitige Web-Anwendungen konzipiert und hat niemals versucht, eine Ende-zu-Ende-Lösung zu sein wie Java es anstrebt. Deswegen ist PHP erheblich einfacher als Java, insbesondere bei der Erstellung von Web-Anwendungen, was sich in erheblich kürzerer Entwicklungszeit, einfacherer Pflege und schnellem Lernerfolg niederschlägt. Wenn man mit kommerziellen Unternehmen zu tun hat, lässt sich all dies in einem Wort zusammenfassen – Geld. Der Einsatz von PHP wird ihnen ganz einfach eine Menge Geld sparen – eingesparte Zeit ist Geld, eine höhere Anwendungsqualität (wegen einfacherer Pflege) ist Geld und man kann sogar seinen Entwickler ein geringeres Gehalt zahlen, da sie mehr Spaß an der Arbeit haben. Na gut, letzteres sollte man vielleicht lieber lassen …

silicon.de: Wird PHP es bis auf den Desktop schaffen? Wird PHP eine Konkurrenz für Visual Basic werden?

Suraski: Man kann nie wissen, aber ich halte es für unwahrscheinlich. Auch heute sehen wir das PHP-Projekt in erster Linie als eine Sprache für das Web und statten es entsprechend aus. Wir haben schon früh erkannt, dass das Web die Zukunft der Computersoftware ist. Da wir uns darauf konzentriert haben, konnten wir die beste Web-Plattform der Welt entwickeln. Natürlich kann man PHP auch für andere Dinge nutzen wie Shell-Scripts oder auch Desktop-Anwendungen, aber das kommt nur in Ausnahmefällen vor. Wir freuen uns über die Beiträge, die die Einsatzmöglichkeiten von PHP für die Desktop-Entwicklung verbessern (wie die gute alte PHP-GTK-Erweiterung), aber wenn wir über eine solche Funktionserweiterung entscheiden müssen, ist die erste und alles entscheidende Frage, ob diese Funktion PHP gleichzeitig komplizierter machen wird, insbesondere für die Web-Entwicklung. Wenn die Antwort darauf “Ja” lautet, werden wir diese Erweiterung wahrscheinlich nicht übernehmen.

silicon.de: IBM ist ein großer Fan von PHP – wie kommt das?

Suraski: IBM ist mit Sicherheit eines der interessantesten Unternehmen, mit denen ich jemals zu tun hatte. Was man als Erstes begreifen muss, ist die Tatsache, dass IBM riesig ist. Nicht nur groß, sondern riesig. Sie haben weltweit Hunderttausende von Mitarbeitern und sind damit größer als einige Länder dieser Welt. Bisher haben wir mit verschiedenen Sparten bei IBM zusammengearbeitet (Emerging Technologies, die Datenverarbeitungsgruppe und das i5/System i). Sie alle unterstützen PHP aus dem gleichen Grund in verschiedenen Ausprägungen. Das Emerging-Technologies-Team glaubt fest daran, dass das Scripting im Allgemeinen und PHP im Besonderen eine Schlüsselrolle in der Zukunft des Webs und bei Mashups spielen wird. Die Datenverarbeitungsgruppe möchte der riesigen Anwenderbasis von PHP die Leistungsstärke von DB2 und Informix näherbringen, um ihnen die Entwicklung mächtigerer Anwendungen zu ermöglichen. Und für die Gruppe System i ist PHP die Sprache der Wahl, um die i5-Plattform zu modernisieren und webfähig zu machen.

Der gemeinsame Grund aller dieser Argumente ist, dass diese so verschiedenen Sparten ein riesiges Potenzial in der PHP-Technik sehen und Teil dieses Ökosystems werden möchte, sowohl um seine Richtung mitzubestimmen als auch um davon zu profitieren.

silicon.de: Wie macht sich die Zusammenarbeit mit IBM?

Suraski: Das klappt sehr, sehr gut. Während ich Ihre Fragen beantworte, bin ich gerade auf einer von IBM organisierten eintägigen i5-Konferenz in Rom, auf der i5-Anwender über die PHP-Funktionalitäten informiert werden, die ihnen heutzutage zur Verfügung stehen. Nächsten Monat werde ich eine der größten i5-Konferenzen der Welt in der Nähe von Tokio in Japan leiten. Unsere Beziehung zu den Teams für Emerging Technologies und Datenverarbeitung sind sehr fruchtbar und anregend. Es wird schon bald eine Reihe interessanter Dinge von Zend und IBM geben – bleiben Sie dran!

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Silicon-Redaktion

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