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Salesforce “Vom Rebell zum Mainstream”

Vergangene Woche war Marc Benioff, CEO von Salesforce.com, wieder einmal in München, um die ‘Salesforce World Tour’ zu eröffnen. Im Grunde könnte ich auf letztes Jahr verweisen, denn es handelte sich wieder um eine ‘Mini’-Ausgabe der Dreamforce – der alljährlich in San Francisco stattfindenden Kundenveranstaltung.

Doch so einfach ist es nicht. Anbieter-Veranstaltungen spiegeln immer sowohl den Status Quo eines Unternehmens als auch dessen Entwicklung wider. Und in diesem Fall kann ich auf einige ‘gemeinsame’ Jahre mit dem Unternehmen zurückblicken und meine ganz eigenen Schlüsse ziehen.

Die Salesforce World Tour: Trendsetter oder Follower? (Bild: Hassan Hosseini)

Die Präsentation – Wieder handelte es sich um eine perfekt durchorganisierte – und kostenfreie – Verkaufsveranstaltung US-amerikanischer Prägung. Zutaten waren ein Live Act, laute Musik in den Pausen und viele Interviewgäste. Marc Benioff zu sehen, ist zweifelsohne empfehlenswert. Allerdings hatte ich dieses Mal den Eindruck, dass er ‘nur’ sein Programm abspulte. Die Präsentationen waren bis auf die von Benioff in deutscher Sprache gehalten, wobei die deutschsprachigen Protagonisten nicht ansatzweise diese Art der Unterhaltung beherrschten. Wer sich daran nicht störte, konnte eine gelungene Show genießen. Somit wurde ein von Salesforce gestecktes Ziel erreicht.

Die Inhalte – Interessanter waren vor allem die Inhalte, bzw. die nicht genannten Inhalte. Wie beim letzten Mal war auch dieses Jahr die Coca-Cola Erfrischungsgetränke AG wieder Bestandteil der Keynote. Anscheinend gibt es keine anderen Kunden dieses Kalibers, die man präsentieren könnte. In der ‘prä-amerikanischen Showära’ hatte man zudem auf den deutschen Veranstaltungen immer wieder verdeutlicht, wie demokratisch die Anwendungen von Salesforce in Bezug auf alle Unternehmensgrößen seien und wie wichtig dies dem Unternehmen sei. Auch dieses Jahr gab es eine Breakout Session für KMUs. Doch so wichtig scheint das der Firma nun nicht mehr zu sein, genauso wenig, wie auf die verschiedenen Ankündigungen des letzten Jahres einzugehen. Klar, Analytics wurde angesprochen, doch fiel kein Wort zu ‘Salesforce for HR’, ‘Salesforce Wear‘ oder der globalen Partnerschaft mit Sage und deren Auswirkungen für deutsche Unternehmen. Dass man auf Ankündigungen früherer Jahre wie ‘Work.com’ oder dem ‘Superpod’ und deren Einführung beziehungsweise Verwendung in Deutschland eingehen würde, hatte ich ja nicht mal erwartet.

Das in Kooperation mit der Deutschen Telekom bereits im letzten Jahr angekündigte Rechenzentrum wurde auch nur kurz beleuchtet, was sicherlich auch dem Eröffnungstermin im August geschuldet ist. Zuvor möchte oder kann man keine Kunden nennen. Stattdessen lief ein entsprechendes Video. Beim Thema Datenschutz musste ich kurz an die ‘Affäre’ von BND/NSA und Telekom denken – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Salesforce eröffnet ein deutsches Rechenzentrum. Nicht weil das Unternehmen will, sondern weil es muss. Oder wie der CIO von Koenig & Bauer AG, Jürgen Tuffentsammer, in dem Video diplomatischer formulierte: Salesforce kommt nun den Forderungen nach. Ich habe schon immer die Haltung vertreten, dass Anbieter und deren IT-Partner hinsichtlich Transparenz, Selbstkritik und Reflexion viel aktiver werden müssen. Ich gebe zu: reines Wunschdenken.

In einer weiteren Session für Analysten ging Miguel Milano, President EMEA, auf das Potenzial von Salesforce ein. Auf einer Folie zeigte er, dass 82 % der Top 500 Unternehmen in Europa Salesforce-Kunden seien. Die Aussage, Salesforce sei die kommende strategische Plattform für diese Unternehmen, führte er kurz danach selbst ad absurdum, als er erwähnte, dass man bei diesen multinationalen Kunden erst einen geringen Anteil des IT-Budgets angekratzt habe.

Doch wie kam es soweit? Vor 16 Jahren kam Salesforce mit einer Vision auf den Markt. Das Unternehmen trat als kleiner und agiler Rebell an, der IT-Software, in diesem Falle CRM, auf eine neue Art und Weise zur Verfügung stellte: der Cloud. Diese konnte von Unternehmen genutzt und in einem Abo-Modell bezahlt werden. Mittlerweile zählt das Unternehmen zu den Fortune 500 in den USA und ist das sechstgrößte Softwareunternehmen der Welt. Und wie schon oft erwähnt, hat die Firma noch genügend Potenzial. Bisher widmete man sich überwiegend einer Anwendung: dem CRM. Neben dem analytischen Teil, der zukünftig sicherlich immer gewichtiger wird, kam dieses Jahr eine HR beziehungsweise HCM Suite dazu. Hinzu kommen die vielfältigen Möglichkeiten der Plattform. Luft nach oben gibt es also genug. Allerdings schleppt das Unternehmen dann auch einen immer größer werdenden Bauchladen mit sich herum. Die Wandlung vom Rebell zum Mainstream ist vollzogen.

Und wie sieht es auf menschlicher Ebene aus? Um es vorauszuschicken: Ich kenne Marc Benioff nicht persönlich. Aber was waren seine Überlegungen, als die Übernahme durch Microsoft diskutiert wurde? Hätte er tatsächlich eine Führungsrolle bei Microsoft übernommen, wie kolportiert wurde? Oder wäre er wieder zum Rebell geworden – mit einer neuen Vision, die Welt zu verändern, wie Elon Musk mit seinen Unternehmungen Tesla Motors, SpaceX oder dem Hyperloop? Eventuell würde es in Richtung Politik gehen, wie die frühere CEO von HP, Carly Fiorina, die sich als US-Präsidentschaftskandidatin für das kommende Jahr bewirbt. Wir wissen es nicht …

Wie auch immer, ich warte auf die Dreamforce 2015, auf der eine ‘große’ Ankündigung in Bezug auf das ‘Internet der Dinge’ in Aussicht gestellt wird. In der Zwischenzeit halten wir Ausschau nach dem nächsten Rebell, der die Branche verändern will.

Redaktion

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