Am Anfang liegt der Mensch mit vollen Windeln in einer ihm völlig fremden Welt und schreit. Eine ausgesprochene Scheißsituation ist das. In der wird er getauft. Kostenpunkt: ein Leben voller Demut und Glaube, alternativ: zwischen 5 und 50 Euro für den späteren Kirchenaustritt.

Später dann versucht der Mensch mit zittriger Stimme und schwitzigen Händen, einen anderen, meist einen des anderen Geschlechts, dazu zu bewegen, mit ihm eins zu werden. Ehe nennt sich das entsprechende Sakrament. Kosten: nach ein paar Jahren gegebenenfalls die obligatorische größere Spende, um die Unauflösliche kirchenrechtlich für nichtig erklären zu lassen.

Und kaum hat man sich daran gewöhnt, dass Leben und Eins-werden richtig Freude bereiten kann, steht auch schon die letzte Ölung an. Kosten: jenes Leben, wovor man sich in den Windeln gefürchtet hat.

Alles hat eben seinen Preis. Und jener, den sie aufgrund der sehr spezifischen Nähe zu ihren Kunden erzielt, sichert der Kirche seit Jahrhunderten ihr Auskommen.

Allerdings ist ihr Geschäftsmodell nicht übertragbar. Man lässt sich von Microsoft vielleicht einseifen, aber nicht ölen. Deshalb suchen Unternehmen über das Lachen des Menschen Zugang zu seinem Gemüt. Und weil sie letzteres für eher schlicht halten, sind auch ihre Werbespots danach.

Adaptiert wiederum haben sie die alte klerikale Business-Regel, dass niedere Ziele am effektivsten der durchsetzt, der über höhere redet. Microsoft hat dieser Tage Journalisten befragt, was sie von dem Unternehmen halten.

Aussagen wie diese sollte man bewerten: “Microsoft engagiert sich für den Standort Deutschland als good citizen.” Um 9:15 Uhr ging die Mail ein. Ob die glauben, dass die Leute, die über sie schreiben, schon vormittags größere Mengen Alkohol zu sich nehmen?

Und: “Microsoft ist vertrauenswürdig.” Da ist es wieder, dieses Vertrauen, das Großtanten, die Heilige Mutter Kirche und IT-Unternehmen brauchen, um ihre Absichten umsetzen zu können.

Das Gegenteil von Vertrauen ist der Zweifel und dessen sprachlicher Ausdruck die Frage. Großtanten, Kleriker und Unternehmen mögen deshalb keine Fragen, weil sie sich aufs Antworten verlegt haben.

Microsoft setzt diesbezüglich Maßstäbe. Damit publizistische Billigproduktionen vorgefertigte Antworten ansprechend illustrieren können, stellt die deutsche Niederlassung hochauflösende Bilder aller ihrer hiesigen 16 Pressesprecher und –sprecherinnen ins Netz. Ihre Telefonnummern allerdings hält sie geheim, weil das ja nur zu Fragen verleiten könnte.

Wer trotzdem der Versuchung nicht widerstehen kann, wird von einer Sekretärin abgefangen und aufgefordert, das wohl Unvermeidliche schriftlich einzureichen. Umgehend erhält er dann Antwort: “Gerne haben wir Ihre Interviewanfrage an unsere Pressesprecherin weitergeleitet. Leider können wir noch nicht sagen, ob wir Ihnen kurzfristig einen Interviewpartner zu diesem Thema zur Seite stellen können. Aktuelle News, Informationen und Materialien zu Microsoft und Microsoft-Produkten finden Sie unter…”

Dem Schreiber ist es unlängst wieder so gegangen. Er wollte etwas über diesen Internet Explorer wissen, für den der Konzern so wirbt. Bei dem geht’s ja einigen Kartellwächtern wie der schockierten Ehefrau im Werbespot: O.M.G.I.G.P. – “Oh my God I’m gonna puke.” Aber es war kein Statement zu bekommen.

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Silicon-Redaktion

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