Der Rechte-Streit wird Linux schaden, sagt Bill Gates

Es wird immer bunter: IBM streitet jeden Fehler ab, die Analysten geben widersprüchliche Tipps und Microsoft behauptet, Linux habe sich auch Code aus Redmond einverleibt.

Die Diskussion über den seit Monaten laufenden Rechtsstreit zwischen SCO und IBM um Lizenzrechte an Linux-Code schaukelt sich immer weiter auf. Jetzt hat sich auch Microsoft-Chefentwickler Bill Gates zu Wort gemeldet. Ob SCO mit seiner Klage auf 3 Milliarden Dollar Schadenersatz Erfolg haben werde, wollte er zwar nicht vorhersagen. Die weitere Entwicklung von Linux werde unter der Rechtsunsicherheit aber auf jeden Fall leiden, so Gates.
Als stärkstes Argument gegen SCOs Forderungen führt IBM derzeit an, das Softwareunternehmen habe ja bis vor kurzem selbst eine Linux-Distribution vertrieben. Auf dem FTP-Server des Unernehmens liegen auch heute noch verschiedene Software-Pakete zum freien Download bereit. Bob Samson, IBMs Vice President System Sales, schreibt in einem internen Memo an die eigenen Mitarbeiter, SCO habe “noch immer nicht erklärt, wie sie Software unter der GPL (GNU General Public License) vertreiben konnten und jetzt Lizenzansprüche geltend machen”.

Die GPL-Lizenzbestimmungen könnten gar nicht zur Anwendung gebracht werden, meinte dagegen SCO-Sprecher Blake Stowell vor der Presse. “Es ist eben ein gravierender Unterschied, ob man zu einem Softwareprodukt beiträgt oder es zur freien Verfügung stellt.” SCO behauptet, die Veröffentlichung unter der GPL habe ohne Wissen des Unternehmens stattgefunden. Selbst Experten für Lizenzrecht im Softwarebereich sind sich derzeit nicht einig, welche Argumentation tatsächlich schwerer wiegt. Es komme auf eine Klärung vor Gericht an, heißt es überwiegend.

“Das ist alles nur ein verzweifelter, unfairer und unbegründeter Versuch, Linux zu diskreditieren und den Anwendern Geld abzupressen”, polterte IBMs Samson. SCO hat seine Belege nur wenigen Dutzend Experten vorgelegt, die sich zu Stillschweigen verpflichten mussten. Konkret ist bisher nur bekannt, dass SCO IBM vorwirft, die Multiprozessorunterstützung aus Unix in Linux-Code transferiert zu haben. Außerdem seien das Read-Copy-Update (RCU), das Journal File System (JFS) sowie Erweiterungen unrechtmäßig im Linux-Kernel vertreten, die Non-Uniform Memory Access (Numa) erlauben. IBM bleibt trotz dieser Konkretisierung dabei, keinerlei Vertragsbestimmungen verletzt zu haben.

Vergangene Woche hatten die Analysten der Gartner Group bereits ihre Warnung vor größeren Investitionen in Linux-Technologie verschärft, weil die Unsicherheiten zu groß geworden seien. Die Experten der ‘Robert Frances Group’ (RFG) beschwichtigen die Unternehmensanwender jetzt aber, es bestehe kein Grund für überhastete Entscheidungen oder für den Kauf einer Unix-Lizenz von SCO.

“Die Aussichten auf einen Erfolg vor Gericht sind für SCO äußerst dünn”, so RFG-Analyst Chad Robinson. Sein Kollege Adam Braunstein sagt sogar voraus, dass sich die ganze Angelegenheit in Wohlgefallen auflösen werde, weil IBM und andere große Unternehmen den Rechtsstreit unter sich ausmachen und lösen werden. “Ich halte es für höchst unwahrscheinlich, dass irgendein Anwender tatsächlich die Geldbörse wird zücken müssen.”

Stacey Quandt, Analystin bei Forrester Research, bleibt dagegen skeptischer. Jedes Unternehmen müsse eben entsprechend seines spezifischen Risikoprofils weiter mit Linux arbeiten oder eher Abstand nehmen. Die bisher vorgebrachten Argumente und Belege reichten aber bei weitem noch nicht aus, tatsächlich Lizenzzahlungen zu rechtfertigen, meint die Analystin.

“Die rechtlichen Fragen sind die verwundbare Stelle, die Achillesferse von Software unter der GPL”, machte Microsoft-Chef Bill Gates bei seinem jährlichen Treffen mit Finanz- und Technik-Analysten seine Sicht der Dinge klar. Urheberrechtlich geschützte Softwarebestandteile seien in Linux nicht nur von SCO zu finden, sondern von zahlreichen anderen Herstellern, darunter auch von Microsoft, erklärte Gates. Gerade wenn man grundlegende Verfahren “klonen” wolle, sei das unvermeidbar, so Gates. Damit ist aber noch unklar, ob Microsoft möglicherweise ähnliche Ansprüche wie SCO erheben will.

Open-Source-Software werde zwar auf Dauer neben der bisherigen Softwareindustrie existieren. Für Microsoft gelte es aber klarzumachen, dass die Anforderungen an Software und speziell Betriebssysteme weiter wachsen werden. Deshalb werde Microsoft weiter in die Entwicklung investieren: In diesem Jahr sollen es rund 8 Prozent oder 500 Millionen Dollar mehr sein als im Vorjahr. Damit wird Microsoft rund 6,8 Milliarden Dollar für die Entwicklung neuer Software ausgeben.