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Wenn IT-Projekte aus dem Ruder laufen: So gehen Hersteller mit Eskalation um

Haben tun sie es alle, die großen Hersteller – nur reden will mancher IT-Anbieter nicht darüber: Eskalationsmanagement. Aber erfreulicherweise halten sich nicht alle bedeckt. “Selbstverständlich haben wir ein Eskalationsmanagement für Themen, bei denen Standardprozesse zu keinen oder nur zu suboptimalen Ergebnissen führen, und für Fälle, in denen Projekte gefährdet sind”, erklärt Hans-Dieter Wysuwa, Geschäftsführer bei Fujitsu Siemens Computers Deutschland.
Wie kann sich ein Lösungsanbieter am schnellsten Hilfe holen, wenn bei einem IT-Projekt alle Stricke reißen und nichts mehr geht? Was bieten die Hersteller ihren Business-Partnern in Krisenfällen an? Wie gehen sie damit um, wenn sich ein Problem als so hartnäckig erweist, dass die normalen Support-Strukturen nicht mehr greifen?

Die Ansätze der großen IT-Unternehmen beim Eskalationsmanagement sind unterschiedlich, Einigkeit besteht jedoch darüber, dass der Endkunde zufrieden sein muss. “Der Kunde steht immer im Vordergrund”, meint Hans-Jürgen Götz, Director Channel Marketing DACH (Deutschland, Österreich, Schweiz) bei IBM dazu. Schließlich ist es auch im Sinne der Anbieter, dass ihre Produkte gut ankommen. Independent Software Vendors (ISVs) bekommen deshalb bei Big Blue einen speziellen Support, damit “auf IBM-Plattformen die Kundenapplikationen optimal laufen und das Beste aus ihnen herausgeholt wird”.

“An vorderster Stelle ist die Zufriedenheit der Kunden”, erklärt auch Werner Radermacher, Director R&D Services ETS, der den weltweiten Support bei der Software AG organisiert. “Im Eskalationsmanagement sind wir flexibel im Rahmen von vordefinierten Eskalationswegen.” Bei Kunden, die im ‘Mission-Critical’-Umfeld tätig sind, wie beispielsweise Banken, Versicherungen und Flughäfen, sei die “oberste Priorität, dass es weitergeht”. Die Software AG, beziehungsweise deren deutsche Vertriebstochter, die SAG Systemhaus GmbH, arbeitet auch mit ISVs und System-Integratoren zusammen. In einer kritischen Situation müsse der Fall eben “hinterher mit dem Partner fundiert aufgerollt” werden.

Beim Eskalationsmanagement greifen immer zwei Systeme ineinander: zum einen die Support-Struktur des Herstellers, die ein Business-Partner aufgrund seines Vertrages nutzen kann, und andererseits der Prozess, der in einer kritischen Situation beim Hersteller ausgelöst wird.

Auch Sabine Schlembach, Critical Situation Manager bei Microsoft, stellt das Anliegen der Endkunden in den Vordergrund: “Die Dringlichkeit behandeln wir als etwas Wichtiges.” Der Partner sollte kurz beschreiben, welche Auswirkung das aufgetretene Problem auf sein Geschäft hat, und er sollte sich möglichst schnell melden. Die Erfahrung zeige, dass je länger eine Partnerschaft mit Microsoft bestehe, desto eher binden Partner und Kunden den Hersteller in Krisensituationen ein.

Der Partner könne seinen Vertrag mit Microsoft wie eine Versicherungspolice betrachten, meint Sabine Schlembach. Beim Support regelt ein strenger Ablaufplan, was innerhalb bestimmter Zeitfenster passieren muss: Es gibt Auslöser für bestimmte Aktionen, “harte und softe Trigger”. Wenn ein Problem nach vier Stunden noch nicht behoben wurde, ist ein Eskalationslevel erreicht, der eine Teambildung erfordert, in das der Support-Leiter, der Vertrieb und gegebenenfalls auch ein Drittanbieter miteingebunden wird. Der Critical Situation Manager schaltet sich ein, und die Entscheidung steht an, ob ein Microsoft-Mitarbeiter beim Kunden vor Ort sein muss. Als “Prozessberater” beschreibt Sabine Schlembach ihre Position. Sie achtet darauf, dass “die Trigger eingehalten werden” und betont, dass es sich dabei um einen internen Job handelt: “Ich schaue auf die Brüche mit dem Ziel, den Lösungsprozess am Laufen zu halten.”

Ist die Situation nach acht Stunden noch nicht entschärft, wird bei Microsoft das Upper Management informiert und die Produktentwicklung in USA miteinbezogen. Dann kann unter Mitwirkung der Partnerfirma 24 Stunden an der Problemlösung gearbeitet werden, wobei die Kommunikation in der Regel über Telefonkonferenz in Englisch abläuft, eventuell mit Übersetzungsservice. Allerdings ist der Prozess von vornherein so definiert, dass rund um die Uhr am Problem gearbeitet werden kann, wenn nötig, damit bereits zu Beginn eines Problems auch länger laufende Vorgänge geplant ablaufen können. Alle 24 Stunden werden Status-Berichte an die involvierten Personen geschickt. Um für solche Problemfälle gewappnet zu sein, schlägt Microsoft seinen Business-Partnern vor, ebenfalls Steuerungsinstrumente für das “Trouble-Shooting” einzuführen. Wenn sich herausstellt, dass der Support vertraglich nicht ausreichend abgedeckt ist, so muss von Fall zu Fall eine Lösung mit Partner und Endkunde gefunden werden.

Bei der Software AG gibt es einerseits einen sehr akkurat definierten Support-Prozess, in dem die Request-Bearbeitung mit den drei Prioritäten ‘standard’, ‘critical’ und ‘crisis’ beschrieben wird. Dabei kann “crisis” beispielsweise “geschäftsbeeinträchtigend” bedeuten, erläutert Quality Manager Cornelia Wachter. Das Internet-Portal ‘ServLine24’ ist mit seiner Knowledge Base oft die erste Anlaufstelle für Kunden und Partnerfirmen, die je nach Leistungsumfang fest definierte Reaktionszeiten bekommen und bei der Priorität ‘standard’ einen wöchentlichen, bei ‘critical’ und ‘crisis’ einen täglichen Bericht erhalten.

Wird dagegen eine Eskalation angestoßen, so erhält die Anfrage die höchste Dringlichkeitsstufe. Da sei die Software AG sehr kundenorientiert, meint Services-Director Werner Radermacher: “In so einem Fall greift ein eindeutig definierter Eskalationsprozess.” Der Kunde oder Partner könne beim Support oder Vertrieb Alarm schlagen, er könne das Problem von Techniker zu Techniker oder aber auch von Vorstand zu Vorstand ansprechen. Dann gelte nur noch das Vorstands-Commitment und der Zugriff auf alle Ressourcen.

Es gibt feste Funktionen nach Produktfamilien und Regionen im Unternehmen. Diese Einheiten nehmen die Eskalation an und leiten alle notwendigen Maßnahmen ein. Um den Rund-um-die-Uhr-Betrieb aufrechtzuerhalten, wurde im Unternehmen eine Organisation geschaffen, die sicherstellt, dass 24-Stunden-Experten zur Verfügung stehen. Es werden “spontane virtuelle internationale Teams” gebildet, wobei für die jeweilige Landesorganisation auch immer lokale Ansprechpartner einbezogen werden.

Wie IBM, Hewlett-Packard und Fujitsu Siemens mit eskalierenden Projekten umgehen, lesen Sie im zweiten Teil dieses Artikels.

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Silicon-Redaktion

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