LTE – Das Mobilfunknetz der Zukunft mit Anlaufproblemen

Der Mobilfunkstandard LTE (kurz für Long Term Evolution – häufig auch als 4G bezeichnet) ist der potentielle Nachfolger der UMTS-Technologie. LTE hat gegenüber UMTS wesentliche Vorteile: Das LTE-Netz ermöglicht höhere Down- und Upload Geschwindigkeiten, die sogar heutige ADSL Breitband Internetanschlüsse übertreffen können. Unter Verwendung des 800-MHz-Frequenzbands, das durch das Abschalten des analogen Fernsehens frei wurde und Gebäudewände durchdringt, eignet sich LTE daher auch als Alternative zum herkömmlichen DSL Anschluss.

Darüber hinaus ermöglicht LTE geringere Latenzzeiten – also die Antwortzeiten zwischen Nutzer und dem Netz – die vor allem bei Echtzeit-Anwendungen wie Videotelefonie oder Online-Spiele von Bedeutung sind. Last but not least nutzt LTE die Radio-Frequenzbänder effizienter als UMTS und kann somit höhere Datenkapazitäten bereitstellen.

Im Jahr 2010 ersteigerten Telefónica Germany (O₂), Vodafone und die Deutsche Telekom Frequenzpakete im angesprochenen 800-MHz-Bereich, um sie für LTE zu verwenden. Seit der Lizenzenzvergabe haben die drei Netzbetreiber in den Um- und Ausbau der LTE-Netzinfrastruktur investiert. Vodafone startete die ersten LTE-Dienste im Dezember 2010, die Deutsche Telekom und O₂ folgten in 2011. Doch bislang konnte sich LTE nicht wie in anderen Ländern etablieren und Kundenzahlen blieben gering. IDC geht davon aus, dass Ende 2011 in Westeuropa 270.000 Kunden LTE nutzten – das entspricht nur ca. 2 % der weltweiten Nutzer. Regionen wie Nordamerika, Japan oder Korea sind in ihrer Entwicklung wesentlich weiter.

Doch warum gelang LTE der Durchbruch noch nicht in Deutschland?

Die folgenden vier Gründe haben die Einführung von LTE als neuen Mobilfunk¬standard in Deutschland verlangsamt:

• Obligationen im Rahmen der Lizenzierungsvergabe: Unter dem Motto “erst Land dann Stadt” waren mit dem LTE-Lizenzerwerb Verpflichtungen der Netzbetreiber verbunden, zunächst ländliche Gebiete ohne Breitbandanschluss mit LTE abzudecken. In jedem Bundesland müssen erst 90 Prozent dieser sog. “weißen Flecken” auf dem Land mit Breitband-Internet versorgt sein, bevor der Ausbau in den Städten erfolgen kann. Zwei Jahre nach der Lizenzvergabe ist LTE daher bis auf Ausnahmen noch nicht in den Städten – und beim größten Kundenpotential – angekommen.

• Geringe Notwendigkeit zur Steigerung der Netzkapazitäten: Engpässe mit den Netzkapazitäten waren in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern eher gering. So waren Netzbetreiber in den USA in einigen Großstädten einem sehr starken Datenverkehr ausgesetzt – gleichzeitig standen ihnen keine weiteren Frequenzen im 3G Netzwerk zur Verfügung, um die Kapazitäten auszudehnen. Dies resultierte in Unzufriedenheit der Kunden und schließlich auch zu einem schnelleren Ausbau des LTE-Netzes in den USA.

• Unterstützung von mobilen Sprachdiensten birgt Herausforderungen: LTE nutzt eine end-to-end IP-Architektur und ist daher grundsätzlich ein Datennetz, das nicht in erster Linie der Sprachübermittlung dient. Traditionelle Sprach- oder SMS-Dienste müssen daher an das neue Netzwerk angepasst werden. Derzeitige LTE-Smartphones wechseln deswegen zur Sprachtelefonie in das 2G bzw. 3G Netz. Dies kann jedoch zu langen Gesprächsaufbauzeiten führen und die Akkulaufzeiten einschränken. LTE-Smartphones mit nahtloser Sprachtelefonie befinden sich noch in der Testphase und werden aus IDC-Sicht in naher Zukunft nicht verfügbar sein.

• Begrenzte Auswahl an LTE-fähigen Geräten: Bis vor kurzem waren die einzigen LTE-fähigen Geräte USB-Surfsticks und WLAN Router, die für mobil arbeitende Personen oder in Regionen, in denen keine Breitbandanschlüsse verfügbar sind, attraktiv sind. Viele Nutzer sind jedoch daran interessiert, LTE für ihr Smartphone oder ihren Tablet-PC zu nutzen. Die ersten LTE-fähigen Geräte waren vor zirka 6 Monaten verfügbar und wurden in erster Linie für den US Markt entwickelt. Da LTE in den USA auf unterschiedlichen Frequenzen eingesetzt wird, waren Geräte wie das iPad 3 oder das Lumia 900 mit den deutschen Netzen nicht kompatibel. Mittlerweile bieten die Netzbetreiber in Deutschland erste Smartphones und Tablet-PCs an.

Warum sich LTE trotzdem durchsetzen wird

Zunächst wird sich ein Teil der angesprochenen Herausforderungen abmildern:

• Die Bundenetzagentur meldete am 25. Juni, dass fast alle Auflagen zum LTE-Ausbau in ländlichen Gebieten erfüllt seien. Die Netzbetreiber werden daher nun verstärkt in die LTE-Verfügbarkeit in den Städten investieren. Laut Netzbetreiber sollen bis Ende 2013 50 % der Bevölkerung Zugang zum neuen Hochgeschwindigkeitsnetz erhalten.

• Die Verbreitung von Smartphones wird weiter steigen (für Westeuropa sagt IDC 25 % Wachstum in 2012 voraus) – damit einhergehend ist von einem starken Anstieg des mobilen Datenverkehrs zu rechnen. Diese Entwicklung erfordert größere Netzkapazitäten, die durch die LTE Technologie ermöglicht werden.

• Durch die Einführung der ersten LTE-fähigen Smartphone Generation werden Hersteller und Anbieter Erfahrungen bezgl. Gesprächsaufbauzeiten und Akkulaufzeiten sammeln, die sie in die Optimierung neuer Produkte einfließen lassen. IDC geht davon aus, dass die Verfügbarkeit von LTE-Smartphones und -Tablets im Laufe des Jahres allmählich zunehmen wird.

Durch die technologische Überlegenheit des LTE Standards entstehen außerdem Anwendungsszenarien, die zu einem zunehmenden Druck der Nachfrageseite führen werden. Beispielsweise profitieren mobile Arbeitnehmer durch das LTE Netz von schnelleren Übertragungsraten, können Cloud Services effizienter nutzen oder mit ihren mobilen Geräten an Videokonferenzen teilnehmen.

Private Anwender können die Vorteile von LTE auf ihren mobilen Geräten zum Beispiel beim flüssigen Abspielen von Videoinhalten (Video Streaming), schnelleren Surfen im Internet oder zügigen Filesharing erfahren. Durch die hohen Übertragungsraten und die geringe Latenzzeit wird aller Voraussicht nach auch das mobile Online (Multiplayer) Gaming zunehmen.

Darüber hinaus ist zu erwarten, dass die Telekommunikationsanbieter nach den Erfahrungen mit den “early LTE adopters” ihr Marketing ausweiten werden und somit die breite des Markts erschließen wollen. Dadurch kann LTE den derzeit mit sog. “All-Net-Flats” konfrontierten Telko-Anbietern ein Differenzkriterium bieten und zu einer Steigerung der Margen des gebeutelten Consumer Geschäfts beitragen.

Redaktion

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  • Nun ja, von LTE bin ich noch nicht so ganz überzeugt und kann Hernn Schulte bei seiner rosigen Zukunft nicht folgen. Die Gründe liegen in der zu geringen Bandbreite, Ein LTE-Mast ist schließlich auch nur mit einer Kupfer oder Glasfaser ans Internet angeschlossen. Folge:
    Nutzen mehrere Nutzer die über die Luftschnittstelle gebotene Geschwindigkeit sinkt die Geschwindigkeit für alle anderen Nutzer. Surft z.B. abends ein ganzes Dorf (oder versuchen mehrere "Businessmänner" in einer LTE Funkzelle eine Videokonferenz zu machen) so führt das zu keinem tollen Ergebnis.
    Deswegen bieten die Netzbetreiber auch für nagelneue LTE keine Flatrates an sonden drosseln nach spätestens 5GB. Das geht technisch einfach nicht anders da die Gesamtbandbreite an der Luftschnittstelle nicht unendlich ist.
    Und deswegen werden diese Utopien von Videostreaming oder Telekonferenzen oder Spielen über LTE vorerst nichts werden.

    • Hallo Marcel,
      vielen Dank für Ihren Kommentar.
      Bei den Anwendungszenarien sollten wir differenziert betrachten. Beispielsweise ist Videostreaming heute sicherlich keine Utopie mehr, wenn Sie sich die Nutzung von Videoportalen wie Youtube auf mobilen Endgeräten anschauen. Bei Online Spielen wird es sich vermutlich zunächst um Spiele a la Farmville handeln. Diese Dienste profitieren von der höheren Übertragungsgeschwindigkeit und geringen Latenzzeit von LTE im Vergleich zu UMTS und werden durchaus in der von Ihnen angesprochenen Datenkapazität nutzbar sein - die im Übrigen wesentlich höher ist als die derzeitige.
      Darüber hinaus wird es interessant sein zu sehen, mit welchen Tarifangeboten Telko-Anbieter Business-Kunden ansprechen werden.
      Mit den besten Grüßen,
      Mark Schulte

  • Bei den Gründen dafür, warum LTE sich noch nicht durchsetzt, fehlt mir ein ganz wesentlicher Aspekt, und zwar die Tarifgestaltung der Anbieter mit der Volumenbegrenzung!
    Was nützt mir ein toller LTE-Zugang, wenn ich nach 10 oder 15 GB Downloadvolumen auf ISDN-Geschwindigkeit runtergeregelt werde?
    Da nützen mir die oben geschilderten vielen tollen Möglichkeiten nichts, weil ich mich schlicht bescheiden und aufpassen muss, nicht zuviel Aktivität im Netz zu entwickeln.
    Als Bewohner eines unterversorgten Gebietes, in dem LTE sehr früh ausgerollt wurde, kann ich aus vielen Gesprächen nur sagen, dass gerade die Tarifpolitik der Anbieter und insbesondere die Volumenbeschränkung viele potentielle Kunden (auch mich!) davon abhält, einen LTE-Vertrag zu schließen. Dafür sind die Angebote vergleichsweise auch viel zu teuer.

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