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Digitalisierung im Schneckentempo und das neue “Hotspot”-Gesetz

Bald soll es auch in Deutschland soweit sein: Öffentliches WLAN für alle, immer und von fast überall. Ein großer Schritt Richtung Digitalisierung. Sagen zumindest die Referenten des Entwurfs für das Zweite Telemedienänderungsgesetz. Denn, und das ist in ihren Augen ein fundamentaler Fortschritt, ab sofort haben auch gewerbliche Anbieter das sogenannte Provider Privileg, wenn sie öffentliches WLAN anbieten.

Das Provider Privileg ist ein Begriff aus dem OnlineRecht, demzufolge der Überbringer (Bote, Provider) inhaltlich nicht für das Überbrachte (die Nachricht) einstehen muss, sofern er dieses nur übermittelt, aber nicht selbst erstellt. Heute hingegen gilt der Nutzer des WLANs eines anderen Anbieters als sogenannter Störer. Und im schlimmsten Fall haftet der Anbieter des Netzwerkes für alle Rechtsverletzungen (Störungen).

Diese “Störerhaftung” entfällt aber künftig für gewerbliche Anbieter, vorausgesetzt diese haben “zumutbare” Vorkehrmaßnahmen getroffen. Der breiten Verfügbarkeit von kostenlosen WLAN Hotspots stünde dann nichts mehr im Weg. Und genau in diesem Ansatz liegen die beiden großen Dilemmas des Gesetzes: eine “analoge” Denke, die aus einer “prä-digitalen” Zeit stammt, und ein Entwurf, der die notwendige Rechtssicherheit auch weiterhin nicht bietet, der sogar, denkt man ihn konsequent weiter, auf eine digitale Vorratsdatenspeicherung hinaus läuft.

Warum eine analoge Denke? Bei der Idee des Störers und der Provider Haftung werden Ideen aus der analogen Welt in die digitale übertragen. War und ist die Post nicht für die Inhalte der Briefe verantwortlich, so kann es heute der Telekommunikationsprovider auch nicht sein. Alle anderen hingegen sind zunächst einmal Störer und haften. Welcher Rechtsverletzungen könnten sich die User eines Störernetzes möglicherweise schuldig machen? Hauptsächlich geht es hier um  Urheberrechtsverletzungen, wie zum Beispiel Raubkopien. In Deutschland wird alleine schon die Möglichkeit zum “raubkopieren” kriminalisiert. In  anderen (europäischen) Ländern können heute Dateien legal hoch- und runtergeladen werden, auch in einem öffentlichen WLAN, ohne dass pauschal immer eine illegale Nutzung unterstellt wird. Und trotzdem ist die Unterhaltungsindustrie dort nicht zusammengebrochen.

Kritiker werden dem entgegenhalten, dass es aber nicht nur um Raubkopien, sondern auch um andere, strafbare Handlungen geht – Kinderpornografie und Terrorismus werden in diesem Zusammenhang immer gerne genannt. Dann sei es wichtig, sicherzustellen, dass die User auch getrackt und belangt werden können. Und deshalb seien die Maßnahmen gleichermaßen zumutbar wie existenziell. Wie sich zumutbar aber genau definiert, wird in dem Entwurf nicht erläutert. Ist es zumutbar, dass User sich mit dem Smartphone registrieren oder sollten sie sich doch mit ihrem Ausweis registrieren? Das ist auch heute nicht eindeutig und rechtssicher geklärt. Amts- und Verwaltungsgerichte vertreten hier unterschiedliche Ansichten.

Unabhängig davon haben die oben beispielhaft beschrieben Registrierungsoptionen klare Schwächen: Denn in beiden Fällen kann der User immer noch nicht verbindlich getrackt werden. Abhilfe brächte da nur das Speichern der Verbindungsdaten aller WIFI Nutzer, quasi die Vorratsdatenspeicherung für öffentliche Hotspots – die dann von den gewerblichen Anbietern des freien Netzwerks zu gewährleisten wäre. Und das ist teuer, kompliziert und weckt ob der Datenmenge Begehrlichkeiten – eine Option also, die keiner wirklich haben möchte…

Somit kommen berechtigt Zweifel auf, ob mit dem Entwurf wirklich der Durchbruch gelingt. Würde der Referentenentwurf in seiner geplanten Version als Gesetz eingeführt, so würde im Jahr 2018 – in Internetmaßstäben nach gefühlten 100 Jahren – geprüft, ob es den erhofften Erfolg gebracht hat. Daran darf ebenfalls gezweifelt werden und das ist schade. Denn für Nutzer, Unternehmen, Anbieter und Hersteller wäre es wichtig, hier einen klaren und rechtssicheren Rahmen zu haben. Denn öffentliches WLAN ist ein wichtiger Baustein in der Digitalisierung. Und diese gelingt nur, wenn wir radikaler denken.

Übrigens: wer nicht gewerblich ein freies WiFi betreibt, bleibt weiterhin ein Störer. Das gilt für Privatleute oder private Interessensverbände und streng genommen auch für Kommunen(*) wie die Stadt Karlsruhe oder das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur(*), das kürzlich entschieden hat, sein WLAN für die Öffentlichkeit zu öffnen.

(*) diese bedienen sich des Tricks, das öffentliche WLAN durch einen Internetprovider ausstrahlen zu lassen, der schon das Provider-Privileg besitzt – ein Trick den man sich leisten können muss.

Redaktion

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