Mohit Joshi

ist President Head, Banking, Financial Services & Insurance (BFSI), Healthcare and Life Sciences Head, Infosys Brazil and Infosys Mexico.

Die Potenziale von Künstlicher Intelligenz und Big Data für die Präzisionsmedizin nutzen

Personalisierung findet überall statt. Gerade im Bereich Gesundheits- und Life Sciences birgt Personalisierung noch viel ungenutztes Potenzial.

Hyper-Personalisierung ist momentan eines der großen Buzzwords: Ein Taxi, das weiß, wo der Fahrgast sich befindet, ein Karten-Tool, das den Anwender proaktiv über die Verkehrsbedingungen zum genauen Zeitpunkt seiner Abfahrt zur Arbeit informiert, oder die persönlichsten Einkaufsempfehlungen auf E-Commerce-Websites – Personalisierung findet überall statt. Gerade im Bereich Gesundheits- und Life Sciences birgt Personalisierung noch viel ungenutztes Potenzial.

Kein Einheitsbrei mehr in der Medizin

Faktoren wie Genetik, Umwelt und Lebensstil beeinflussen zunehmend die Gesundheit und die Wirksamkeit von Behandlungen – aus diesem Grund ist der Bedarf an hyper-personalisierten Medikamenten nicht mehr wegzudenken. Die große Nachfrage fungiert darüber hinaus als Türöffner für die Präzisionsmedizin, welche sich durch eine patientenorientierte Behandlung und Medikation auszeichnet. Allerdings konzentriert sich die Präzisionsmedizin nicht unbedingt auf einzelne Patienten, sondern vielmehr auf die Verbesserung der Wirksamkeit einer Behandlung. Dazu werden Patienten in Untergruppen eingeteilt, die unter anderem auf Genetik, Umwelt und Lebensstil basieren. Mithilfe dieser Daten können Spezialisten besser und schneller die passenden Medikamente und Behandlungen bestimmen.

Der 2019 Global Life Sciences Outlook von Deloitte prognostiziert, dass der globale Markt für personalisierte Medizin im Zeitraum 2017 bis 2024 jährlich um mehr als elf Prozent steigen wird. Laut Deloitte gestalten Technologien wie Gesundheitsdatenanalyse und künstliche Intelligenz (KI) die Zukunft der personalisierten Medizin mit. Den größten Einfluss haben Big Data, KI und Verbrauchertechnologien dabei auf die Präzisions- und die personalisierte Medizin.

Aber ist das medizinische Ökosystem bereit, die Potenziale von Big Data und KI auszuschöpfen?

Eindeutig (noch) nicht. Mithilfe von Big Data und KI verstehen Mediziner die Faktoren, die eine Krankheit beeinflussen und wie sich entwickelt, besser – dies verbessert die diagnostische Präzision und optimiert Behandlungspläne. Die Herausforderung besteht jedoch darin, dass die meisten Krankenhäuser und Ärzte noch nicht bereit sind, diese Form der Analyse und KI im Praxiseinsatz zu unterstützen. Ziel sollte es sein, Mediziner mit genau den Big Data- und KI-gestützten Tools auszustatten, die sie für die personalisierte Behandlung der Patienten benötigen, sowie um Kosten für das Gesundheitssystem zu sparen. Auf dem Weg dorthin wurden bereits einige wichtige Meilensteine erreicht. Das volle Potenzial der Technologie lässt sich allerdings ausschöpfen, wenn Kollaboration und Informationsaustausch nahtlos erfolgen, das heißt: Alle Parteien des Ökosystems sind in die Datenerfassung und -analyse involviert. Die Daten werden dann bei kritischen Entscheidungen innerhalb des klinischen Workflows zu Rate gezogen, Patienten können in Echtzeit genomische und andere gesundheitsbezogene Daten teilen und Forscher werden mit den genomischen Informationen aus den elektronischen Gesundheitsakten ausgestattet. Hochwertige Daten sowie eine belastbare, zuverlässige technologische Infrastruktur, die Kollaboration ermöglicht, waren im Jahr 2019 der wichtigste Treiber für den Life Science-Sektor.

Um dies voranzutreiben, gilt es allerdings, zwei Herausforderungen zu adressieren: die hohen Kosten für das Studium der Human-Genomik sowie der fehlende rechtliche Rahmen. Nicht jede Partei eines medizinischen Ökosystems ist bereit, in Genomics und Präzisionsmedizin zu investieren – die Neuheit dieser Praktiken sowie Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes sind nur zwei Gründe für die Zurückhaltung. Anbieter, Kostenträger, Krankenhäuser und Gesundheitssysteme scheuen sich daher weiterhin, Projekte der Präzisionsmedizin zu finanzieren.

Wie geht es also weiter?

Datenzentrierter, plattformbasierter Ansatz

Im Laufe der Jahre haben sich elektronische Krankenakten sowie Wearable-Technologien durchgesetzt und sind kostengünstig geworden – theoretisch sind Patientendaten damit leichter zugänglich geworden. Um das volle Potenzial der Präzisionsmedizin zu erschließen, muss das Ökosystem jedoch bessere Wege finden, um diese Daten zusammenzuführen, zu teilen, zusammenzuarbeiten und schnellstmöglich lebensrettende Entscheidungen zu treffen. Dafür benötigt das Ökosystem Lösungen, die die derzeit bestehenden Datensilos zwischen den verschiedenen Gesundheitsbereichen aufbrechen. Dies kann nur durch einen plattformbasierten Ansatz geschehen, der große Datenmengen verarbeiten kann, um verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen.

Rahmenbedingungen weiterentwickeln

Momentan erlauben es die staatlichen Vorschriften nicht, das volle Potenzial der KI und von Big Data im Bereich der Life Sciences zu erschließen – insbesondere in der Präzisionsmedizin, die fast ausschließlich auf Bevölkerungsdaten ausgerichtet ist. Auch gibt es in den meisten Gesundheitssystemen weltweit keinen branchenübergreifenden Datenaustausch.

Regierungen, die Wissenschaft sowie das medizinische Ökosystem – also, Kostenträger, Anbieter sowie Pharma- und Technologieunternehmen – müssen gemeinsam Rahmenbedingungen entwickeln, die sich auf den Datenschutz und die ethischen Belange der KI konzentrieren und gleichzeitig ermöglichen, dass Big Data und die KI ihrem Potenzial in der Präzisionsmedizin gerecht werden.