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Die dilettierenden Simulanten

Wenn man sich die Nachrichten der vergangenen Tage vergegenwärtigt, dann kommt man ja eh zu dem Schluss, dass diese vielbeschworene Finanzkrise wahrscheinlich gar nicht existiert. Die Finanzkrise ist, wenn überhaupt, ein Rechenproblem.

Um es aus der Welt zu schaffen, müsste man wohl bloß einmal paar von diesen blitzgescheiten heutigen Grundschülern in die Filialen schicken. Solche, die wissen, dass wenn man zwei Finger nimmt und zwei dazutut, dass das dann… eins… zwei… drei… genau, vier Finger gibt.

Vielleicht kommt man – wenn man nicht richtig aufgepasst hat – auch auf drei oder fünf, nie aber auf minus 55 Milliarden, weil man so viele Finger nämlich gar nicht wegtun kann. Ein Grundschüler, der rechnen würde wie ein Banker, würde von seinen Klassenkameraden sicherlich ganz schlimm ausgelacht.

Und selbst ohne Grundschüler sollte es gehen. Denn zum Rechnen gibt’s schließlich Computer.

Das können die und sonst nix. Und genau da beginnt das Problem. Wenn man seinem PC auch noch so spaßige Geschichten aus der Wunderwelt der Bad Banks erzählen wollte, die Reaktion wäre menschlich enttäuschend: Keiner, der sich ausschüttet vor Lachen. Keiner, der sich brüllend auf die Schenkel klopft. Keiner, der mit einem Tränen lacht.

Und das liegt nicht nur an der mangelhaften Peripherie, also den fehlenden Oberschenkeln. Vielmehr sind Computer – wie’s ein Grundschüler ausdrücken würde – einfach nur doof. Im Rechnen sind sie zwar deutlich besser als Banker. Aber Witze verstehen sie nicht.

Wer mit der Schülersprache nichts anfangen kann. “Embodiment” nennen Wissenschaftler das: Der Mensch denkt anders als der Computer, weil immer auch gleichzeitig fühlt. Deshalb findet der Mensch Witze komisch und nicht etwa, weil er sich’s ausrechnen würde.

Trotzdem will die EU-Kommission jetzt ein “Human Brain Project” auflegen: Das menschliche Gehirn soll im Rechner simuliert werden.

Och, EU-Kommission. Wie soll denn das gehen?

Auch ein blutleerer Kommissar müsste doch dieses zweitschönste aller Gefühle kennen, dieses: “Ich hab’s!” Was einem für einen Moment lang die Gewissheit gibt, dass es für das eigene Denken keine Schranken gibt und was das Gehirn zu ungeahnten Höhenflügen anregt, auch wenn die dann oft mit einer intellektuellen Bruchlandung enden.

Wie soll sich so was denn auf Halbleiter-Basis implementieren lassen? Indem man den Datenpfad durch die Hypophyse schleift vielleicht? Die Endorphine würde doch das ganze Silizium versauen.

Und dann brauen die in Brüssel schließlich auch ein gutes Bier. Und eine gut eingeschenkte Halbe steigt in den Kopf, aber bloß in einen richtigen, nicht in einen emulierten. Chips können mit Bier nichts anfangen.

Oder der Extremfall: ein Ausnahmezustand, wie er bei Menschen gelegentlich vorkommt. Man kann es sich so richtig vorstellen, wie Forscher mit EU-Geldern versuchen, den zu simulieren.

Also: Es heißt ja der Computer, männlich. Und dieser Computer wird dann mit einer ihm völlig fremden Logik konfrontiert. Die Logik sei weiblich, behauptet der Duden.

Die und der interagieren dann. In Nanosekunden überwinden sie alle Firewalls, die für den Normalbetrieb mühevoll konfiguriert wurden. Sie sind in der Cloud. Oder besser: Sie schweben auf einer Wolke. Jedwedes Multitasking ist vergessen: Auf beiden CPUs läuft nur noch ein Prozess, der auch die gesamte Peripherie erfasst, bis sie dann zu einem einzigen Tightly Coupled System verschmelzen.

Nö, EU-Kommission, so was lässt sich nicht simulieren. Was dabei im Kopf abläuft, das kriegt man in keine Chips rein.

Manchmal fasst man sich halt einfach nur an den Kopf, wenn man liest, was die in Brüssel wieder vorhaben. Und dann stellt man fest, dass die Neuronen da drin, doch ganz Wunderbares zustande bringen, dass man das nie auf Silizium-Basis wird simulieren können und dass das wohl auch gut so ist. Für Computer gibt’s schließlich, anderweitig genug zu rechnen.

Silicon-Redaktion

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