Bösartigkeit Rules – Was im Internet schief läuft

Sein Leben sei schon seit 30 Jahren digital – aber jetzt beginne die Zeit, in der sich das Internet bevölkere, sagt Gunter Dueck, bei seiner Keynote diese Woche auf der Re:publica 17 in Berlin. “Jetzt kommt die Vertreibung aus dem Paradies.” Aber er könne nicht sagen, dass die Anderen stören. “Vielmehr müssen wir eine Kultur etablieren, in der alle zusammen leben”, unterstreicht er vor dem bis zum Rand gefüllten Auditorium.

Es sei eine Qual, über die Digitalisierung zu reden – so Gunter Dueck ausgerechnet bei seiner Keynote diese Woche auf der Re:publica 17 in Berlin (Screenshot: silicon.de bei Youtube)

Die wichtigste Forderung seines Vortrages stellte Gunter Dueck, Mathematiker, Ex-IBM-Manager, Blogger und Autor von verschiedenen Büchern – an das Ende seiner Keynote. “Wir brauchen Geisteswissenschaftler für das Internet.”

Offensichtlich braucht das Internet reflektierte Menschen, Philosophen, Linguisten, Geschichtenerzähler. Denn bislang erscheint das Internet als eine Art Wörtergeisterbahn. Deren Schrecken sind mit Begriffen und Wörtern aus Wikipedia, aus den Marketingabteilungen oder aus Chat-Räumen zu erklären. Genüsslich führte der Autor des Buches “Flachsinn” das Publikum durch das Wirrwarr und die Untiefen der Internet-Begriffe. Er seziert das Internet, dessen Sprache und Buzz-Wörter: “Noobs, Banalos Banalitos, Orthografiekränker, Penisparade” – ganz ohne Zweifel ist die Sprache im Internet in einem furchtbaren Zustand.

“Flachsinn. Ich habe Hirn, ich will hier raus” ist das aktuellste Buch von Gunter Dueck (Bild: Campus Verlag)

Duecks Diagnose ist, dass die Verrohung von Worten und Sprache auch auf dem ständigen Kampf um Aufmerksamkeit basiere. “Aufmerksamkeit ist die neue Währung”, so Dueck. Der Konflikt der Menschen sei, dass das Internet nur zwei Extreme zulässt. Entweder die volle Sichtbarkeit oder die komplette Unsichtbarkeit. “Früher wurde man befördert, weil man nicht sichtbar war. Heute muss man sichtbar sein und auffallen, um Karriere zu machen. Denn wer nicht sichtbar ist, ist nicht da.”

Für die Menschen biete das Internet eine ganze Palette von Sichtbarkeiten. “Die vielen Sichten auf einen Menschen verwirren die Diskussion” – und alles zusammen führte schließlich zu einer “Content Free Communication”. “Phatisch” nennt er diese Form der Kommunikation – und fügt seiner eigenen, langen Liste von unsinnigen Buzz-Wörtern ein neues hinzu.

“Phatisch” sei eine Kommunikation mit offenem Kanal aber ohne transportierten Inhalt. “Ein Baby, muss die Augen der Mutter sehen, um zu wissen, dass sie da ist.” WhatsApp oder Facebook seien ein klassischer Fall dieser “phatischen Kommunikation“. Jeder Post, jeder Like, jeder Kommentar sei eigentlich nur ein Content-freier Hinweis darauf, “dass jemand da ist”.

Aber wie schlecht ist inhaltsfreie Kommunikation in einer Zeit, in der die gesamte Kommunikation ins Bösartige zu kippen droht? “Hier auf der Republica streben wir nach guter Aufmerksamkeit. Aber wir sehen, dass man mit negativer Aufmerksamkeit immer in die Schlagzeilen kommen.”

Bösartigkeit sei tatsächlich eine Methode, um reich und mächtig zu werden. “Wir müssen verstehen, dass es die Strategie gibt, mit absolut schlechter Aufmerksamkeit Erfolge zu haben”. Denn negative Aufmerksamkeit bringe Klicks und Klicks bringen Geld.

Das Ergebnis? “Man braucht ein wenig Mut, um im Internet zu sein. Denn im Internet bleibt niemand mehr unverletzt.” Und der Umkehrschluss ist, das Spiel selber mitzuspielen und ebenfalls kräftig auszuteilen. “Journalisten haben eine Restintelligenz”, sagt Dueck mit einem Lächeln vor seinem schmunzelnden Publikum und es ist klar: Niemand – selbst Gunter Dueck – bleibt heute mehr unverletzt und unverletztend.

Bei Youtube steht eine Aufzeichnung des gesamten Vortrags von Gunter Dueck auf der Re:publica 17 zur Verfügung.

Redaktion

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