Georgios Rimikis

ist Senior Strategist CTO Office bei Hitachi Vantara.

Hätten Sie mal 2 Millisekunden?

Warum selbst kleinste Verbesserungen bei Speicherzugriffen für Unternehmenserfolg und IT-Budgets entscheidend sein können, erklärt Georgios Rimikis von Hitachi Vantara in seinem Blog für silicon.de.

Wir leben in einer globalisierten und vernetzten Welt, in der Daten eine immer größere Rolle spielen. Vor diesem Hintergrund kommt der Performance der eingesetzten Systeme eine Schlüsselrolle zu. Nehmen wir den Bereich Storage: Die Antwortzeiten moderner Speichersysteme liegen heute im Bereich von Tausendstel- bzw. Millisekunden. Diese Zeiteinheit ist so klein, dass sie die menschliche Vorstellungskraft arg strapaziert. Das hat zur Folge, dass Fortschritte bei der Geschwindigkeit von Storage kundenseitig häufig lediglich mit einem Achselzucken abgetan werden. “2 Millisekunden mehr oder weniger – was macht das schon aus?” Gute Frage. Meine Antwort: Eine Menge! Aber der Reihe nach.

Das Licht bewegt sich im Vakuum mit einer Geschwindigkeit von etwa 300.000 Kilometern pro Sekunde. Daten breiten sich mit rund 70 Prozent der Lichtgeschwindigkeit in Glasfasern aus, in ca. 2,7 Millisekunden würden die Datenpakete also etwa die Strecke Berlin – München schaffen (laut Google Maps 584 Kilometer, aber so genau müssen wir da nicht sein).

Die neue ICE-Strecke der Bahn verbindet die beiden Städte übrigens in knapp vier Stunden. Bei den Olympischen Spielen in Nagano 1998 siegte die deutsche Rodlerin Silke Kraushaar hauchdünn vor ihrer Teamkollegin Barbara Niedernhuber. Ihr Vorsprung betrug – Sie ahnen es – gerade einmal 2 Millisekunden.

Wissenschaftler haben einmal herausgefunden, dass die Reizschwelle des Menschen bei 3 Millisekunden liegt, das entspricht dem Flügelschlag einer Stubenfliege. Barbara Niedernhuber hätte also ihre Niederlage nicht einmal bemerkt, wenn sie direkt neben ihrer Konkurrentin gefahren wäre. Sie lag nicht einmal einen Wimpernschlag zurück, das wären nämlich mindestens 100 Millisekunden.

Man kann aber sicher nicht sagen, dass diese 2 Millisekunden für sie keine immense Bedeutung gehabt hätten, sie machten immerhin den Unterschied zwischen einem Olympiasieg und einer Silbermedaille aus, die sich angesichts des knappen Ausgangs wahrscheinlich wie eine Niederlage anfühlte.

Zurück zum Speichersystem: Die Antwortzeiten moderner Flash-Speicher liegen zwar im Bereich von Mikrosekunden (10-6), aber für Storage-Systeme mit Festplatten oder gemischten Array sind immer noch Millisekunden realistisch.

Nehmen wir einmal an, dass aus irgendeinem Grund die durchschnittliche Antwortzeit eines Speichersystems von 4 auf 2 Millisekunden gesenkt würde. Durch die Zeitersparnis könnte ein Mitarbeiter in 8 statt in 12 Stunden mit seiner Arbeit fertig sein. Bei einem Stundenlohn von 50 € wäre die Differenz 200 € – pro Tag. In einem Betrieb mit 300 Mitarbeitern lägen wir hochgerechnet bei 60.000 € pro Tag, bei 220 Arbeitstagen entspräche das 13.200.000 € pro Jahr. Um Kritikern direkt den Wind aus den Segeln zu nehmen: Natürlich handelt es sich in der Kalkulation um ein Modell. Aber um ein Nachvollziehbares.

Zur Bedeutung von Modellen möchte ich abschließend eine Anekdote zum Besten geben, die dem österreichischen Physiker Victor Weisskopf (1908 – 2002) zugeschrieben wird. Er wurde gefragt, wieso die österreichische Bahn Fahrpläne aufstellen würde, wo doch ohnehin alle Züge verspätet seien. Seine Antwort: “Ohne Pläne wüsste die Bahn ja nicht, wie viel Verspätung die Züge haben.” Und ohne die oben genannten Beispiele wüssten Unternehmen vielleicht nicht, wieviel 2 Millisekunden wert sein können.