Mindestlohngesetz als neue Bürokratie-Bürde?
In dem seit zwei Monaten geltenden Gesetz wird verlangt, dass Unternehmer sicherstellen müssen, dass Dienstleister und Subunternehmer Mindestlohn zahlen. Was genau mit der “Haftung des Auftraggebers” gemeint ist, bleibt aber unklar. Das führt zu hohem bürokratischem Aufwand.
Sage Software, Hersteller von Software und Anbieter von Diensten zur Lohnabrechnung, hat die Auswirkungen des seit 1. Januar geltenden Mindestlohngesetzes kritisiert. Anlass ist im Gesetz beschriebene “Haftung des Auftraggebers”. Die könnte laut Sage-CFO Thomas Scholtis zu einem Dokumentationswahn, belasteten Kundenbeziehungen und hohen bürokratischen Aufwand führen.
“Ich möchte nicht das Gesetz an sich kritisieren”, stellt Scholtis klar. “Aber eine kleine Passage in dem Gesetz löst gerade immense wirtschaftliche Folgen aus.” Dem Mindeslohngesetz (PDF) zufolge müssen Unternehmer sicherstellen, dass Dienstleister und Subunternehmer Mindestlohn zahlen. Aufgrund des weiteren Wortlauts ist aber nicht klar, was Gerichten und Behörden in Zukunft als Beleg dafür ausreicht, dass man nicht wissen konnte, wenn ein Vertragspartner gegen das Gesetz verstößt. Dieses Versäumnis des Gesetzgebers sorgt jetzt für Unruhe. “Auch bei uns melden sich die ersten aus diesem Grund verunsicherten Unternehmen”, berichtet Markus Kleffner, Arbeitsrechtexperte von Kleffner Rechtsanwälte.
“Die meisten Rechtsbeistände raten zu größtmöglichen Vorsichtsmaßnahmen, um sich als Unternehmen abzusichern”, erläutert Nicolas Hamers, Syndicus-Anwalt für Sage. “Da ist eine Welle los getreten worden, die wertvolle Ressourcen binden wird, die damit der Wertschöpfung entzogen werden. Denn Auftraggeber verlangen jetzt nicht nur eine umfangreiche und teure Dokumentation der Arbeitszeiten und Löhne, sondern auch eine regelmäßige Prüfung.”
Anhand eines Beispiels erläutert der Jurist was die durch das Gesetz ausgelösten Forderungen nach Vertragsänderungen, Dokumentation und Audits für die Kundenbeziehungen bedeuten kann. “Ein großer Konzern beispielsweise aus der Automobilbranche will jetzt jegliches Haftungsrisiko ausschließen. Also legt er all seinen Dienstleistern weitreichende Vertragsänderungen vor – inklusive Sonderkündigungsrecht, wenn sie diese verletzen. Der wirtschaftlich abhängige Dienstleister kann nicht anders, als diese zu unterzeichnen. Um den Vertrag nicht zu verletzten und seine Existenz nicht zu gefährden, muss er diese Vertragsänderungen an seine Subunternehmer weiter reichen und dort die geforderten Audits durchführen.”
Damit wird Hamers zufolge eine Art Kettenbrief ausgelöst. Zahlreiche Auseinandersetzungen seien zudem vorprogrammiert. “Denn spätestens wenn der Kettenbrief wieder einen Konzern in der Kette der Zulieferer erreicht, wird er nicht so leicht unterzeichnet.”
Das sieht auch Scholtis so: “Jedes Unternehmen will sich absichern, dass der Dienstleister Mindestlohn zahlt. Eine schriftliche Zusicherung reicht vielen nicht. Aus Unternehmenssicht ist es nicht akzeptabel, wie viele Ressourcen dieses Gesetz bereits bindet. Noch schlimmer wird es, wenn sich alle dem Druck der Unsicherheit beugen und einen teuren Dokumentationswahn auslösen. Die Politik hat die Unternehmer mit dem Thema allein gelassen. Es besteht dringender Handlungsbedarf.”
Teile der Politik sehen das ähnlich. Beispielswiese hat CSU-Parteichef Horst Seehofer bei der Klausurtagung der CSU-Landtagsfraktion im Januar an die Kanzlerin appelliert, “dass die Dokumentationspflicht beim Mindestlohngesetz einer dringenden Überarbeitung bedarf. Die gesamte Landtagsfraktion unterstützte diesen Appell, weil der bürokratische Aufwand bei der Dokumentationspflicht für den Arbeitgeber mittlerweile in keinem Verhältnis mehr steht”, berichtete der CSU-Landtagsabgeordente Max Gibis damals.
Auch für den CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Mattfeldt steht die für die Dokumentation aufgewendete Zeit in keinem Verhältnis zur eigentlich erbrachten Arbeit. “Das kann die Personalabteilung gar nicht mehr leisten”, wird er im Weser-Kurier vom 4. Februar zitiert. Der CDU-Politiker beruft sich dabei auf Erfahrungen in seinem eigenen Betrieb. Ähnlich wie Sage-CFO Scholtis betont er, dass er sich nicht grundsätzlich gegen den Mindestlohn ausspreche. Er befürchtet aber, dass geringfügig Beschäftigte eher von Entlassungen betroffen sein könnten.
Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte dem Blatt zufolge schon angekündigt, sich bis zum Sommer einen Überblick verschaffen zu wollen. Man darf also gespannt sein, ob dann noch einmal nachgebessert wird. Bis dahin werden aber Unternehmen wohl in den sauren Apfel beißen müssen.