Kartellstreit: Microsoft verkauft zu wenig Server-Code an Konkurrenten

Die gegen Microsoft verhängten Sanktionen aus dem Kartellverfahren in den USA greifen offenbar nicht so, wie das Gericht sich die Wirkung auf den Markt vorgestellt hatte. Die Vorsitzende Richterin Colleen Kollar-Kotelly beauftragte in ihrem Gerichtssaal Anwälte der zuständigen Bundesbehörden, die sich der Sammelklage gegen den Softwarekonzern angeschlossen hatten, zu untersuchen, warum seit dem Urteil nur neun IT-Unternehmen Windows-Servercode von Microsoft lizenziert hätten, um eigene Produkte mit den notwendigen Schnittstellen zu entwickeln.
“Alle Beteiligten hatten doch darauf gesetzt, dass sich mehr Interessenten finden würden”, so die Richterin. “Ich will jetzt aufgezeigt bekommen, woran das liegt.” Unter anderem haben der Netzwerkausrüster Cisco, der Wireless-Spezialist UT Starcom und der Softwarehersteller SCO Group Lizenzvereinbarungen mit Microsoft abgeschlossen. Von SCO hat Microsoft wiederum Unix-Lizenzen eingekauft – wie in der Branche spekuliert wird, auch um die Klagen gegen IBM, SGI und andere wegen der Verletzung von Unix-Urheberrechten in Linux zu unterstützen.

Nach Angaben der Regierungsvertreter werde es aber Monate dauern, um den Ursachen der geringen Lizenznehmerzahl auf den Grund zu gehen. Microsoft verweist darauf, dass der ursprüngliche Einstiegspreis von 100.000 Dollar schon auf die Hälfte reduziert worden sei, und dass man inzwischen nur noch 1 bis maximal 5 Prozent vom Umsatz der Produkte verlange, die mit Hilfe des offengelegten Server-Quellcodes hergestellt wurden. Die Kartellauflagen hatten allgemein gebräuchliche und unterschiedslose Bedingungen gefordert, zu denen die Microsoft-Konkurrenten den notwendigen Quellcode mitsamt den Schnittstellen bekommen können.

Den weiteren Ausbau von marktbeherrschenden Positionen in verschiedenen Bereichen war eines der Hauptziele der Microsoft-Auflagen. So sollte beispielsweise auch bei Anwendungssoftware, Office-Suiten oder Instant Messaging wieder ein Marktgleichgewicht hergestellt werden. Microsoft-Anwalt Rick Rule vertrat in der Anhörung den Standpunkt, es sei nicht entscheidend, wie viele Lizenznehmer es gebe, sondern ob der Zugang zum Quellcode gewährleistet sei. Und das könne schließlich nicht in Abrede gestellt werden, so Rule.

Der Softwarehersteller sieht sich noch immer mit starker Opposition des US-Bundesstaats Massachusetts konfrontiert. Dessen Regierung fordert weit strengere Sanktionen gegen Microsoft und hat vor kurzem beschlossen, Open-Source-Software zu fördern. Das Gericht habe die Sachlage nicht ausreichend verstanden, um den Wettbewerb wieder zurechtzurücken.

Maßnahmen zu beschließen, die gegen den Softwareriesen nicht greifen, will indes die Wettbewerbsbehörde der EU vermeiden. Wie Reuters berichtet, bereitet der EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti ein wesentlich konzentrierteres Verfahren gegen Microsoft vor. Es soll sich auf nur zwei Bereiche beschränken, nämlich auf die Implementation des Windows Media Players und auf die Nutzung von Windows als File- und Print-Server. Dadurch will Monti vor allem vermeiden, dass Microsoft der Raum gegeben wird, um auf Zeit zu spielen. Die Verzögerung der Verfahren in den neunziger Jahren nämlich hätten dem Monopolisten erst die Gelegenheit gegeben, Wettbewerber wie Netscape platt zu machen, während er auf der Anklagebank saß.

Silicon-Redaktion

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