Dresden Future Forum: Was kommt nach dem Internet?

Nach dieser Bestandsaufnahme der digitalen Bürgerrealität, skizzierte Ray Kurzweil, wohin der digitale Fortschritt die Menschheit seiner Meinung nach in den kommenden 20 Jahren führen wird: Zum Menschlichen Körper 2.0, wie er es in seinem jüngsten Buch “The Singularity is Near” beschreibt. Kurzweil, seit Jahren Vordenker der IT-Branche aber auch Erfinder beispielsweise des CCD-Flachbettscanner oder eines Synthesizers mit Sample-Technik, untermauerte seine These mit dem exponentiellen Wachstum, das überall zu finden sei.

So habe es seit der Erfindung des Buchdrucks rund 400 Jahre gedauert, bis sich jedermann Bücher leisten konnte. Die flächendeckende Verbreitung des Telefons brauchte nur mehr 50 Jahre und das Mobiltelefon schaffte das in nur sieben Jahren.

Gleichzeitig, so Kurzweil, sorge die Technik dafür, dass alles immer kleiner werde. Nanoroboter sind heute schon im Labor in der Lage, defekte Zellen zu erkennen und zu reparieren. Es sei nur eine Frage der Zeit, wann neuronale Implantate sogar Teile unseres Gehirns ersetzen. “Wir werden in der Lage sein, mit Millionen von Nanobots, das sind Roboter in Nanogröße, das menschliche Gehirn von innen zu scannen. Danach können wir die Informationen sichern und mittels Nanomechanik das Hirn nachbauen, das dann aber viel schneller arbeiten wird als die sehr langsamen interneuronalen Verbindungen.” Schaltkreise auf Basis von Nanoröhren werden Hundert Millionen Mal schneller sein als das menschliche Hirn, prophezeit Kurzweil.

Wem bei dieser Vorstellung nicht wohl zumute ist, der kann sich an die optimistische Aussage Kurzweils zur zukünftigen Energieversorgung halten. Er glaubt, dass ein Zehntausendstel der Sonneneinstrahlung auf der Erde für den Energiebedarf der Gesamtbevölkerung ausreichen würde. Allerdings nannte “das rastlose Genie”, wie ihn das Wall Street Journal einmal nannte, keine spezielle Nutzungsvariante sondern setzte erneut auf das exponentielle Wachstum mit dem sich die technischen Entwicklungen vollzögen.

Als zweiten prominenten Sprecher bot das Zukunftsforum Sir Tim Berners-Lee auf, der aus den inkompatiblen Informationssystemen auf unterschiedlichen Computern ab 1990 das World Wide Web als universellen Raum konzipierte. “Das WWW ist eine Hypertext-Welt mit der URL als globaler Identität und HTML als Sprache im Internet”, definiert er das Projekt.

Das WWW könne sich nur verbreiten, wenn es unabhängig von Hard- und Software, den Kulturen und Sprachen der Benutzer und für alle denkbaren und zukünftigen Anwendungen tauglich sei, das war das Credo, dem sich Berners-Lee auch heute noch verpflichtet fühlt. Denn die Entwicklung sei noch lange nicht abgeschlossen, im Gegenteil. Auf die häufig gestellte Frage, wann er gemerkt habe, dass das mit dem WWW so richtig los gehe, antwortet er noch immer, dass das gerade erst passiere. Trotz aller Verbreitung der Hypertext-Welt sieht Sir Tim überflüssige Unzulänglichkeiten, etwa bei den diversen Social Networks, die als unabhängige vertikale Silos im Web bestünden, “dabei wollte man die doch eigentlich untereinander vernetzt haben”.

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Silicon-Redaktion

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