OpenVMS: zweite Chance mit Itanium und x86

HP (Grafik: Hewlett-Packard)

“Fahren Sie gerne Zug?” Strategiewechsel bei HP: OpenVMS wird an ein neues Unternehmen lizenziert bleibt damit im Markt. Portierungen auf den Itanium und möglicherweise x86 sollen ein Ende der Plattform verhindern.

Vergangenes Jahr hatte Hewlett-Packard angekündigt, dass das OpenVMS nicht mehr weiter entwickelt werden wird. Jetzt hat das Unternehmen die Pläne geändert und hat den Source-Code an VMS Software lizenziert. VMS Software Inc. (VSI) will nun Ports des Betriebssystems schaffen, die es auf neueren Itanium- und möglicherweise sogar auf x86-Server lauffähig machen soll. Darüber hinaus sind auch neue Funktionen und neue Versionen des Betriebssystems geplant.

Damit scheint HP die Entscheidung, das Betriebssystem OpenVMS nicht mehr für neue Hardware zu validieren und auch keine neue Versionen mehr zu planen, zu revidieren. Die Integrity i2-Services auf dem Tukwila-Quadcore-Prozessor wäre nach der Entscheidung des vergangenen Jahres die letzte Version gewesen. Und damit wäre auch mittelfristig das Ende des Betriebssystems besiegelt gewesen. Doch nach wie vor wollen viele Anwender auf dem Betriebssystem bleiben.

30 Jahre OpenVMS, jetzt lizenziert HP den Source Code an VSI und sichert damit das weiter bestehen dieses Betriebssystems. In einem offenen Brief hatten sich die französische Anwendervereinigung HP Interex an Meg Whitman gewandt und auch die deutsche Anwendervereinigung OpenVMS.org hatte eine Version des Schreibens veröffentlicht: “Fahren Sie mit dem Zug oder dem Auto? Nehmen Sie das Gesundheitswesen in Anspruch? Haben Sie gute Möbel? Schlafen Sie gut in der Nähe von Kernkraftwerken, weil sie gut abgeschirmt werden? Kaufen Sie Dinge in Supermärkten?” Viele solcher Dienstleistungen seien nur aufgrund von OpenVMS möglich, argumentierten die Anwender. Die Tatsache, dass der gesamte Support mit dem Jahr 2020 enden werde, bezeichneten die Anwender als “Alptraum”.

Quelle: VSI
Quelle: VSI

Weiter heißt es: “Im Juni 2013 hat HP eine Entscheidung gefällt, die zeigt, dass sie die Besonderheiten der OpenVMS-Marktes nicht verstehen. Der Lebenszyklus von OpenVMS-Sites liegt bei zehn oder zwanzig Jahren.” Und nach wie vor kann OpenVMS auf eine überschaubare aber doch sehr treue Anwenderschaft blicken. Besondere Funktionen für Disaster Recovery, Sicherheit und Clustering haben diesem Betriebssystem, das eben unter anderem auch in Kontrollsystemen von Zügen oder Kernkraftwerken zum Einsatz kommt, einen besonderen Ruf eingebracht.

Offenbar hat dieses Schreiben und vermutlich auch der Widerstand der Anwender im Vorfeld dazu geführt, dass HP hier zu einem Kompromiss findet. VSI ist ein junges Unternehmen. Allerdings wurde es von den Investoren gegründet, die hinter Nemonix Engineering stehen. Dieses Unternehmen kann auf lange Erfahrung im Bereich Support und Maintenance von OpenVMS zurückblicken.

VSI, aus Bolton, Massachussetts, hat nun eine vorläufige Roadmap veröffentlicht. Demnach soll die Version OpenVMS v.8next Anfang 2015 auf dem achtkernigen Itanium 9500 (Poulson 2012) validiert werden. Zudem ist Support für die HP-Server auf Basis von Kittson geplant. Ohne einen Zeitrahmen zu spezifizieren, stellt VSI auch einen Port auf x86-Prozessoren in Aussicht. Und VSI verspricht darüber hinaus neue Versionen des Betriebssystems.

Derzeit haben rund 2500 OpenVMS-Anwender Wartungsverträge mit HP. Hinzu kommen weitere 350 Anwender, die von der Parsec Group betreut werden. Die Supportverträge werden aber durch die Lizenzierung an VSI nicht berührt. Der Vertrieb und Support von OpenVMS werde künftig von beiden Firmen gemeinsam betrieben, wobei HP für bestehende Versionen zuständig sein wird, und VSI für zukünftige.

HP werde jedoch auch Support-Services für die HP Integrity i4 Server anbieten, sobald diese OpenVMS-Version veröffentlicht wird, teilt HP mit. HP wird zudem als Reseller der VSI-Produkte auftreten. Weitere Support-Pläne wolle HP veröffentlichen, sobald weitere Versionen veröffentlicht werden.

Laut HPs Roadmap wäre 2020 schluss mit Support von OpenVMS. Ein Lizenzvertrag sichert jetzt das weitere Fortbestehen der Software. Quelle: HP
Laut HPs Roadmap wäre 2020 schluss mit Support von OpenVMS. Ein Lizenzvertrag sichert jetzt das weitere Fortbestehen der Software. Quelle: HP

HP verspricht, dass die neuen Versionen von VSI die gleichen harten Qualifizierungen und Validierungen bekommen werden. “Anwender haben jetzt die Flexibilität zu entscheiden, welche OpenVMS-Plattform für ihr Business die richtige ist. Diejenigen, die OpenVMS auf aktuellen oder künftigen HP-Technologien installieren wollen, haben neue Optionen. Und die, die auf ihren angestammten Plattformen bleiben wollen, sind von den Erweiterten Support-Services geschützt, die wir in einer Roadmap veröffentlicht haben.”

Darüber hinaus hofft VSI auch neue Anwender für das Betriebssystem gewinnen zu können, das neben Unix, Windows und Linux nahezu unsichtbar geworden ist. Dazu muss jedoch die Pflege und die Modernisierung des Systems gewährleistet sein. Die Sicherheit und auch die Fehlertoleranz des Systems aber bilden zwei gute Argumente für künftige Anwender. Dazu können jetzt auch Entwickler beitragen, die bei der Digital Equipment Cor (DEC) angestellt waren. Das Unternehmen wurde Mitte der 70ger-Jahre gegründet. Später wurde es von Compaq und Compaq dann wiederum von HP übernommen.