Rückblick auf die Lotusphere 2012

Als eines der ersten großen IT-Unternehmen zeigte die IBM sehr frühzeitig ihre sehr interessanten Visionen unter der Bezeichnung “Vulcan” auf: “Wie werden Mitarbeiter innerhalb ihrer Unternehmen, mit ihren Partnern und ihren Kunden in Zukunft kommunizieren, zusammenarbeiten und Informationen austauschen?” Die Trends, die zu dieser Zeit benannt wurden und nun in vielen Bereichen Realität geworden sind, waren bzw. sind Mobilität, Apps (in jeglicher Form und auf jeder Plattform), HTML5 und Cloud Computing. Ein wichtiger Einflussfaktor für die Entwickler sind auch die vor allem im privaten Bereich eingesetzten Plattformen Facebook, Twitter sowie Google mit seinem Produktportfolio.

Das bisherige Kernprodukt Lotus Notes war in den vergangenen Jahren für die “Gegner” ein willkommener Feind und die Befürworter des Produkts hatten oftmals einen sehr schweren Stand, ihr Produkt im eigenen Unternehmen zu vermarkten. IBM schwenkt nun in vielen Bereichen von der bisherigen Linie ab und modernisiert ihre “Notes”-Anwendungen, ohne aber komplett ihre bisherige Basis zu vergessen.

Denn der Notes Client ist fett, entspricht nicht mehr den Anforderungen der heute üblichen leichten Browser-Anwendungen und ist alles andere als einfach zu administrieren. Dazu ist das Layout recht altbacken und oft mit eher technisch orientierten Funktionen überladen. Apple zeigte der IT-Branche, dass z.B. ein Kalender sehr einfach aufgebaut und funktional beschränkt sein kann und die Benutzer ihn trotzdem lieben und benutzen. Diese Aussage ist eine Erkenntnis einer der Keynote-Speaker auf der Lotusphere und spiegelt sich in den vorgestellten Neuentwicklungen wider.

Lotus Notes wird es auch weiterhin geben – das seit Jahren wiederholte Statement der IBM. Es wird entsprechend der neuen Social-Business-Strategie mit entsprechenden Funktionen erweitert und an das neue IBM Software Layout angepasst.

Die neue Leitplattform der IBM ist aber eindeutig Connections. Was zeichnet aber nun Connections aus? Als zentralen Einstieg enthält es ebenso wie der Notes Client den “Activity Stream”. In diesem Stream werden alle Informationen, die der jeweiligen Benutzer für seine Arbeit benötigt, gebündelt dargestellt, so wie es heute viele Anwender bereits aus Facebook, Google+ usw. kennen. In diesem Stream befinden sich die E-Mails, Diskussionsbeiträge, weitere IBM und Nicht-IBM Anwendungen und ihre Daten usw.

Diese neue Art auf Informationen zuzugreifen und zu arbeiten, wird sicherlich in den kommenden Wochen und Monaten einen erheblichen Diskussionsbedarf mit sich bringen. Denn ohne Aufwand auf Seiten der Entwickler wird es nicht gehen. Außerdem sehe ich eine Gefahr in der Informationsüberflutung der Anwender. Sicherlich werden durch das neue Konzept – richtig angewendet – weniger E-Mails beim jeweiligen Benutzer landen. Dafür erhält dieser in seinem Stream zusätzliche Informationen aus allen möglichen weiteren Quellen. Wer intensiv mit den bekannten Social Networks arbeitet, musste bald erkennen, dass Informationen nur so an einem vorbeirauschen. Es ist einfach nicht möglich alle Informationen zu lesen und zu erfassen.

Aber wie sieht es im Unternehmenskontext aus? Auch hier gibt es Informationen, die nicht zwingend notwendig sind für die eigene Arbeit. Aber es gibt vor allem Informationen und Aufgaben, die nicht vorbeirauschen dürfen. Die Mitarbeiter werden sich sehr schnell beschweren, wenn die Urlaubsanträge im Stream des Vorgesetzten untergegangen sind. Der Activity Stream bietet hier Möglichkeiten, dass dies nicht passiert. Aber es ist kein Selbstläufer. Genauso wie bei der Nutzung von E-Mail besteht die Gefahr, dass die Informationsflut zu groß wird und damit nicht mehr beherrschbar ist. Das bedeutet für Unternehmen, dass sie bei der Einführung des Activity Streams Nutzungskonzepte und Anwenderszenarien sowie Trainings entwickeln werden müssen.

Ein weiteres erwähnenswertes und mich beeindruckendes Produkt ist IBM Docs. Der große Unterschied zum sonst sehr ähnlichen Konkurrenten Google Docs ist, dass IBM Docs auf den eigenen Server installiert werden kann und somit Dokumente nicht mehr auf externen Servern verarbeitet werden müssen. An die lokal zu installierenden Office Pakete reichen die beiden Docs-Produkte allerdings noch nicht heran.

Was habe ich nun von der diesjährigen Lotusphere mitgenommen? Wie viele andere Konferenz-Teilnehmer bin ich mit einer sehr positiven Stimmung von der Konferenz wieder abgereist. Es ist vor allem der wichtige Eindruck entstanden, dass die IBM entsprechend der eigenen Visionen und Ankündigungen die versprochenen Produkte nun endlich auf den Markt bringen wird. Das neue Layout wirkt modern und ist ein großer Schritt nach vorne. Die oben genannten Trends wurden aufgegriffen und in teils neue aber auch in den bestehenden Anwendungen umgesetzt. Nun müssen die vorgestellten Produkte und Updates zügig folgen, damit diese positive Stimmung bei Anwendern und Partnern nicht verloren geht. Die anwesende Konkurrenz hat sich auf den Fluren viel Mühe gegeben, darauf hinzuweisen, dass auch sie in den Startlöchern stehen. Sie werden jedoch weit springen müssen, um zumindest gleichzuziehen.

Silicon-Redaktion

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