Ist Steve Jobs wirklich unersetzbar?

Irgendwann gab die Apple-Szene ihrem Idol den Spitznamen iGod, der ebenfalls viel verwendete Zusatz “Mastermind” klingt da geradezu zurückhaltend. Fest steht: Steve Jobs Führungsstil ist ein virtuoses Solo, dessen Gefahren jetzt einmal mehr deutlich werden.

Dass Apple-Jünger Steve Jobs für unersetzbar halten, ist die eine Sache – aber auch Analysten und nüchterne Banken-Experten sorgen sich vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung um die Zukunft des Unternehmens. Ein Analyst warnt gar, dass der Gesundheitszustand des Managers komplette Aktienindizes bewegen könnte.

“Anleger werden so genau beobachten, wie der US-Markt auf die Neuigkeiten von Jobs wie auch die Bilanz reagiert, dass der ‘Jobs-Schock’ nicht nur einzelne Werte oder Sektoren, sondern auch gesamte Indizes bewegen könnte”, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters Analyst Norihiro Fujito aus Tokio.

Am Montag hatte die Börse in Frankfurt gezeigt, was passieren kann: Minuten nachdem Steve Jobs seinen vorübergehenden Rückzug mitgeteilt hatte, brach die Apple-Aktie um zwischenzeitlich bis zu acht Prozent ein. Der Konzern verlor damit vorübergehend 20 Milliarden Dollar an Wert.

Dabei hatte Apple alles getan, den Schaden in Grenzen zu halten. Die Ankündigung wurde an einem US-Feiertag veröffentlicht. Man hoffte offenbar darauf, dass die Wall Street mit einem Tag Abstand weniger heftig reagiert. Noch dazu, wo am späten Dienstagabend mitteleuropäischer Zeit Apple seine Zahlen für das vierte Quartal 2010 präsentieren wird. Blendende Zahlen, so viel steht jetzt schon fest.

Steve Jobs letzte Auszeit ist auf den Tag genau fast zwei Jahre her. 2009 kündigte der Apple-CEO nach Wochen der überbordenden Gerüchte den krankheitsbedingten Ausfall für ein halbes Jahr an. Wie sich wenig später herausstellte, musste sich der 55-Jährige einer Lebertransplantation unterziehen.

In dem Augenblick, in dem der Über-CEO Steve Jobs etwas zur Seite rückt, taucht damals wie heute die Nummer zwei des Konzerns, Tim Cook, im Rampenlicht auf. Er ist bei Apple für das Tagesgeschäft verantwortlich und ist nun – wie zuletzt 2009 für sechs Monate – für den ganzen Konzern verantwortlich.

In vielen Bereichen kann er Steve Jobs nicht ersetzen, weil das wahrscheinlich tatsächlich niemand kann. Das Charisma des Apple-Gründers ist legendär. Zieht er auf der Keynote-Bühne ein Telefon aus der Tasche johlen selbst Analysten wie Teenager.

Doch auch Tim Cook hat sich in den vergangenen Jahren den Respekt der Analysten verschafft: Cook gilt schon lange als grundsolider und effektiver Manager, der hinter den Kulissen agiert. Viele gehen davon aus, dass er Jobs irgendwann ohnehin an die Firmenspitze folgt. “Er hat sich zur kompetentesten Figur entwickelt, die die Vision von Steve Jobs fortführen könnte”, sagt Analyst Tim Bajarin von Creative Strategies.

Als Cook 2009 für ein halbes Jahr die Rolle des Vorstandschefs übernahm, war die Erfolgsbilanz einwandfrei. Analysten loben ihn: “Tim Cook hat einen guten Job gemacht. Er genießt Respekt, intern bei Apple und extern, hat er doch bewiesen, dass er in der Lage ist, das Unternehmen gut zu führen”, sagt Carolina Milanesi von der Gartner Group.

Für die Vertretung wurden ihm auf Empfehlung seines Chefs Bargeld und Aktienoptionen im Wert von 22 Millionen Dollar gezahlt. Im vergangenen Jahr, in dem das Apple-Papier ebenfalls kräftig nach oben ging, betrug die Vergütung sogar 59 Millionen Dollar. Auch 2004 war er für zwei Monate für Steve Jobs eingesprungen, als sich dieser einer Krebstherapie unterziehen musste. Der breiten Öffentlichkeit ist Tim Cook dennoch – aus den bekannten Gründen – weitgehend unbekannt.

Das wird sich nun wieder schlagartig ändern. Keiner weiß, wie lange Cook die Geschicke von Apple diesmal leiten wird. Im Gegensatz zu 2009 hat Steve Jobs am Montag keine Angaben dazu gemacht, wie lange er fehlen wird. Stattdessen diese Zeilen: “Ich liebe Apple so sehr. Und hoffe so schnell wie ich kann zurückzukommen”.

“Seine Mail liest sich eher wie die tragischen, von Herzen kommenden Gefühle von jemandem, der glaubt, dass er nie mehr zurückkommt”, schreibt dazu der bekannte US-Szene-Blogger Henry Blodget.

Aber wer weiß: Steve Jobs ist unter anderem auch ein Stehaufmännchen, eines, das 2008 sogar schon einmal die Nachricht seines eigenen Todes überlebt hat. Die Nachrichtenagentur Bloomberg hatte seinerzeit irrtümlich einen Nachruf auf Jobs verbreitet – und ihn gleich darauf wieder gelöscht.

Silicon-Redaktion

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  • Anmerkung
    Interessanter Weise sind bei den erfolgreichen (IT) Unternehmen wie Apple, Microsoft, Oracle, SAP immer noch die Firmengründer mit an Board. Bei Apple vielleicht mehr wie bei den anderen. Sind diese Weg, wird nur noch
    nach den Kriterien der Börse und Anleger agiert.

    ? und genau diese sind es die jetzt Angst haben das ein Steve Jobs nicht mehr zurückkommt ...

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