Grafikkarten – vom Computergame zur Wissenschaft

“Der Boom in der Computerspiele-Branche hat dazu beigetragen, dass heute extrem leistungsfähige Grafikkarten zur Verfügung stehen”, erklärt Dr. Johannes Josef Schneider vom Schwerpunkt für rechnergestützte Forschungsmethoden in den Naturwissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. “Wir haben diese Rechenpower nun in ganz andere Bahnen gelenkt und dafür genutzt, das Standardproblem der statistischen Physik zu untersuchen”, ergänzt Dipl.-Phys. Tobias Preis, der die Berechnungen im Rahmen seiner Doktorarbeit vorgenommen hat.

Mittlerweile sind Grafikkarte so schnell, dass sie bei bestimmten Rechenaufgaben den dafür eigentlich zuständigen zentralen Computer-Bausteinen, den Hauptprozessoren, überlegen sind. Denn während die Central Processing Units (CPU) alles hintereinander abarbeiten, können Grafikkarten viele kleinere Aufgaben gleichzeitig lösen. “Wir können ein Fußballfeld entweder mit einem Rasentraktor mähen und dabei Bahn um Bahn abfahren, oder aber wir nehmen 50 kleine Hand-Rasenmäher und lassen sie gleichzeitig auf jeweils einer Bahn starten”, illustriert Preis. “Die Hand-Rasenmäher beziehungsweise die Grafikkarten sind schneller fertig.”

Um das zu demonstrieren, hat Preis, das Standardproblem der statistischen Physik untersucht: das ‘Ising-Modell’, benannt nach dem Wissenschaftler Ernst Ising. Hierbei geht es um die Beschreibung des Ferromagnetismus, wie er beispielsweise in Stabmagneten vorkommt. Unterhalb einer bestimmten Temperaturschwelle richten sich die Elementarmagnete von Eisen, Kobalt oder Nickel nach einer Richtung aus, das Material wird magnetisch. In seiner Simulation hat Preis die einzelnen Teilchen wie auf einem Schachbrett platziert und ihre Ausrichtung, den sogenannten Ising-Spin, je nach Temperatur berechnen lassen. “Das Schachbrett eignet sich wunderbar für die GPU-Anwendung, weil wir zunächst alle schwarzen Felder und danach alle weißen Felder parallel berechnen können”, erklärt Preis.

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Silicon-Redaktion

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