Günter Freiherr von Gravenreuth muss 14 Monate in Haft

Der Rechtsanwalt war im September 2007 wegen versuchten Betrugs vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Dagegen hatte er Berufung eingelegt. Initiator des Verfahrens war die taz, weil Gravenreuth im Mai 2007 die Zeitung abgemahnt hatte, da er eine so genannte Double-opt-in-Mail erhalten habe. Dabei muss der Empfang des Newsletters erst nochmals per E-Mail bestätigt werden. So soll die Identität des Bestellenden verifiziert werden. Gravenreuth erwirkte beim Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung – die Mail sei ohne seine Zustimmung an ihn gegangen. Die taz musste dem Anwalt daraufhin rund 663,71 Euro überweisen.

Trotz erfolgter Bezahlung ließ Gravenreuth die Internetdomain der Zeitung pfänden. Laut taz hat Gravenreuth den Zahlungseingang zwar bestätigt, ihn aber keinem Gerichtsbeschluss zuordnen können. Gravenreuth führt dagegen an, die Zeitung habe den Verwendungszweck der Überweisung unklar angegeben. Er habe das Geld deshalb anderen noch offenen Forderungen zugeschrieben.

Umgehend gab der Anwalt die Domain www.taz.de zur Versteigerung frei und warb auf seiner Homepage dafür. Die taz erwirkte jedoch im Oktober vergangenen Jahres eine einstweilige Verfügung beim Landgericht und stellte Strafanzeige wegen versuchten Betruges. Gravenreuth habe wahrheitswidrig gegenüber dem Vollstreckungsgericht behauptet, er sei nicht bezahlt worden. Polizisten hatten nämlich bei einer Durchsuchung seiner Kanzlei ein Fax entdeckt, dessen Eingang Gravenreuth bestritten hatte.

Die taz erklärte, der Anwalt habe vor Gericht das Übersehen des Faxes mit dem Chaos in seinem Büro erklärt. Auch habe er versucht, “mangelnde Rechtskenntnis” als strafmildernd anzuführen. In ihrem Urteilsspruch maßregelte die zuständige Richterin den Anwalt: “Die Allgemeinheit muss vor Ihnen geschützt werden”.

Ein Jahr später bestätigte das Amtsgericht das Urteil. Diesmal floss allerdings in das Strafmaß ein Urteil des Landgerichts München I mit ein. Dieses sah im April 2008 sowohl den Tatbestand der Veruntreuung von Mandatengeldern sowie Urkundenfälschung als erwiesen. Das Münchner Gericht setzte die Haftstrafe von elf Monaten auf Bewährung aus. Das Berliner Gericht dagegen setzte eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten ohne Bewährung fest, da sie dem Angeklagten “keine positive Legal- und Sozialprognose” bescheinigen konnten. Dies wurde nun vom Berliner Kammergericht bestätigt. Zudem machte es aus “versuchten” Betrugs einen “vollendeten”. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Wann von Gravenreuth seine Haftstrafe antreten muss, ist bisher noch nicht bekannt. Darüber hinaus droht ihm der Verlust seiner Zulassung als Anwalt. Dem Mann bleibt nach Expertenmeinung nun nur noch die Möglichkeit des Gnadengesuchs. Diese erscheint jedoch äußerst unwahrscheinlich. Das Schreckgespenst des deutschen Internets ahndete schließlich auch kleinste und eigentlich unbedeutende Fehler mit Abmahnungen– er erhob also die Gnadenlosigkeit zum Geschäftsprinzip.In Wikipedia sind seine Aktivitäten hinlänglich dokumentiert.

Silicon-Redaktion

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  • Hochmut kommt vor dem Fall
    Ich muss die Justiz beglückwünschen. Endlich hat es ihn getroffen. Ich kenne sein Treiben seit den Tanja-Briefen und weiss daher, dass er schon seit jeher immer am Rande der Legalität gehandelt hatte. Habe seine Abmahnwelle bei verschiedenen Website-Betreibern miterlebt (war aber zum Glück nie selbst betroffen).
    Jetzt hat es den Abmahnanwalt auch endlich erwischt. Ich wünsche ihm viel Spass bei seinem Aufenthalt. Der Rechtsanwaltskammer kann man nur nahelegen ihm die Zulassung zu entziehen.
    Justitia mag die Augen verbunden haben, aber bekanntlich findet auch ein blindes Huhn mal ein Korn.

  • Kommentar zum Kommentar
    Markus Haupts Kommentar kann man nur unterschreiben. Er zeichnet sich allerdings außer durch den Inhalt auch durch seine einwandfreie grammatische und sprachliche Form aus, die angesichts vieler anderer Kommentare, die man hier lesen kann, mittlerweile eine Rarität darstellt. Hoffentlich ist das keine Eintagsfliege in diesem Forum.

    Frank Raudszus

  • Noch eines zum Thema
    Erstmal vielen Dank für die Blumen, ich bin sicherlich nicht immer perfekt in Wort und Ton, aber ich versuche es. Auch ein Kommentar ist eine Art Aushängeschild und sollte daher bewusst verfasst werden.
    Um eines zum Thema noch klar zu stellen. Ich bin nie mit Herrn von Gravenreuth juristisch aneinandergeraten. Eher stehen wir beide wohl auf der "gleichen" Seite, wenn man den Urheberschutz und das Internet-Recht betrachtet. Nur verurteilte ich schon vor Jahren seine Vorgehensweisen und Methoden. Er nutze die Mittel nur zum Zwecke der Selbstbereicherung und daher war dieses Ende eigentlich zwangsläufig.

  • Hat zu lang gedauert
    Wenn man bedenkt, dass Herr G. sein Unwesen schon lang vor dem Aufkommen des WWW zu Zeiten des BTX trieb - ich erlebte ihn live im Bunker Ulmenwall in Bielefeld - dann hat es viel zu lang gedauert, bis diesem Mann ein Denkzettel verpasst wurde.

    Er hat unser schwammiges und vor allem in Onlinedingen völlig rückständiges Gesetz nach allen Regeln der Kunst missbraucht, und das wissen die Gerichte nicht erst seit ein paar Monaten.

    Dass jetzt noch nicht einmal sicher ist, ob ihm sein Anwaltspatent entzogen wird, spricht für sich.

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