Das BGH-Filesharing-Urteil und die Folgen (Morpheus)

Der BGH (Urt. v. 25.11.2012 – I ZR 74/12) hat in einem von der Kölner Medienrechtskanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE geführten Verfahren entschieden, dass Eltern für Urheberrechtsverletzungen ihrer Kinder im Internet nicht haften, wenn sie ihnen die Nutzung von Tauschbörsen verboten haben. Eine darüber hinausgehende Kontrolle der Internetnutzung sei grundsätzlich nicht erforderlich.

„Was bedeutet dieses Urteil nun konkret für die Eltern? Wie könnte eine solche Belehrung aussehen? Und müssen die Eltern jetzt bei einer Abmahnung ihr Kind belasten? Welche Folgen könnte das für das Kind haben? Alle diese Fragen werden uns zur Zeit gestellt. Eine endgültige Einschätzung können wir natürlich erst abgeben, wenn uns die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen. Dies wird jedoch voraussichtlich erst im Februar 2013 der Fall sein. Aufgrund des riesigen Interesses an der Entscheidung haben wir daher eine Vorabeinschätzung der Auswirkungen des BGH Urteils verfasst.

Was müssen Eltern konkret tun, um nicht haften zu müssen?

Laut Urteil des BGH müssen Eltern ihre Kinder darüber belehren, dass sie keine Tauschbörsen nutzen dürfen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um ein normal entwickeltes Kind handelt, welches die grundlegenden Ge- und Verbote der Eltern befolgt. Eine darüber hinausgehende Kontrolle, z.B. der installierten Programme auf dem PC des Kindes, ist dann nicht erforderlich.

Wie muss diese Belehrung erfolgen?

Viele Eltern stellen sich nun natürlich die Frage, wie sie denn beweisen sollen, dass sie ihr Kind entsprechend belehrt haben. In unserem Verfahren hat es genügt, dass die Eltern glaubhaft dargelegt haben, dass eine ausreichende Belehrung erfolgt ist. Aus Gründen der Beweissicherheit ist es jedoch ratsam, eine schriftliche Vereinbarung mit dem Kind zu treffen, in der Art und Umfang der Internetnutzung geregelt werden. Wir arbeiten gerade an einer kindgerechten Mustervereinbarung, die wir Eltern und Kindern auf www.wbs-law.de kostenlos zur Verfügung stellen werden. Schon jetzt ist über die Webseite der Kanzlei das “Handbuch Filesharing – ein praktischer Leitfaden für Eltern” zum kostenlosen Download abrufbar.

Haftet jetzt das Kind?

Theoretisch ist es denkbar, dass Kinder, die die erforderliche Einsichtsfähigkeit besitzen, selbst in die Haftung genommen werden könnten. Die Musikindustrie müsste dann jedoch beweisen, dass das Kind zum Tatzeitpunkt die erforderliche Einsichtsfähigkeit hatte. Realistisch wird man dies wahrscheinlich erst ab einem Alter von 13-14 Jahren annehmen können, wobei es natürlich stark auf den jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes ankommt. Derzeit ist noch völlig offen, ob es die Musikindustrie wagen wird, die Kinder selbst in die Haftung zu nehmen.

Sollen die Eltern bei einer Abmahnung jetzt auf ihr eigenes Kind verweisen?

Unklar ist derzeit auch, inwieweit Eltern auf ihre Kinder verweisen können, ohne diese konkret belasten zu müssen. Denkbar ist nach unserer Auffassung, dass bereits die Möglichkeit ausreicht, dass ein im Haushalt des Abgemahnten lebendes Kind die Urheberrechtsverletzung begangen hat. So hat das OLG Köln eine Ehefrau von der Haftung für eine Urheberrechtsverletzung befreit, weil sie hinreichend plausibel dargelegt hatte, dass ihr Ehemann als Täter in Frage kommen würde. Diese Rechtsauffassung ließe sich auch auf das Eltern-Kind Verhältnis übertragen. Danach würde es genügen, wenn bei einer Urheberrechtsverletzung auch ein Kind als Täter in Frage kommen würde. Konkret belasten müssten die Eltern ihr Kind aber nicht.

Lässt sich dieses Urteil auch auf die Störerhaftung übertragen?

Ja. Der BGH hat hier sowohl eine täterschaftliche Haftung der Eltern, als auch eine Störerhaftung verneint. Der Umfang der Aufsichtspflichten der Eltern, über den der BGH hier entschieden hat, entspricht dem Umfang der Pflichten, denen Eltern im Rahmen der Störerhaftung nachkommen müssen. Alles andere würde zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Denn auch bei der Störerhaftung spielt die Frage nach der Zumutbarkeit von Handlungspflichten der Eltern eine entscheidende Rolle. Ob das Urteil auch auf andere Familienkonstellationen, etwa zwischen Großeltern und Enkelkindern, oder Stiefeltern und Stiefkind übertragbar ist, ist derzeit noch unklar. Es dürfte jedoch auf alle Konstellationen anwendbar sein, in denen eine Aufsichtspflicht nach § 832 BGB besteht. Dies ist unter anderem auch bei Adoptiveltern und bei Vormundschaft der Fall.

Welche Auswirkungen hat das Urteil, wenn ich schon auf eine Abmahnung gezahlt habe oder einen Vergleich geschlossen habe?

In diesem Fall kommen die Eltern aus der Nummer leider nicht mehr raus. Eine Rückforderung des gezahlten Geldes oder eine Anfechtung des Vergleiches ist danach nicht möglich.

Wie sieht es mit der Höhe der Abmahnkosten aus?

Derzeit ist zu vermuten, dass das Gericht hierzu leider keine Ausführungen machen wird. Da bereits eine Aufsichtspflichtverletzung der Eltern abgelehnt wurde, kam es in diesem Verfahren auf die Höhe der Abmahnkosten gar nicht mehr an. Was nicht entscheidungserheblich ist, wird von dem Gericht auch nicht entschieden.

Fazit

Die Entscheidung des BGH hat einiges in Bewegung gesetzt. Abgemahnten Eltern, bei denen minderjährige Kinder im Haushalt leben, können wir derzeit nicht raten, sich auf Vergleiche mit der Gegenseite einzulassen. Wir werden natürlich weiter darüber berichten, wie sich die Rechteinhaber, bzw. die abmahnenden Kanzleien nun verhalten.“

Redaktion

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  • Endlich wird hier dem Abmahnmißbrauch, einem Krebsgeschwür des bundesdeutschen Rechtswesens, in einem Teilbereich halbwegs ein Riegel vorgeschoben, zumal in keinem anderen Land dieser Welt in deren Rechtssystem so etwas Perverses praktiziert wird. Deshalb stürzen sich natürlich alle Abzocker dieser Welt auf die Bundesrepublik Deutschland, weil hier Kohle zu machen ist in einem kranken System, wozu leider deutsche sogenannte Verwertungsgesellschaften und geisteskranke Politiker, die dieses zudem noch tolerieren, hintergründig aus parteitaktischen Gründen wohl unterstützend, auch gehören.

  • Weiterhin gehört die Dokumentation über das richtige Verhalten im Strassenverkehr dazu, ebenso das Sozialverhalten, Umgang mit den eigenen Eltern und noch diverse andere Themenfelder, die besser per Vereinbarung mit dem Kind schriftlich festgehalten werden sollten.
    Dann können auch die Schilder aus der Steinzeit weg: Eltern haften für Ihre Kinder.
    Grüsse aus der verantwortungs-freien Zone,
    SchüKo

  • ein schreiben mit den Kind aufsetzen, wie ist das zu verstehen? beim unterschreiben das Kind dann vertreten, für mich hört sich das nach insich Geschäft an. mfg

    • Ja genau.Eine schriftliche Vereinbarung mit einer nicht geschäfts- und rechtsfähigen Person abschließen, macht voll Sinn. :-) - Trotz allem: Recht so! Endlich hat diese scheiss Abmahn-Mafia, die schon tausende Familien (und natürlich auch Singles) ins finanzielle Verderben geschickt haben, zumindest vorerst einen Riegel vorgeschoben. Vielleicht sollte man allein aufgrund dessen auch 'mal darüber nachdenken, ein Kind in die Welt zu setzen. :-)

  • Meiner Meinung nach ist das Urteil ziemlich gerecht. Wenn man als Elternteil nachweisen kann, dass man die Kinder genügend über die Gefahren im Internet belehrt hat, kann man, glaube ich, nicht viel mehr tun. Man kann sie ja nicht nonstop kontrollieren. Außerdem gibt es mittlerweile gewisse Musterverträge, in denen die Kinder und Eltern unterzeichnen.
    https://www.aid24.de/content/downloads/mustervertrag_der_aid24_rechtsanwaltskanzlei_zur_internetnutzung_durch_minderjaehrige_2014.pdf
    Spätestens wenn man den Kindern und Jugendlichen den Vertrag vor die Nase hält und sie unterschreiben sollen, werden sie mit dem Thema Filesharing konfrontiert. Dann muss man "wohl oder übel" die Kinder aufklären. :)

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