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KI-Trends: Kann ChatGPT das Contact Center revolutionieren?

Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, das Contact Center grundlegend zu verändern. Kürzere Reaktionszeiten für Kunden und niedrigere Betriebskosten sind nur zwei der vielen Vorteile, die sie mit sich bringen kann. Die Realität ist jedoch, dass von diesen Vorteilen heute nur ein kleiner Prozentsatz von Contact Centern weltweit profitiert. Doch warum sollten Unternehmen eine KI-Integration verzögern, wenn der Mehrwert so groß sind? Der Grund dafür ist, dass die Schulung und Wartung von KI-Modellen teuer ist und für jedes Contact Center angepasst werden müssen. Obwohl diese Kosten in den letzten zehn Jahren deutlich gesunken sind, bleiben sie für viele unerschwinglich.

In den vergangenen zwei Jahren gab es große Entwicklungen im Bereich der KI-Modelle für die Verarbeitung menschlicher Sprache (Natural Language Processing), wie sie von Contact Centern benötigt werden. Wir befinden uns jetzt in der sogenannten Large Language Model (LLM)-Phase. Das bekannteste dieser Modelle ist GPT-3 von OpenAI, aber es gibt auch andere Konkurrenzprodukte und Open-Source-Varianten. Bei diesen Modellen entfällt die Notwendigkeit, die KI anzulernen, und sie ermöglichen es, die Funktionalität des Modells anzupassen. Dies bedeutet wiederum, dass die Kosten für das Training und die Wartung von KI-Modellen drastisch sinken. Der Einsatz dieser Technologie in der Contact Center-Branche beseitigt das letzte Hindernis für die Einführung von KI auf dem Massenmarkt.

ChatGPT kann das Contact Center revolutionieren

Chatbots sind auf den ersten Blick eine offensichtliche Anwendung für ChatGPT. Sie sind jedoch nicht die Einsatzfelder erster Wahl, denn ChatGPT kann heute zwar Fragen beantworten, ist aber nicht in der Lage, Aktionen ausführen. Wenn ein Kunde den Kundenservice kontaktiert, sucht er Unterstützung, die über eine einfache Antwort hinausgeht. In vielen Fällen handelt es sich um komplexere Aufgaben wie die Bearbeitung einer Rücksendung, eine Kontokündigung oder eine Geldüberweisung. Wird dies irgendwann möglich sein? Zweifellos.

Wenn ChatGPT zur Beantwortung von Fragen verwendet wird, antwortet es auf der Grundlage von Informationen, die im Internet verfügbar sind. Es hat jedoch keinen Zugang zu Offline-Wissen. Oftmals geht es bei Kundenanfragen um Informationen, die nicht im Internet zu finden sind. Genau deshalb rufen Kunden häufig überhaupt erst den Kundenservice an. ChatGPT zeichnet sich besonders durch die Generierung von Text aus und erstellt neue Inhalte aus bestehenden Online-Informationen. Wenn ein Nutzer eine Marke kontaktiert, will er keine kreativen Texte, sondern unmittelbare Aktionen. All dies wird in Zukunft möglich sein, aber das bedeutet auch, dass der erste Anwendungsfall wahrscheinlich nicht Chatbots sind.

Sensibles Vertrauen der Kunden

Versuchen Unternehmen automatisierte Stimmen als menschliche Ansprechpartner auszugeben, führt dies zu einem Vertrauensverlust. Kein Kunde möchte sich getäuscht fühlen, wenn er feststellt, dass er mit einer KI kommuniziert hat. 2023 entscheidet das Kundenerlebnis über den Erfolg oder Misserfolg von Marken. Menschen wenden sich mehr denn je mit emotionalen und belastenden Problemen wie steigenden Lebenshaltungskosten, Reiseunterbrechungen und extremen Wetterbedingungen an den Kundenservice. Angesichts solcher Fragestellungen, die sich in diesem Jahr noch verschärfen könnten, werden jene Marken das Rennen machen, die Einfühlungsvermögen und Verständnis zeigen – Aspekte, die oft mit einem zwischenmenschlichen Kontakt einhergehen.

2023 werden Unternehmen daher auf ein besseres Gleichgewicht zwischen menschlichem und digitalem Kundenerlebnis hinarbeiten. Menschliches Einfühlungs- und Urteilsvermögen kombiniert mit der Geschwindigkeit und der Datenbreite einer KI sind entscheidend, um das steigende Volumen an sensiblen Kundenkontakten zu bewältigen. Diese Verlagerung hin zu einer kollaborativen und intelligenten Zusammenarbeit von Menschen und KI wird dazu beitragen, die Mitarbeiter zu stärken, und gleichzeitig mehr Self Service und Kundenzufriedenheit zu ermöglichen.

Aufbauen statt kaufen

Bislang entwickelten Anbieter von Contact Center-Software ihre KI-Lösungen vollständig intern weiter. Sie sammelten Daten von Kunden und verwenden sie zur Schulung, Anpassung, Testung, Optimierung und Wartung von KI-Modellen. Die geläufige Meinung war, dass sie im Bereich KI nur dann bestehen, wenn die Eigenentwicklung an erster Stelle steht und Zukäufe an zweiter. Viele der großen Technologieanbieter wie Amazon, Google und IBM leisten derzeit wichtige Arbeit. Sie können die hohen KI-Entwicklungskosten durch den Verkauf in einer Vielzahl von Märkten, die über den Contact Center-Markt hinausgehen, wieder hereinholen. Unternehmen sind nicht mehr gezwungen, viele Stunden damit zu verbringen, ihre eigenen Lösungen zu entwickeln, und diese Denkweise wird sich in Zeiten einer Rezession weiterverbreiten, da Führungskräfte versuchen, Kosten zu senken.

2023 wird sich der Trend entsprechend verstärken, da die Technologie immer komplexer und leistungsfähiger wird. Teams werden sich darauf konzentrieren, anhand der zur Verfügung stehenden Technologie Innovationen zu entwickeln, anstatt wertvolle Zeit und Ressourcen für die Entwicklung von individuellen KI-Modellen für Kunden und die Sammlung großer Datenmengen aufzuwenden. Dadurch wird ein neuer Maßstab für die Contact Center-Branche gesetzt, der ihr eine deutliche Verbesserung ihrer Arbeitsgrundlage beschert.

Jonathan Rosenberg

CTO und Head of AI, Five9

Roger Homrich

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