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Zukunftsberuf Mainframe-Experte

Mainframe-Experte Frank Balzer. Quelle: CA Technologies.

silicon.de: Analysten sind sich einig, dass Mainframes auch im Rechenzentrum der Zukunft einen festen Platz haben werden. Gleichzeitig fürchten sie, dass es bald zu wenig Experten für die Großrechner geben wird. Ist das am Ende nur eine Variation der branchenüblichen Klage über den Fachkräftemangel?

Balzer: Die Situation ist im Mainframe-Bereich aus verschiedenen Gründen tatsächlich besonders kritisch. Erstens ist der Kreis der Mainframe-Experten sehr klein. So gibt es beispielsweise nahezu unzählige Entwickler in Deutschland, die moderne Anwendungen mit dem Java-Framework erstellen können. Demgegenüber stehen ein paar tausend Mainframe-Entwickler. Die Hälfte davon wird in den nächsten Jahren in Rente gehen, so dass hier in naher Zukunft ein ungeheurer Bedarf entstehen wird. Trotzdem fehlt in der Ausbildung immer noch der Mainframe-Schwerpunkt.

silicon.de: Vielleicht braucht es diese gar nicht mehr? Immerhin ist es heutzutage möglich, handelsübliche Server per Virtualisierung zu großen Einheiten zusammenzuschließen.

Balzer: Das ist richtig, trotzdem sind Großrechner oft unverzichtbar. Banken und Versicherungen beispielsweise stehen für angewandte Mainframe-Technik. Nahezu immer, wenn man zu einem Geldautomaten geht, wird dieser am Ende mit einem Mainframe verbunden sein.

Beeindruckend auch dieses Beispiel von der Kreditkartenfirma Visa: Dort laufen pro Sekunde 145.000 Finanztransaktionen aus 220 Ländern über Mainframe-Plattformen. Und das sind Finanztransaktionen: das heißt, sie müssen durchlaufen und sie müssen sicher durchlaufen. Mit der Last, die Mainframes verarbeiten können, sind sie prädestiniert für solche Big-Data-Aufgaben.

silicon.de: Warum aber interessiert sich der IT-Nachwuchs nicht dafür?

Balzer: Das würde ich nicht sagen. Das Interesse ist durchaus vorhanden, aber wir sprechen zu wenig mit den Studenten über das Thema Mainframe. In Deutschland gibt es nur wenige Lehrstühle – zum Beispiel in Leipzig und in Tübingen – an denen Großrechnertechnologie gelehrt wird. In erster Linie geht es also darum, das Thema mehr ins Bewusstsein der jungen Leute zu rücken.

silicon.de: Großrechner werden auch von gestandenen Profis gerne als IT-Dinosaurier belächelt. Wie kann ich denn Studienanfänger dafür begeistern?

Balzer: Das geht unter anderem am besten damit, indem man die Leistungsfähigkeit von Mainframes in den Vordergrund stellt und mit entsprechenden Zahlen untermauert. Am Anfang meiner Vorträge sind viele Studenten durchaus skeptisch. Wenn sie aber hören, dass über 50.000 Drucker an einem Mainframe-System hängen können oder dass zwei bis drei Maschinen millionen Konten verwalten, sind sie nahezu immer beeindruckt. Wenn man dann noch den erwähnten Expertenmangel der kommenden Jahre beschreibt, wird den meisten schnell klar, welche Zukunftschancen es haben kann, sich als Student fundiertes Mainframe-Knowhow anzueignen.

silicon.de: Die Zuwanderung hoch qualifizierter Spezialisten gilt gemeinhin als eine Möglichkeit, um den Fachkräftemangel in der IT-Branche zu lindern. Wäre das nicht eine Möglichkeit im Mainframe-Umfeld?

Balzer: Der Mangel an Mainframe-Experten ist ein globales Problem. Stärker als Deutschland, das zu den fünf größten Mainframe-Märkten weltweit gehört, trifft dieser Mangel aktuell Schwellenländer vor allem im asiatischen Raum. Dort erleben Großrechner derzeit einen regelrechten Boom. So sagen beispielsweise 95 Prozent der Großunternehmen in Malaysia, dass Mainframes eine wichtige strategische Komponente ihrer gegenwärtigen und künftigen IT-Strategie sind.

Der große Unterschied zur westlichen Welt ist, dass die asiatischen Länder deutlich schneller auf den rasant steigenden Bedarf reagieren. So unterhalten große Firmen in Asien eigene Universitäten, an denen der IT-Nachwuchs gezielt für die Bedürfnisse des Marktes und der jeweiligen Firma ausgebildet wird.

Auf der Suche nach der notwendigen Expertise genießen übrigens gerade deutsche IT-Fachkräfte in Asien einen sehr guten Ruf. So waren vor kurzem mehrere Experten von CA Technologies aus Deutschland für einige Woche in Thailand, um dort Mainframe-Schulungen durchzuführen.

silicon.de: Auch in Europa und Deutschland bemühen sich die Konzerne um den Nachwuchs. Die von Ihnen angesprochenen Mainframe-Lehrstühle werden von einer IBM-Initiative unterstützt. CA Technologies betreibt in Prag ein ‘Mainframe Center of Excellence’.

Balzer: Ja, wir arbeiten ebenfalls eng mit Universitäten zusammen und sind regelmäßig im Gespräch mit Studenten. Wie bereits angesprochen bin ich hier auch selbst aktiv: Ich rede einfach gerne über Mainframes. Den Standort Prag für unser Mainframe Center of Excellence haben wir auch wegen des überzeugenden Programms zur Mainframe-Ausbildung an den tschechischen Universitäten ausgewählt. Daneben bietet das Zentrum auch Kurse an, abgestimmt auf den jeweiligen Bedarf der Nutzer.

Sieben Jahre nach der Gründung arbeiten dort heute über 230 überwiegend junge IT-Experten aus der ganzen Welt. Das Durchschnittsalter beträgt 29 Jahre. Mit unserem Angebot wollen wir sie gezielt dabei unterstützen, eine Karriere im Mainframe-Umfeld aufzubauen. Ein Großteil des Teams in Prag kommt direkt von der Uni, deshalb haben wir auch bei der Gestaltung des Campus bewusst auf die Bedürfnisse der jungen Mitarbeiter geachtet, zum Beispiel mit einem umfassenden Freizeit- und Sportangebot.

CA Mainframe Chorus: Verwaltung als rollenbasiertes Interaktionsmodell Quelle: CA Technologies.

silicon.de: Abgesehen davon – was kann und muss ich als Firma dem begehrten Mainframe-Nachwuchs bieten?

Balzer: Die nachkommende Generation ist nicht mehr bereit, mit veralteten Management-Lösungen zu arbeiten, viele haben noch nie mit Kommandozeilen gearbeitet und auch die Zeiten des Greenscreens sind natürlich längst vorbei.

Junge IT-Experten wollen auch am Großrechner neue, intuitive Benutzeroberflächen. Die aktuellste Version unserer eigenen Lösung Mainframe Chorus bietet deshalb unter anderem eine graphische Benutzeroberfläche. Als eine Art Mainframe-Mashup führt die Software Informationen aus zahlreichen System Management Tools zusammen und kombiniert diese in einem modernen Front End, rollenbasiert und prozessorientiert.

Auch wichtig: Solche Lösungen ermöglichen es, Know-how zu hinterlegen und so zu transferieren. Schließlich lernt man Mainframe nicht einfach so und Wissen über Großrechner kann man nicht mit Hilfe von Post-its austauschen. Zudem spielt mobiles Management für Mainframes für die nachkommende Generation eine wichtige Rolle.

silicon.de: Mainframe-Management via iPad?

Balzer: Grundsätzlich geht es unter dem Stichwort ‘Enterprise Mobility’ darum, Mainframes von außen zu managen. Also Performance- und Leistungsdaten sowie Fehlermeldungen abzufragen. Traditionelle ‘Mainframer’ sind hier eher skeptisch. Sie argumentieren, es sei unsinnig, eine Plattform, die eine Sicherheit und Verfügbarkeit von 99,999 Prozent bietet, mit einem Gerät zu verwalten, dass es mit Müh’ und Not auf 90 Prozent bringt.

Dennoch wird diese Art der Mainframe-Verwaltung mehr und mehr in Unternehmen Einzug halten, einfach auch deshalb weil die nachkommende Generation damit arbeiten möchte. Dementsprechend sagen 86 Prozent der deutsche Teilnehmer an der jüngsten CA-Studie zum Thema Mainframe, dass sie ein mobiles Management des Mainframes befürworten beziehungsweise innerhalb der nächsten anderthalb Jahre realisieren werden.

silicon.de: Die Firmen bemühen sich also offensichtlich ihre Hausaufgaben zu machen. Auf der anderen Seite: Welches Know-how wird konkret von jungen Mainframern verlangt?

Balzer: In einer zunehmend hybriden IT-Welt müssen auch die Mitarbeiter “hybrid” sein. Das heißt, auf der einen Seite brauchen wir Generalisten, die etwas von Mainframes verstehen, aber gleichzeitig den Überblick über verschiedene Plattformen haben. Die große Sicht aufs Ganze also. Daneben sind Experten nötig, deren Mainframe-Wissen tief und spezifisch ist. Die Generalisten müssen in diesem Zusammenspiel in der Lage sein zu entscheiden, welche Expertise wo und wann benötigt wird. Ein in diesem Sinne hybrides Mitarbeiter-Team kann den Anforderungen der modernen Mainframe-Welt am besten gerecht werden.

silicon.de: Die IT-Abteilungen vieler Unternehmen stehen aktuell auch so schon vor gewaltigen Herausforderungen. Kann sich da das Thema Mainframe nicht noch eine Weile hinten anstellen?

Balzer: Nein. Einer unserer Kunden hat es vor kurzem so formuliert: “Wenn der Mainframe aus unserer Bank verschwindet, dann nicht wegen der Technik, sondern weil wir niemanden mehr haben, der damit umgehen kann.”

silicon.de: Vielen Dank für das Gespräch!

Redaktion

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  • Hier ist wieder ein Typisches Beispiel das man heutzutage für alles gleich studieren muss.
    Anstatt Junge Quereinsteiger zu motivieren in Mainframe Bereich einzusteigen reded man immer nur, das man mehr studierte spezialisten braucht.
    Meiner Meinung nach, müssen sich grosse Firmen mit Mainframe überlegen, ob sie vielleicht nicht wieder auf Quereinsteiger Programme zurückgreifen sollten, anstatt immer nur "hochqualifizierte" leute mit Studium zu suchen.
    Nur weil man studiert hat, heisst es nicht, das man auch besser ist als ein motivierter Quereinsteiger.
    Ich bin selber einer davon, und konnte mich die letzten 10 Jahre im Mainframe etablieren.

    • Ich sehe es, wie im Kommentar oben geschrieben, als ein Beispiel, als einen Weg. Aber nicht dafuer, dass man studieren MUSS. Aus meiner persoenlichen Erfahrung kann ich sagen, dass der Hauptanteil des Mainframe Nachwuchses, so es ihn gibt, aus den Unternehmen selbst kommt. IT-Personal mit unterschiedlichen Aufgaben und Vorkenntnissen wechselt innerhalb des Unternehmens die Rolle.
      Dennoch muss auch an den Hochschulen Mainframe "gelehrt" werden, schon allein um eine "Awareness" zu schaffen. Wir koennen es uns nicht leisten, dass Hochschulabgaenger aus IT-affinen Bereichen einen Beruf in der Industrie, bei Grossunternehmen, ergreifen und nie vom Mainframe gehoert haben.
      Auch ich kam vor vielen Jahren von der Bundeswehr in ein "Grossrechenzentrum"...sogar ohne jegliche Vorkenntnisse.

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