Umstieg auf Linux: Schwäbisch Hall macht es vor

Schwäbisch Hall ist die erste Kommune in Deutschland, die ihre IT auf das Open-Source-Betriebssystem Linux umgestellt hat.

Schwäbisch Hall ist die erste Kommune in Deutschland, die ihre IT auf das Open-Source-Betriebssystem Linux umgestellt hat. Die Entscheidung fiel vor gut einem Jahr. Seit dem Jahreswechsel arbeiten einige Referate mit Linux. Die Umstellung verlief aus technischer Sicht überraschend gut. Und wirtschaftlich betrachtet ist Schwäbisch Hall auf dem besten Weg, die IT-Kosten bereits zum Jahresende halbiert zu haben. Ein Argument, das wohl auch in München ausschlaggebend für die Migration auf Linux war.
“Mein Chef sagte mir, wir müssen Geld sparen und ich schlug ihm vor, das für meinen Bereich mit Linux zu tun. “So einfach bringt Horst Bräuner, IT-Leiter der Stadt, die aktuelle Situation auf den Punkt. Sein Chef ist Hermann-Josef Pelgrim, Oberbürgermeister der 36.000 Einwohner zählenden Stadt in Hohenlohe. Mit der Open Source-Software Linux ließen sich die IT-Kosten tatsächlich halbieren, rechnet der IT-Leiter dem Oberbürgermeister vor.

Ein schlagendes Argument, zumal es der Stadt Schwäbisch Hall nicht anders geht als anderen Kommunen: Ihr steht das Wasser bis zum Hals, weil Steuereinnahmen wegbrechen, Belastungen aber steigen. Beginnend mit dem Jahr 2002 sind in Schwäbisch Hall die Steuereinnahmen um 85 Prozent zurückgegangen. Wie andere Städte auch, suchte und sucht Schwäbisch Hall nach Ansatzpunkten, um Kosten zu senken.

Im November 2002 wurde das Projekt ‘Schwäbisch Hall goes Linux’ gestartet, mit IBM und Suse Linux als Partnern. Schwäbisch Hall war damit die erste deutsche Kommune, die sich für die freie Software entschieden hatte.

Seit einigen Tagen nun arbeiten die Bücherei, der Oberbürgermeister mit seinem Referat und die Geschäftsstelle des Gemeinderats unter Linux. Abteilungsweise wird im Laufe dieses Jahres Amtstube für Amtsstube umgestellt werden, bis zum Jahresende Linux die Software von Microsoft fast vollständig verdrängt haben wird.

Nachahmern rät Michael Pyschny, zuständig bei IBM für die Geschäftsentwicklung von Linux im deutschsprachigen Raum, geduldig zu sein: “Wer ein solches Projekt in Angriff nimmt, darf nicht davon ausgehen, freitags noch unter Windows und am Montag darauf mit Linux zu arbeiten.” Wichtig sei eine Roadmap in Abhängigkeit von einzelnen Anwendungen, von Dienstleistern, die Services erbringen wie kommunale Rechenzentren, und von individuellen Anwendungen, wie es sie in jeder Kommune gibt. Berücksichtigt und evaluiert sollten zudem Aussagen von Anbietern, demnächst Linux-fähige Software anzubieten. Aus diesem Grund wird in Schwäbisch Hall nicht mit brachialer Gewalt umgestellt, sondern weiterhin der eine oder andere Windows-Server oder -Client betrieben, bis die angekündigten Versionen auf dem Markt sind.

Mit dem neuen System verfolgt Schwäbisch Hall das Ziel, jährlich 200.000 Euro und damit die Hälfte des bisherigen IT-Budgets einzusparen. Bereits im vergangenen Jahr hat die Stadt 50.000 Euro weniger für Lizenzen und Updates ausgegeben als im Jahr zuvor. Auf 70 Millionen Euro beläuft sich der Haushalt insgesamt. Mit etwa einer halben Million Euro, also nicht einmal einem Prozent, ist der IT-Anteil nahezu unbedeutend. In anderen Städten sei das Verhältnis ähnlich und damit auch wichtigster Grund, warum Schwäbisch Hall bislang so wenig Nachahmer gefunden hat, meint Pelgrim.

Dass sie dennoch Bedeutung haben, erklärt der Oberbürgermeister am konkreten Fall: “Die Einsparung im IT-Bereich ist die Gegenfinanzierung für die Musikschule.” Will heißen: Ohne Linux hätte die Musikschule eventuell geschlossen werden müssen. Allerdings sei ein direkter Kostenvergleich der finanziellen Belastung vor und nach Linux nie ganz sauber, ist der IBM-Mann Pyschny überzeugt. “Niemand macht eine Eins-zu-eins-Umstellung, weil in einem solch komplexen Prozess von Haus aus Verbesserungen und Automatismen eingeführt und Mängel beseitigt werden, die nichts mit Linux zu tun haben.”

Bereits frühzeitig wurden die Mitarbeiter in den Prozess einbezogen, um die Akzeptanz sicherzustellen. “Jedem Mitarbeiter der will, brennen wir eine CD für zu Hause mit Open Office, das sowohl unter Linux als auch unter Windows läuft”, berichtet Bräuner. Alles was der Mitarbeiter im Büro verwendet, kann er nun auch zu Hause einsetzen, ohne sich am Rande der Legalität bewegen zu müssen, wenn er Geschäftssoftware mit nach Hause nimmt. Jeder Mitarbeiter wird insgesamt 2,5 Tage auf Linux geschult. “Das genügt”, so der IT-Leiter. Schließlich sei lediglich mal ein Bildchen auf dem Bildschirm neu. An der eigentlichen Anwendung mit seinen Funktionen ändere sich nichts.

Auch in München wird Linux Einzug halten, wenngleich es hier um ganz andere Dimensionen geht. Während in Schwäbisch Hall gut 400 Clients auf Linux umgestellt werden, sind es in der bayrischen Landeshauptstadt 14.000 Rechner. Neben der größeren Anzahl an Rechnern kommt in München erschwerend hinzu, dass es 17 IT-Referate gibt, die völlig autonom voneinander arbeiten dürfen, mit eigener IT und eigenem Leiter, die untereinander nicht immer nur Freunde sind. Und weil Konsolidierung immer eine Voraussetzung für Sparen sei, sieht der eine oder andere seinen Stuhl wackeln.

Ein Kooperationsvertrag zwischen dem Bundesministerium des Inneren und IBM gibt den Städten finanzielle Sicherheit auf dem Weg hin zu Open-Source-Produkten. Der Vertrag ermöglicht es Bund, Ländern und Kommunen, Software zu besonders günstigen Konditionen beschaffen zu können, die auf dem Betriebssystem basieren. “Wer es schlau anstellt, kann sogar noch bessere Konditionen heraushandeln”, verrät Barbara Held vom IT-Stab des Innenministeriums. 98 Prozent aller Software in der Bundesverwaltung sei derzeit noch Windows-basiert. Doch hätten sich mit dem Bundesjustizministerium, dem Auswärtigen Amt und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz drei Ministerien für eine Migration hin zu Linux entschieden, berichtet Held.

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