Aus für LiMux? – Accenture rät angeblich zu Windows

Die politischen Gegner des LiMux-Projektes, bei dem seit 2004 die Münchner Stadtverwaltung größtenteils auf eine quelloffene Alternative migriert wurde, bekommen neue Munition. Die Unternehmensberatung Accenture hat offenbar ein umfangreiches Gutachten vorgelegt, das die Stadtverwaltung beauftragt hatte. Darin legt die Unternehmensberatung auch eine Rückkehr zu Microsoft nahe. Diese würde die Stadt jedoch Millionen kosten.

Die Abkehr von Linux könnte in mehreren Stufen ablaufen, geht aus dem bislang nicht öffentlich zugänglichen Dokument hervor, das aber zumindest auszugsweise dem Brachendienst Techrepublic und Heise vorliegt.

In einer Sitzung des Stadtrates wurde das Gutachten nun zum ersten Mal von verschiedenen Abteilungen kommentiert. Das Gutachten, das der SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter beauftragt hatte, empfiehlt der Stadt, einen “leistungsfähigen Windows-Client” einzuführen. Statt dem auf den rund 20.000 Rechnern in der Stadtverwaltung verwendeten LibreOffice, das bei vielen Anwendern nach wie vor für Frustration sorge, solle man statt dessen wieder auf die Office-Suite von Microsoft setzen.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter bei der Eröffnung der neuen Microsoft-Deutschlandzentrale in München. (Bild: silicon.de)

In einem ersten Schritt soll die Stadtverwaltung den einzelnen Referaten und Organisationen freistellen, welches Programm genutzt werden soll. Dann empfiehlt Accenture zu einem späteren Zeitpunkt erneut zu prüfen, wie weit der Basis-Client überhaupt noch verbreitet ist und ob sich dann der wirtschaftliche Aufwand für die Stadt, zwei Betriebssysteme zu unterhalten, wirtschaftlich auszahlt.

Wie aus der Sitzungsvorlage hervorgeht, soll der LiMux-Client weiter verbessert werden und auch der Windows-Client, der nach wie vor bei etwa 4200 Rechnern im Einsatz ist, solle aktualisiert werden. Einen schnellen Abschied von LiMux wird es also in den nächsten Jahren nicht geben. Denn der Umstieg auf das Linux-Betriebssystem hat sich über mehr als zehn Jahre hingezogen. Eine Umkehrung dieser Strategie würde voraussichtlich ebenfalls eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Auch in den Protokollen zur Sitzungsvorbereitung scheint das klar zu sein: “Für die nächsten Jahre bleibt damit der Einsatz beider Client-Alternativen erforderlich.”

Doch bereits in der ersten öffentlichen Auseinandersetzung über das Gutachten regt sich der Widerstand: Die Stadtkämmerei will schon im Vorfeld geprüft haben, ob es auf längere Sicht sinnvoll oder möglich ist, weiterhin zwei Betriebssysteme zu pflegen. Anders als LiMux sei Windows in vielen Bereichen, etwa im Zusammenspiel mit Systemen von Oracle oder SAP, unbedingt erforderlich.

Schon im September hatte die Personalreferat bemängelt, dass LibreOffice weit hinter den technischen Möglichkeiten von anderen Standardanwendungen zurückbleiben, zudem müssten viele Mitarbeiter sich in beiden Systemen auskennen und dies parallel verwenden, weil die Open-Source-Programme nicht mit verschiedenen Fachanwendungen kompatibel sind. Die quelloffenen Produkte seien nicht barrierefrei und deutlich weniger sicher. Wie in den Kommentaren zur Sitzung zu entnehmen ist, scheint das Thema Betriebssystem aber nicht in allen Abteilungen ein Thema zu sein.

Doch wie objektiv ist die Untersuchung Accentures? Auftraggeber Dieter Reiter wird nachgesagt, den Produkten aus Redmond eher offen gegenüber zu stehen. Die Tatsache, dass ausgerechnet die Unternehmensberatung Accenture mit dem Gutachten beauftragt wurde, gibt aus Sicht von Kritikern wie Matthias Kirschner, dem Präsidenten der Free Software Foundation Europe, Anlass zur Skepsis. Denn Microsoft sei über das Joint Venture Avanade mit Accenture verstrickt, wie er gegenüber Techrepublic.com erklärt. Und auf diesem Hintergrund müssten auch die Ergebnisse der Untersuchung betrachtet werden.

Wie Krischner gegenüber dem Branchendienst erklärte, scheine der Report lediglich darauf abzuzielen, Linux abzuschaffen und nicht Windows. Andere Alternativen seien noch nicht einmal in Betracht gezogen worden, kritisiert Krischner. Das mache deutlich, dass der Report von Anfang an mit einer klaren Zielrichtung erstellt worden sei. Accenture selbst jedoch erklärt, dass man den genannten Plattformen neutral gegenüber stehe.

Nun steht ein neues Programm mit einem Volumen von knapp 19 Millionen Euro im Raum, bei dem auch zwei Experten in einem Architektur- und Client-Projekt einen neuen Windows-Client für die Angestellten der Stadt entwerfen sollen.

Darüber hinaus regt das Gutachten unter anderem an, dass die städtische IT in einer eigenen Servicegesellschaft ausgegründet werden solle, um damit die Kundenzufriedenheit und die Qualität zu stärken. Es werden offenbar verschiedene Szenarien genannt. Jedoch in allen Fällen werde die Stadt nach Aussage von Accenture nicht umhin kommen, zusätzliche Mittel und Stellen zu bewilligen. Im Januar sollen die Beratungen über die Zukunft des LiMux-Projektes weiter fortgesetzt werden.

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Redaktion

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