Schätzen Sie noch oder messen Sie schon?

Auch wenn die Systemverfügbarkeit während der normalen Arbeitszeit bei über 99 Prozent liegt, muss beim Anwender im Unternehmen IT-technisch noch längst nicht alles im grünen Bereich sein. Der will ja nicht wissen, ob der Server dauerhaft verfügbar ist, sondern ob er eine entsprechende Anwendung an seinem Arbeitsplatz nutzen kann, wenn er es möchte. Er erwartet von der IT, dass sie genau die Services bietet, die seine Performance und Usability unterstützen, damit er seinen Job vernünftig erledigen kann.

In Gesprächen mit IT-Leitern habe ich häufig die Erfahrung gemacht, dass die Erwartung des Mitarbeiters, also des internen “Kunden”, die IT noch vor einige Herausforderungen zu stellen scheint bzw. hier ganz unterschiedliche Erwartungen und Interpretationen aufeinandertreffen. Zugegebenermaßen ist es auch nicht ganz einfach, von heute auf morgen auf Anwenderzufriedenheit zu setzen. Denn meines Erachtens wirken hier mehrere Aspekte aufeinander ein, die es zu beachten gilt.

Zum einen glaube ich, richtet sich der Service-Anspruch an die IT stark danach, wie das Unternehmen generell in punkto Serviceorientierung tickt. Handelt es sich um ein Dienstleistungsunternehmen, werden Mitarbeiter auch stärker auf die interne Serviceorientierung durch die IT achten. Auch Organisationen mit großem Außendienst haben wahrscheinlich ein höheres Servicebedürfnis. Sie selbst sind ja auch gefordert, das tagtäglich ihren eigenen Kunden zu liefern. Zum anderen kommt es bei der Ausrichtung auf die Anwenderzufriedenheit nicht allein auf das Können der IT an, sondern es geht auch um die Zusammenarbeit mit dem Anwender und Fachbereichen.

Das Arbeitsumfeld der Mitarbeiter selbst müsste ganz konkret miteinbezogen werden, um überhaupt valide Einschätzungen beispielsweise zum Gesundheitszustand einer Applikation zu erhalten. Mit guter Vorbereitung – zum Beispiel Umfragen – ist das ja zu machen. Aber wie kann die IT Anwenderzufriedenheit jetzt auf eine greifbare Ebene z.B. für das Management stellen? Sie messen und entsprechende Kennzahlen für das Business entwickeln, obwohl Personal und Budgets knapp sind?

Es gibt einige, die das schon gut für sich gelöst haben und Anwenderzufriedenheit als messbaren Wertbeitrag für das Unternehmen definieren können. Sie sind meines Erachtens mit zwei wichtigen Voraussetzungen daran gegangen:

  1. Sie begreifen sich als Dienstleister und konnten mit Hilfe der Fachbereiche die Sicht des Endanwenders einnehmen. Damit waren sie auch in der Lage, anstatt die Verfügbarkeit von Backend-Systemen nun die Nutzung einer Anwendung in Echtzeit direkt am Desktop zu messen.
  2. Sie haben mit den Fachbereichen (z.B. beim Finanzgeschäftsführer) entsprechende SLAs abgeschlossen. Machen damit die “Enduser Experience” nicht nur zu einem strategischen Thema, sondern können auch anhand nicht rein technischen Kennzahlen Business-relevanter argumentieren – zum Beispiel wenn es um die nächste Budgetrunde geht.

Insgesamt sind das aber immer noch sehr wenige. In unserem aktuellen Report “IT-Reality Check – Anwenderzufriedenheit in der Reifeprüfung”, haben wir erfahren, das die sogenannte Enduser Experience ein Wesensmerkmal jeder guten IT-Organisation ist, aber eben auch, dass nur ein sehr geringer Teil überhaupt End-to-End-Messungen aus Sicht des Endanwenders durchführt. Ich frage mich jetzt, wenn denn wirklich der Stellenwert so hoch ist, auf welcher nachweisbaren Grundlage gestaltet sich dann die Zusammenarbeit zwischen IT und Business?

Silicon-Redaktion

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  • ...und die Notwendigkeit steigt durch flexiblere IT Strukturen
    Immer mehr Unternehmen untersuchen die Möglichkeiten der Nutzung von Cloud Services, investieren in deren Einführung oder nutzen sie bereits.
    Dabei ist es unerheblich, ob es sich um SaaS Modelle wie salesforce.com oder den "Kauf" von Rechnerleistung in der Cloud handelt (e.g. Amazon), Fakt ist, dass die IT selbst immer weniger Kontrolle über die erwähnten Backend Systeme hat. Sie entziehen sich ihrem direkten Zugriff und können auch nicht mehr gemonitort werden.
    Gerade in diesem Szenario wird es auch für die IT wichtig eine End to End Betrachtung aus User Sicht durchzuführen. Neben der Anwenderzufriedenheit, die sicherlich massgeblich durch Applikations Performance und Verfügbarkeit beeinflusst wird, zählt nun auch die Messung der Qualität des Service Partners, welche Auswirkungen auf Kosten, Pönalen etc haben kann.

    Fazit: Je mehr IT Services teils oder ganz durch Cloud Services zusammengestellt werden, desto wichtiger wird eine Messung der Service Verfügbarkeit und Qualität aus Nutzerperspektive!

  • Nutzbarkeit im Konflikt mit Verfügbarkeit
    Guter Artikel,

    die Problematik welcher wir tagtäglich immer noch begegnen ist, dass meist der IT Fokus auf der Verfügbarkeit liegt im Sinne von SAL auf Server, Applikation, Netzwerk Basis. So werden dann auch SLA gestaltet.
    Dabei wird der Kundenblick aussen vor gfelassen. Was nützt es dem Geschäftsprozess wenn ein Server oder eine Netzwerk laut IT verfügar und im Rahmen der monatlichen SLA liegt, wenn der Nutzer ( Konsument) am Endpoint den Gesamt-Service (Kombination aus Hardware, Applikationen, Netzwerk etc etc) im Geschäftsprozess nicht im Tagesgeschäft BE-Nutzen kann in der notwendigen und gewünschten Qualität und Zuverlässigkeit.
    So kommt na schnell in die Argumentation von Äpfeln und Birnen.
    "Der Server läuft, ja mein Netzwerk auch", der Konsument kann aber seinen Service zur Job-Ausführung nicht in hoher und benötigter Qualität nutzen.
    Ergo, Porduktivitätsausfall im Geschäaftsprozess und unzufriedenen Anwender.

    Es wird Zeit, dies zu ändern und den Kunden in den Mittelpunkt der Leistung zu stellen, er bezahlt schliesslich dafür

  • Kommentar von Aldo F.
    hieße das dann gemäß Ihres Fazits, dass durch die immer flexibler werdende IT-Infrastruktur hier künftig ein Monitoring des Backends, also z.B. der Server- Verfügbarkeiten - bald ganz obsolet würden?

  • Backend-Monitoring überflüssig
    Liebe Silvia Hänig,

    soweit würde ich nicht gehen. BAckend-Monitoring bleibt wichtig - aber eben für die Experten zur Optimierung. Aus Nutzerperspektive ist es sicher weniger bedeutend.

  • Wo bleiben die weichen Faktoren?
    Vor der Messung sollte die Erwartung an das Ergebnis definiert sein, denn ohne Ziele gibt es bekanntlich keine Treffer. SLA oder interne Verträge scheinen geeignet, aber genau auf eine definierte Antwortzeit, die dann zu jeder Tageszeit gilt, wird sich die IT nicht einlassen (können). Es trifft alles zusammen was möglich ist: Performance = ( Server + Anwendungen + Infrastruktur + Leitungskapazitäten + Ausbildungsstand (IT und Anwender) +?Budget der IT + ?)) Und dann natürlich das subjektive Empfinden von Zufriedenheit. Wir kennen doch diese Situationen. Der Chef will schnell eine Grafik und die empfundene Antwortzeit ist miserabel. Freitagsmittag, wenn die Arbeit erledigt ist, sind die Zeiten dann subjektiv besser. Und bei mehreren hundert Anwendern sind immer 50 % zufrieden und 50 % na ja. Eine Messung im Nanosekundenbereich bringt auch nicht die Lösung, weil Zufriedenheit auch die weichen Faktoren braucht. Die IT mit dem Verständnis eines Dienstleisters und nicht mit der Mentalität des ?Closed Shop?. Präsenz in den Fachbereichen, auch zu einer Tasse Kaffee und dann vor Ort über die Dinge reden und Verständnis für die Situation des Partners hilft mehr als SLA mit Stoppuhr.

  • Backend Messung nicht obsolete und wider der Stoppuhr SLA
    Liebe Frau Hänig,
    ich schliesse mich Hrn Lautenbacher an: Messungen der Backend Performance und Verfügbarkeit werden sicher nicht obsolete. Sie werden aber zum Teil a) nicht mehr möglich, oder b) sehr kompliziert. Und c) sind sie für den Endnutzer tendenziell irrelevant.

    Zum Beitrag von Ihnen Herr Roder möchte ich ergänzen, dass sicherlich nicht die Stoppuhr Messungen und SLAs im Nanosekundenbereich die Zufriedenheit steigern werden. Direkter Austausch und Kommunikation zwischen IT und Fachbereich bzw Endanwender kann da sicher einen höheren Beitrag leisten.

    Den Beitrag für den IT, den eine End to End Betrachtung liefern kann ist die Transparenz und die Objektivierung des Chefs/ Graphik oder Freitagnachmittags Phänomens. Statt über subjektive Eindrücke zu diskutieren liegen belastbare und nachweisbare Fakten vor. In einer offenen und sachlichen Diskussion kann dies helfen.
    Insbesondere, wenn sich tatsächliche Performance Schwankungen durch das gesamtheitliche Verhalten der Nutzer oder von Applikationen innerhalb des Netzwerkes erkennen und erklären lassen, denn dann lässt sich evtl auch für den Chef abhilfe schaffen.

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