Unix-Server-Markt: Drastische Veränderung

Diese Situation hat sich signifikant verändert:

  • IBM, lange Zeit die Nummer drei in diesem Markt, hat über die letzten Quartale ständig an Marktanteilen gewonnen und mittlerweile (nach IDC-Angaben) im letzten Quartal über 50 Prozent Marktanteil erreicht. Die technologische Roadmap ist für die Power-Entwicklung auch in der Zukunft sehr solide.

  • HP war durch die deutlichen Verzögerungen bei der Itanium-Entwicklung (Tukwila) bei den BCS (Business Critical Systems) technologisch unter Druck geraten und musste Wege finden, der mittelfristig weiterhin zu erwartenden technologischen (CPU)-Überlegenheit zu begegnen. HP hat hier mit der “Matrix-Architektur” eine beachtenswerte Antwort gefunden, die durch ein optimiertes Zusammenspiel von verschiedenen CPU- und OS-Architekturen gekennzeichnet ist, ihre Vorteile aber im Wesentlichen nur in einer homogenen HP-Infrastruktur ausspielen kann. Der, wie bei IBM, zu beobachtende Marktanteilsgewinn im Unix-Umfeld 2010 zeigt, dass diese Architektur von den Kunden angenommen wird. Vor einigen Wochen hat HP zudem mit Intel den nächsten Itanium-Prozessor (Poulson) angekündigt, was Hoffnung darauf macht, dass HP/Intel die Roadmap, die für die nächsten acht Jahre veröffentlicht wird, auch einhält.

  • Die Übernahme von Sun durch Oracle hätte deutliche Potentiale für den Server-Bereich gehabt – die aber offensichtlich für Oracle nicht attraktiv genug waren, um diese aggressiv zu verfolgen. Mittlerweile ist eine starke Erosion bei Kunden, Partnern und Mitarbeitern zu beobachten, welche sich potentiell in der nächsten Zeit noch beschleunigen wird.

  • Fujitsu war in Deutschland durchaus ein beachtenswerter Solaris-Server-Anbieter, welcher sich aber schon seit einiger Zeit weitgehend aus diesem Geschäft zurückgezogen hat.

  • Bull hat sich in Deutschland im Power/AIX OEM-Umfeld eine kleine, aber solide Nische mit zufriedenen Kunden erarbeitet und profitiert von der technologischen Stärke von IBM.

Die aktuelle Situation ist damit klar umrissen und auch die zukünftigen Szenarien und Prognosen lassen sich klar umschreiben.

IBM wird auf absehbare Zeit technologischer Marktführer (CPU) bleiben und damit bei technologisch und vor allem Performance getriebenen Unix-Entscheidungen weiterhin an Boden gewinnen. Die zukünftig größten Wettbewerber von IBM sind in diesem Umfeld – mit Ausnahme von HP – nicht die klassischen Unix-Anbieter, sondern vielmehr die x86-basierten Systeme. Dabei muss IBM zukünftig nicht mit “Technologie”, sondern mit “Workload-Vorteilen” argumentieren.

HP hatte zwar eine technologische Herausforderung mit der Itanium-CPU, aber zumindest auch eine valide Antwort im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten. Eine Chance, aber auch Herausforderung für HP ist die Stärke im x86-Server-Umfeld. Dies ist die Basis für eine sehr leistungsfähige hybride, virtualisierte Architektur.

Oracle/Sun legt offensichtlich keinen großen Fokus mehr auf die Zukunft der Unix-Server-Systeme – mit der schon von anderen Akquisitionen bekannten und erprobten Strategie lässt sich auf absehbare Zeit auch mit der (obschon deutlich schrumpfenden) installierten Basis noch gutes Geld verdienen. Für Kunden, Partner und insbesondere ISVs (Independent Software Vendor, die Software auf Basis von Solaris entwickeln und vermarkten) bedeutet diese Strategie aber, dass man spätestens für den nächsten Investitionszyklus eine Ausstiegs- und Migrationsstrategie braucht. Oracle/Sun könnte höchstens durch sehr fokussierte und nachhaltige Investitionen mit einer soliden Roadmap oder einer eher exotischen Plattform-Entscheidung “zurück ins Spiel” kommen. Beides ist aus heutiger Sicht unwahrscheinlich.

Fujitsu hat sich schon weitgehend aus diesem Markt zurückgezogen. Hier geht es nur noch um Migrationsalternativen und Bull lebt sehr gut in der selbst gewählten Nische.

Diese kurzfristige Entwicklung – 2011 bis 2015 – ist also klar vorhersehbar, schwieriger wird es, die längerfristige Entwicklung zu prognostizieren.

IBM ist schon “alleiniger” Anbieter im Mainframe-Bereich, es kann und sollte nicht das Ziel sein, auch der einzig überlebende Unix-Anbieter neben HP zu werden. Daher ist eine relativ schnelle Öffnung gegenüber einem plattformübergreifenden “Workload”-Vergleich zu erwarten. Dies ist auch aus Sicht der Anwender sehr wünschenswert, da damit “Technologie-Glaubenskriege” vermieden werden und bei Entscheidungen harte Fakten und Gesamt-Kostenvergleiche über den gesamten Lebenszyklus in den Mittelpunkt rücken.

Der Unix-Markt wird sich also relativ schnell und drastisch verändern und von den Anwendern und ISVs von Unix-Systemen werden kurzfristig strategische Entscheidungen gefordert, die mittelfristig konsequent umgesetzt werden müssen.

Silicon-Redaktion

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