Ein Touchscreen aus Kohlenstoff

Eine leichte Berührung mit den Fingerspitzen genügt: Auf Touchscreens kann man mühelos schreiben, navigieren oder Bilder drehen. Innerhalb von Sekundenbruchteilen wird die Berührung umgesetzt in Steuerbefehle, die ein Computer versteht. Auf den ersten Blick grenzt die Technik an ein Wunder.

Tatsächlich ist sie wenig mysteriös: Unter der Glasoberfläche des Displays befindet sich eine hauchdünne Elektrode aus Indium-Zinn-Oxid, kurz ITO. Das Material ist für den Einsatz in Touchscreens geradezu ideal: Es leitet geringe Ströme hervorragend und lässt die Farben des Displays ungehindert passieren. Doch es gibt ein Problem: Weltweit gibt es nur wenige Indium-Vorkommen. Auf lange Sicht, fürchten die Elektrogerätehersteller, vom Preisdiktat der Anbieter abhängig zu werden. Indium zählt man daher zu den so genannten “strategischen Metallen”.

Die Industrie ist daher stark an ITO-Alternativen interessiert. Fraunhofer-Forschern ist es nach eigenen Angaben gelungen, ein neues Elektrodenmaterial zu entwickeln, das ITO ebenbürtig und deutlich billiger ist. Hauptbestandteile sind Carbon-Nanotubes und preiswerte Polymere. Die neue Elektrodenfolie ist aus zwei Schichten aufgebaut: Da ist einmal der Träger, eine dünne Folie aus dem preisgünstigen Plastikflaschenkunststoff Polyethylenterephthalat (PET). Dazu kommt eine Mischung aus Carbon-Nanotubes und elektrisch leitenden Polymeren, die als Lösung auf das PET aufgetragen wird und beim Trocknen einen dünnen Film bildet.

Verglichen mit ITO waren derartige Kunststoffverbünde bislang nicht besonders haltbar. Feuchtigkeit, Druck oder UV-Licht setzten den Polymeren zu. Die Schichten wurden mürbe und versagten. Erst Carbon-Nanotubes haben sie stabil gemacht: Die Kohlenstoffröhrchen härten auf dem PET zu einem stabilen Netzwerk aus, in dem sich die elektrisch leitfähigen Polymere fest verankern können. So bleibt die Schicht lange haltbar.

“Zwar ist der elektrische Widerstand unserer Schicht etwas größer als der von ITO”, räumt Ivica Kolaric ein, Abteilungsleiter am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. “Doch für eine Anwendung in elektrischen Geräten reicht das allemal.” Die Vorzüge lägen auf der Hand: Kohlenstoff ist nicht nur kostengünstig und überall auf der Welt zu haben, sondern zugleich eine erneuerbare Ressource, die man beispielsweise aus Holz gewinnen kann.

Anwendungen für die neue Technik gibt es demnach viele: Die Folie ist flexibel und lässt sich daher vielseitig einsetzen. “Man könnte daraus sogar Photovoltaikfolie herstellen, um gewellte Dächer oder andere unebene Strukturen zu verkleiden”, so Kolaric. Eine Pilotfertigung gebe es am Fraunhofer IPA bereits. Dort könnten die Forscher die Folie für verschiedene Einsatzgebiete optimieren.

Silicon-Redaktion

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