Freude über Haftstrafe für Gravenreuth

Er ist das Schreckgespenst des deutschen Internet, weil er auch kleinste und eigentlich unbedeutende Fehler mit Abmahnungen ahndet. Entsprechend einhellig ging ein Jubelschrei durch die Redaktionen und Schaltzentralen deutscher Sites.

Rechtsanwalt Günter Freiherr von Gravenreuth ist wegen versuchten Betrugs vom Amtsgericht Berlin-Tiergarten zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Wenige Minuten nach Bekanntwerden des Richterspruches war die Site der taz nicht mehr erreichbar. Die Berliner Tageszeitung war Initiator des Verfahrens, der Prozess nur der vorläufige Höhepunkt eines Rechtsstreits.

Im Mai letzten Jahres hatte der Anwalt die Zeitung abgemahnt, da er eine so genannte Double-opt-in-Mail erhalten habe. Dabei muss der Empfang des Newsletters erst nochmals per E-Mail bestätigt werden. So soll die Identität des Bestellenden verifiziert werden. Gravenreuth erwirkte beim Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung – die Mail sei ohne seine Zustimmung an ihn gegangen. Die taz musste dem Anwalt daraufhin rund 663,71  Euro überweisen.

Trotz erfolgter Bezahlung ließ Gravenreuth die Internetdomain der Zeitung pfänden. Laut taz hat Gravenreuth den Zahlungseingang zwar bestätigt, ihn aber keinem Gerichtsbeschluss zuordnen können. Gravenreuth führt dagegen an, die Zeitung habe den Verwendungszweck der Überweisung unklar angegeben. Er habe das Geld deshalb anderen noch offenen Forderungen zugeschrieben.

Wie dem auch sei: Umgehend gab er die Domain www.taz.de zur Versteigerung frei und warb auf seiner Homepage dafür. Die taz erwirkte jedoch im Oktober vergangenen Jahres eine einstweilige Verfügung beim Landgericht und stellte Strafanzeige wegen versuchten Betruges. Gravenreuth habe wahrheitswidrig gegenüber dem Vollstreckungsgericht behauptet, er sei nicht bezahlt worden. Polizisten hatten nämlich bei einer Durchsuchung seiner Kanzlei ein Fax entdeckt, dessen Eingang Gravenreuth bestritten hatte. Die taz erklärte, der Anwalt habe vor Gericht das Übersehen des Faxes mit dem Chaos in seinem Büro erklärt. Auch habe er versucht, “mangelnde Rechtskenntnis” als strafmildernd anzuführen.

Die Richterin folgte dieser Argumentation nicht, im Gegenteil, sie verurteilte Gravenreuth zu sechs Monaten Haft. Im Jahr 2000 war er bereits wegen Urkundenfälschung in 60 Fällen zu einer Geldstrafe verdonnert worden. Die Haftstrafe wurde nicht zur Bewährung ausgesetzt, wohl kann Gravenreuth aber noch in die Berufung gehen. In ihrem Urteilsspruch maßregelte die zuständige Richterin den Anwalt: “Die Allgemeinheit muss vor Ihnen geschützt werden”. Nach Angaben des Anwalts ist die Hauptsacheklage gegen die taz aber noch anhängig, ein Termin dafür stehe noch nicht fest.

In Blogs und Foren jedenfalls war selten mehr Freude zu finden: Eigentlich findet sich im ganzen Netz kein Eintrag, der nicht Zustimmung zum nun gefällten Urteil – und insbesondere dem zugehörigen Richterspruch – ausdrücken würde. Selten war sich die Netzgemeinde so einig!