Kontrollbefugnis des Arbeitgebers: Internet- und E-Mail

Das Problem

Will ein Arbeitgeber aus einer missbräuchlichen Nutzung der Telekommunikationsanlagen durch einen Mitarbeiter arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen, ist er darauf angewiesen, den Einsatz von Internet und E-Mail zu überwachen und zu kontrollieren. Auch wenn ein Mitarbeiter über längere Zeit erkrankt oder ein Arbeitsverhältnis – etwa aufgrund fristloser Kündigung – plötzlich beendet wird, kann sich für den Arbeitgeber die Frage stellen, wie er nun Kundenanfragen bearbeiten soll, die an die E-Mail-Adresse des Mitarbeiters gerichtet sind.

Der Arbeitgeber als Telekommunikationsanbieter?

Gestattet der Arbeitgeber seinen Beschäftigten die Nutzung der betrieblichen E-Mail-Adresse auch zu privaten Zwecken, wurde in der Vergangenheit meist daraus gefolgert, der Arbeitgeber sei Anbieter von Telekommunikationsdiensten im Sinne von § 3 Nr. 6 TKG. Der Arbeitgeber hat dann im Verhältnis zu den Mitarbeitern das Fernmeldegeheimnis, § 88 TKG, zu wahren. Diskutiert wird weiter, ob durch § 88 TKG nur die laufende Kommunikation geschützt wird und darüber hinaus zwischen einer E-Mail-Kontrolle auf dem lokalen Endgerät und solchen auf dem unternehmenseigenen Server zu unterscheiden ist. Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit ging bislang in allen Fällen der erlaubten Privatnutzung davon aus, dass § 88 TKG einschlägig ist.

Geht man davon aus, dass Telekommunikationsrecht anwendbar ist, gelten für die Kontrolle von Internet– und E-Mail-Nutzung die gleichen Grundsätze wie beim privaten Telefonieren. Eine Protokollierung der Nutzung darf ohne Einwilligung des Arbeitnehmers nur erfolgen, wenn sie allein zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung, zur Sicherung des ordnungsgemäßen Betriebs der Verfahren oder zu Abrechnungszwecken erforderlich ist, oder der konkrete Verdacht auf eine strafrechtlich relevante Nutzung vorliegt. Sollte der Mitarbeiter zur Kostenerstattung verpflichtet sein (was aber meist nicht der Fall ist), können zusätzlich die Abrechnungsdaten festgehalten werden.

Das heißt letztlich: Ohne eine entsprechende Regelung in einer Vereinbarung, Weisung, Richtlinie oder Betriebsvereinbarung oder ohne die Einwilligung des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber letztlich keinerlei Kontrollbefugnisse.

Urteil: Neue Richtlinien

Demgegenüber hat nun das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in einem kürzlich bekannt gewordenen Urteil vom 16. Februar 2011 entschieden, dass der Arbeitgeber nicht allein dadurch, dass er seinen Beschäftigten gestattet, einen dienstlichen E-Mail-Account auch privat zu nutzen, zum Diensteanbieter im Sinne des Telekommunikationsgesetzes wird. Er unterliegt somit auch nicht dem Fernmeldegeheimnis und kann damit auch bei erlaubter oder geduldeter Privatnutzung auf dienstliche E-Mails eines Mitarbeiters zugreifen, wenn er bestimmte Vorkehrungen trifft.

Zu berücksichtigen ist jedoch auch nach der Entscheidung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters gemäß Art. 2 Abs. 1 GG, da durch die Öffnung des dienstlichen E-Mail-Accounts angesichts der privaten Nutzung der dienstlichen E-Mail-Adresse ein Zugriff auf private E-Mails nicht ausgeschlossen werden kann. Im Rahmen einer Güterabwägung muss daher im Einzelfall ermittelt werden, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht gegenüber den schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers den Vorrang verdienen würde.

Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber sowohl den Betriebsrat als auch den Datenschutzbeauftragten bei der Öffnung des E-Mail-Accounts hinzugezogen. Für diesen Fall hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg angenommen, dass dann die Interessen des Arbeitgebers Vorrang genießen.

Damit hat das Gericht allen Arbeitgebern einen konstruktiven und vor allem praxisnahen Weg aufgezeigt, wie sie sich gesetzeskonform verhalten können, um an die dienstlichen Mails zu gelangen. Die rechtlichen Risiken dürfen hier allerdings auf Seiten des Arbeitgebers weiter nicht unterschätzt werden, da ein Verstoß eine Verletzung des Arbeitsvertrages darstellt und trotz der Nichtanwendung des Fernmeldegeheimnisses auch eine Strafbarkeit nicht ausgeschlossen ist.

Gesetzentwurf zum Beschäftigtendatenschutz

In die Richtung einer Güterabwägung geht auch der Gesetzentwurf zum Beschäftigtendatenschutz vom 25.08.2010. Allerdings ging der Gesetzgeber im Rahmen der vorangegangenen monatelangen Diskussionen noch davon aus, dass das TKG und damit das Fernmeldegeheimnis zur Anwendung kommt. Ferner enthält der Gesetzentwurf keine Regelung für in der Praxis meist gegebenen Fall, dass die private Nutzung erlaubt oder geduldet wird. Der Gesetzentwurf wurde unter anderem auch deshalb vielfach scharf kritisiert. Am 23.05.2011 hat nun eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen im Innenausschuss zum geplanten Gesetz stattgefunden. Welche gesetzlichen Neuregelungen hier auf die Arbeitgeber zukommen, vermag aber noch kaum jemand zu sagen. Es empfiehlt sich daher, die Entwicklungen genau zu beobachten.

Silicon-Redaktion

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